Wohin gehst du VVN

Wohin gehst du VVN
Antifaschismus im Wandel der Zeit
Der Antifaschismus in Deutschland hat sich in den letzten Jahren tiefgreifend verändert. Während er einst eine kompromisslose Haltung gegen faschistische Ideologien und ihre gesellschaftlichen Wurzeln einnahm, verliert er heute zunehmend an Klarheit und Richtung. Insbesondere die Rolle der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) gerät in den Fokus der Kritik. Beobachter bemängeln, dass sich der Verband zunehmend von seiner historisch fundierten antifaschistischen Mission entfernt und stattdessen in den politischen Kurs der deutschen Außen- und Kriegspolitik eingebunden wird.
Diese Entwicklung zeigt sich vor allem darin, dass Antifaschismus immer häufiger als ein ideologisches Instrument für staatliche Interessen genutzt wird. Ein Beispiel hierfür ist die selektive Anwendung antifaschistischer Prinzipien in der Außenpolitik: Während rechte und faschistische Bewegungen in einigen Ländern scharf verurteilt werden, bleibt die Zusammenarbeit mit ultranationalistischen Gruppen in geopolitisch strategischen Regionen oft unkritisiert. So wurde beispielsweise die Unterstützung rechtsextremer Milizen in der Ukraine von westlichen Staaten kaum problematisiert, obwohl deren Verbindungen zu faschistischen Ideologien dokumentiert sind. Die ursprüngliche Aufgabe, eine tiefgehende Analyse faschistischer Strukturen zu betreiben und ihre historischen sowie gegenwärtigen Erscheinungsformen aufzudecken, tritt zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen wird der Diskurs zunehmend von tagespolitischen Interessen gelenkt, bei denen der Fokus auf genehme Feindbilder gelegt wird. Kritische Perspektiven, die über den engen Rahmen des politischen Mainstreams hinausgehen, werden oftmals ignoriert oder bewusst diskreditiert.
Dabei gerät aus dem Blick, dass Faschismus nicht nur eine politische Bewegung oder eine Ideologie ist, sondern tief in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Ein konsequenter Antifaschismus müsste sich daher ebenso gegen die kapitalistischen und imperialistischen Mechanismen richten, die faschistische Tendenzen historisch immer wieder hervorgebracht haben. Doch gerade diese Systemkritik wird zunehmend marginalisiert. Stattdessen konzentriert sich der öffentliche Antifaschismus oft auf einzelne Symptome des Problems, während die zugrunde liegenden wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen unangetastet bleiben.
Dieser Wandel führt dazu, dass antifaschistische Organisationen zunehmend in Widersprüche geraten. Einerseits wird behauptet, für eine umfassende antifaschistische Aufklärung einzutreten, andererseits aber werden zentrale Aspekte der weltweiten Faschismus-Debatte ausgeklammert, wenn sie nicht ins vorgegebene politische Narrativ passen. So bleibt der Antifaschismus in Deutschland in vielen Fällen ein moralisches Konzept, das zwar symbolisch gepflegt wird, aber in der praktischen Umsetzung immer weniger Wirkung entfaltet.
Selektiver Antifaschismus
Der heutige Antifaschismus widmet sich nicht mehr konsequent der Bekämpfung faschistischer Strukturen, sondern agiert zunehmend selektiv. Während rechte und faschistische Strömungen innerhalb der AfD scharf kritisiert werden, bleiben die offenen faschistischen Tendenzen in anderen Kontexten, insbesondere innerhalb der NATO-gestützten Streitkräfte in der Ukraine, weitgehend unbeachtet oder werden gar geleugnet. Dies führt zu einer paradoxen Situation: Wer auf faschistische Strukturen in der Ukraine hinweist, wird oft als "Verschwörungstheoretiker" diffamiert, anstatt dass sich eine sachliche Auseinandersetzung mit den historischen und gegenwärtigen Gegebenheiten entwickelt.
Diese selektive Wahrnehmung verengt den Antifaschismus auf eine moralische Perspektive, die sich primär an politischer Opportunität orientiert. Statt eine ganzheitliche Analyse der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ursachen von Faschismus vorzunehmen, werden Symptome herausgegriffen und instrumentalisiert. Die enge Verknüpfung von Faschismus mit ökonomischen Interessen und globalen Machtstrukturen wird dabei weitgehend ausgeklammert.
Ein konsequenter Antifaschismus müsste sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit wirtschaftliche und geopolitische Faktoren zur Entstehung faschistischer Strukturen beitragen. Beispielsweise bleibt die Unterstützung rechtsextremer Milizen durch westliche Staaten in bestimmten Konfliktregionen meist unkritisiert. Zudem wird oft übersehen, dass auch neoliberale Wirtschaftsstrategien und Militarismus eine Grundlage für das Erstarken autoritärer und faschistischer Ideologien bieten.
Diese einseitige Fokussierung untergräbt die Glaubwürdigkeit des Antifaschismus. Gleichzeitig gibt es jedoch Organisationen, die versuchen, einen breiteren Ansatz zu verfolgen, indem sie sowohl rechte als auch imperiale Machtstrukturen kritisieren. Diese Gruppen betonen, dass ein konsequenter Antifaschismus nicht nur auf bestimmte politische Strömungen abzielt, sondern auch deren wirtschaftliche und geopolitische Hintergründe beleuchtet. Sie führt dazu, dass zentrale Mechanismen des Faschismus nicht mehr in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Die ideologische Verzerrung bewirkt, dass strukturelle Zusammenhänge ignoriert werden und der Kampf gegen den Faschismus sich auf symbolische Gesten und partielle Empörung reduziert. Langfristig schwächt dies die antifaschistische Bewegung, da sie ihre analytische Schärfe und gesellschaftliche Relevanz verliert.
 Die Debatte um den Bandera-Komplex
Ein prägnantes Beispiel für diese Entwicklung ist die Rezeption des Dokumentationsbands Der Bandera-Komplex. Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke. Kritiker des Buches, darunter Vertreter des VVN-BdA, werfen den Autoren vor, "russische Expansionskriegs-Propaganda" zu betreiben. Dabei wird übersehen, dass die Autoren eine historisch fundierte Analyse der Verflechtung ukrainischer nationalistischer Bewegungen mit faschistischen Ideologien liefern. Besonders die Positionen des Marx-Engels-Stiftung-Mitglieds Jürgen Lloyd wurden in der öffentlichen Debatte gezielt verfälscht dargestellt. Die Kritiker unterstellen ihm, die russische Invasion in der Ukraine als einen "antifaschistischen Krieg" zu rechtfertigen – eine Behauptung, die sich in seinen tatsächlichen Analysen nicht wiederfindet. Diese verzerrte Darstellung verdeutlicht die wachsende Bereitschaft innerhalb des VVN-BdA, sich an die hegemoniale antirussische Erzählung der NATO und der Bundesregierung anzupassen, anstatt sich einer differenzierten Betrachtung zu widmen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass antifaschistische Arbeit zunehmend von der Frage dominiert wird, inwieweit sie mit den außenpolitischen Interessen Deutschlands kompatibel ist. Kritik an westlichen Kriegsstrategien oder der Unterstützung rechtsextremer Gruppierungen wird als unzulässig dargestellt, obwohl historische Erfahrungen zeigen, dass Faschismus immer auch im Kontext geopolitischer Machtinteressen betrachtet werden muss. Gerade im Fall der Ukraine zeigt sich, dass die westliche Politik bereit ist, mit ultranationalistischen und offen faschistischen Kräften zu kooperieren, solange dies der eigenen geopolitischen Strategie dient. Diese selektive Betrachtung untergräbt die Glaubwürdigkeit eines Antifaschismus, der sich primär auf Feindbilder konzentriert, anstatt systemische Ursachen zu hinterfragen.
Ein ernsthafter Antifaschismus müsste sich mit den historischen Wurzeln des ukrainischen Nationalismus auseinandersetzen, insbesondere unter Berücksichtigung der Arbeiten von Historikern wie Grzegorz Rossoliński-Liebe, der die Verflechtungen der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) mit faschistischen Ideologien und dem NS-Regime detailliert untersucht hat. insbesondere mit der Rolle von Stepan Bandera und der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Die enge Verflechtung dieser Gruppierungen mit dem NS-Regime und ihre Beteiligung an ethnischen Säuberungen während des Zweiten Weltkriegs sind historisch gut dokumentiert. Dennoch werden diese Fakten in aktuellen Debatten oft verdrängt oder relativiert, um die politische Unterstützung für die Ukraine zu legitimieren. Dies zeigt, dass Antifaschismus zunehmend als politisches Werkzeug eingesetzt wird, anstatt als kritisches Analyseinstrument zur Aufdeckung faschistischer Strukturen und Ideologien zu dienen.
Ein Antifaschismus ohne Systemkritik?
Die ideologische Wende innerhalb des VVN-BdA ist nicht zu übersehen. Während die Organisation einst eine klare antikapitalistische und antiimperialistische Haltung vertrat, rückt sie heute zunehmend in Richtung eines konformistischen, staatstragenden Antifaschismus. Dieser richtet sich vorrangig gegen linke und antiimperialistische Kräfte, anstatt gegen reale faschistische Strukturen. Dies zeigt sich besonders in der Verharmlosung neonazistischer Einheiten in der Ukraine, der fehlenden Kritik an der NATO-Osterweiterung als geopolitische Provokation gegenüber Russland und der Ausklammerung westlicher Kriegsverbrechen aus dem antifaschistischen Diskurs.
Dieser Wandel führt dazu, dass Antifaschismus zunehmend als reines Moralprinzip dargestellt wird, das sich auf die Ablehnung bestimmter Gruppen beschränkt, anstatt die strukturellen Ursachen zu analysieren. Während historisch ein marxistischer Antifaschismus stets die enge Verbindung zwischen Faschismus und Kapitalismus betonte, wird diese Verbindung heute in vielen offiziellen antifaschistischen Kreisen ignoriert oder heruntergespielt. Faschismus ist jedoch nicht nur eine politische Ideologie, sondern auch ein Herrschaftsinstrument zur Unterdrückung von Widerstand gegen den Kapitalismus.
Ein konsequenter Antifaschismus müsste sich daher auch mit den systemischen Bedingungen auseinandersetzen, die faschistische Bewegungen immer wieder begünstigen. Dazu gehören unter anderem die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft, die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger und die Durchsetzung autoritärer Herrschaftsformen zur Stabilisierung kapitalistischer Strukturen. In diesem Kontext wird deutlich, dass ein rein moralischer Antifaschismus nicht ausreicht, um faschistische Tendenzen wirksam zu bekämpfen. Stattdessen bedarf es einer radikalen Gesellschaftskritik, die die ökonomischen und politischen Grundlagen faschistischer Ideologien hinterfragt und bekämpft.
Indem der moderne Antifaschismus seine Systemkritik aufgibt und sich primär auf ideologische Auseinandersetzungen beschränkt, verliert er an Schlagkraft. Es entsteht eine Situation, in der antifaschistische Initiativen zwar gegen rechte Parteien demonstrieren, aber gleichzeitig die ökonomischen und politischen Verhältnisse unangetastet lassen, die den Faschismus immer wieder hervorbringen. Dadurch wird der Antifaschismus zunehmend zur bloßen Symbolpolitik degradiert, die zwar lautstark auftritt, aber keine grundlegenden Veränderungen bewirkt.
Ein echter, wirkungsvoller Antifaschismus muss daher über bloße Appelle an staatliche Institutionen hinausgehen und sich mit den tieferliegenden Strukturen befassen, die Faschismus begünstigen. Ohne diese systemkritische Perspektive bleibt Antifaschismus wirkungslos und läuft Gefahr, von den Herrschenden instrumentalisiert zu werden.
Instrumentalisierung des Antifaschismus
Die zunehmende Gleichsetzung des russischen Staates mit faschistischen Regimen wie dem Franco-Spanien oder dem Salazar-Portugal ist eine problematische Verzerrung, die dazu dient, westliche Kriegsstrategien gegen Russland moralisch zu rechtfertigen. Diese Gleichsetzung ignoriert wesentliche historische und politische Unterschiede und reduziert Antifaschismus auf eine bloße Propagandamaßnahme, die die geostrategischen Interessen des Westens unterstützt.
Parallel dazu wird Antifaschismus immer häufiger zur Rechtfertigung imperialistischer Kriege herangezogen. Während die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust zurecht thematisiert werden, bleibt die aktuelle Unterstützung Deutschlands für faschistische und ultranationalistische Kräfte in der Ukraine weitgehend unbeachtet. Dies verdeutlicht eine ideologische Verschiebung, die als "Umpolung auf Antisozialismus" verstanden werden kann: Linke, marxistische und antiimperialistische Kräfte geraten zunehmend ins Visier der etablierten Politik und Medien, während gleichzeitig Kollaborationen mit extrem rechten Gruppierungen verharmlost oder verschwiegen werden.
Ein weiterer gravierender Aspekt dieser Instrumentalisierung ist die schrittweise Verdrängung marxistischer Faschismusanalysen zugunsten idealistischer Erklärungen. Während marxistische Theoretiker wie Georgi Dimitroff Faschismus als eine Form der Diktatur des Monopolkapitals und als Werkzeug der Herrschenden betrachteten, wird er heute zunehmend auf rein kulturelle und nationalistische Elemente reduziert. Dimitroff argumentierte in seiner berühmten Rede auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935, dass Faschismus die brutalste Form der Herrschaft des Finanzkapitals sei, die eingesetzt wird, um revolutionäre Bewegungen zu unterdrücken. Diese Analyse zeigt, dass Faschismus nicht allein durch ideologische Aspekte definiert werden kann, sondern eine enge Verbindung zu wirtschaftlichen und politischen Machtstrukturen aufweist. Diese Entpolitisierung des Faschismusbegriffs führt dazu, dass wesentliche strukturelle Zusammenhänge zwischen Kapitalinteressen, Kriegspolitik und autoritären Entwicklungen ignoriert werden.
Indem Antifaschismus auf diese Weise entkernt und auf eine staatskonforme Linie gebracht wird, verliert er seine kritische Schärfe und seine ursprüngliche Funktion als Mittel der gesellschaftlichen Analyse und Intervention. Statt die tieferliegenden Ursachen des Faschismus zu bekämpfen, wird er selektiv gegen bestimmte Gegner eingesetzt, während er an anderer Stelle bewusst ausgeblendet wird. Diese Entwicklung untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit antifaschistischer Bewegungen, sondern macht sie zunehmend zu einem Werkzeug hegemonialer Interessen.
Fazit: Ein Antifaschismus ohne Wirkung
Der Antifaschismus in Deutschland verliert zunehmend seine kritische und kämpferische Funktion. Stattdessen wird er immer stärker als Instrument einer militaristischen Außenpolitik vereinnahmt. Die Anpassung an die offizielle deutsche Staatsdoktrin sorgt dafür, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht mehr an seinen strukturellen Wurzeln ansetzt, sondern nur noch dort geführt wird, wo es politisch opportun erscheint. Dies führt dazu, dass antifaschistische Rhetorik zwar allgegenwärtig ist, jedoch oft auf rein symbolischer Ebene verbleibt.
Dieser Prozess hat weitreichende gesellschaftliche und politische Folgen. Zum einen wird der eigentliche Kampf gegen den Faschismus geschwächt, da er nicht mehr dort ansetzt, wo die Ursachen des Faschismus tatsächlich liegen – in kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen, imperialistischen Kriegsstrategien und autoritären Herrschaftsstrukturen. Zum anderen untergräbt dieser instrumentalisierte Antifaschismus das Vertrauen in antifaschistische Organisationen. Wenn diese sich zunehmend als Erfüllungsgehilfen einer staatlich verordneten Ideologie präsentieren, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit als kritische Kraft in der Gesellschaft.
Gleichzeitig führt diese ideologische Verkürzung dazu, dass Antifaschismus auf eine rein reaktive und moralische Ebene reduziert wird, anstatt als systematische Analyse von Herrschaftsmechanismen zu fungieren. Damit droht er, zu einem bloßen politischen Feigenblatt zu verkommen, das zwar lautstark warnt, aber letztlich keine substanzielle Opposition zu den gesellschaftlichen Verhältnissen darstellt, die Faschismus immer wieder hervorbringen.
Die zentrale Frage bleibt daher bestehen: Kann sich der Antifaschismus in Deutschland aus dieser ideologischen Umklammerung befreien? Ein erster Schritt könnte darin bestehen, ihn wieder stärker mit einer systemkritischen Perspektive zu verknüpfen. Dies bedeutet, Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus als zentrale Triebkräfte faschistischer Bewegungen konsequent zu analysieren und zu bekämpfen. Darüber hinaus wäre eine differenzierte Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen faschistischen Strukturen erforderlich, die über tagespolitische Opportunitäten hinausgeht. Nur durch eine solche umfassende Herangehensweise kann der Antifaschismus seine ursprüngliche Schlagkraft zurückgewinnen und eine transformative gesellschaftliche Kraft werden. Oder wird er weiterhin für politische Zwecke instrumentalisiert und verliert damit seine transformative Kraft? Eine Rückkehr zu einem konsequenten, klassenbewussten Antifaschismus, der Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus als zentrale Triebkräfte faschistischer Bewegungen erkennt und bekämpft, wäre ein notwendiger Schritt, um den Antifaschismus aus seiner gegenwärtigen Lähmung zu befreien und ihn wieder zu einer realen gesellschaftlichen Kraft zu machen.
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