Die Broschüre „Zwischen Abwicklung und Neugestaltung“ beleuchtet die kontroversen Diskussionen um die Gedenkstätte Buchenwald seit 1989, insbesondere die Versuche, die antifaschistische Ausrichtung der Einrichtung infrage zu stellen oder neu zu gestalten. Die Gedenkstätte, die in der DDR als ein zentrales Symbol antifaschistischer Erinnerungskultur etabliert wurde, geriet nach der Wiedervereinigung in den Fokus von politischen und ideologischen Auseinandersetzungen. Kritisiert werden dabei vor allem die Bemühungen rechter politischer Kräfte, die historischen und moralischen Grundlagen der Gedenkstätte zu relativieren, indem sie die Rolle kommunistischer Widerstandsgruppen und anderer Häftlinge umdeuten oder deren Bedeutung herabsetzen.
Ein zentraler Punkt der Debatte ist die Neuinterpretation der Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald, bei der es zu einer problematischen Vermischung von Opfer- und Täterrollen kommt. Besonders die Rolle der kommunistischen Funktionshäftlinge wird dabei oft diffamiert, indem ihnen opportunistische oder sogar kollaborative Motive unterstellt werden. Gleichzeitig wird die Bedeutung des organisierten Widerstands innerhalb des Lagers, der zur Selbstbefreiung führte, marginalisiert. Diese Tendenzen werden von verschiedenen Gruppen, darunter ehemalige Häftlingsgemeinschaften und antifaschistische Organisationen, scharf kritisiert. Sie fordern eine differenzierte und sorgfältige Aufarbeitung, die historische Fakten nicht zugunsten politischer Kampagnen verzerrt.
Die Broschüre geht auch auf die Konzeption und Umsetzung neuer Museumsausstellungen ein, die seit den 1990er Jahren in Buchenwald entwickelt wurden. Dabei wird moniert, dass die neuen Präsentationen häufig eine klare inhaltliche Struktur vermissen lassen und es dem Besucher erschwert wird, die Geschichte des Lagers in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Aspekte wie die Solidarität unter den Häftlingen, die Rolle des Widerstands und die Verantwortung der Täter bleiben teilweise unterrepräsentiert. Kritisiert wird zudem der Verzicht auf Inszenierungen, die in früheren Ausstellungen dazu beitrugen, die Alltagsrealität im Lager für Besucher greifbarer zu machen.
Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die Trennung zwischen der Geschichte des Konzentrationslagers und der späteren Nutzung des Geländes als sowjetisches Internierungslager. Hier wird eine klare inhaltliche Abgrenzung gefordert, um die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht mit anderen historischen Kontexten zu vermischen. Die Broschüre sieht die Gefahr, dass solche Vermischungen von einigen politischen Akteuren instrumentalisiert werden könnten, um die antifaschistische Erinnerungskultur zu delegitimieren.
Insgesamt zeichnet die Broschüre ein Bild von der Gedenkstätte Buchenwald als einem Ort, der nicht nur der Erinnerung und Aufarbeitung dient, sondern auch zum Schauplatz ideologischer und politischer Kämpfe geworden ist. Die Autoren plädieren für eine ausgewogene, historisch fundierte Darstellung, die der komplexen Geschichte des Lagers und seiner Bedeutung für die antifaschistische Erinnerungskultur gerecht wird. Dabei wird betont, dass die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über Buchenwald exemplarisch für den allgemeinen Umgang mit der Vergangenheit in Deutschland steht.