Tödliche Polizeischüsse in der Bundesrepublik
2024: Das blutigste Jahr seit Beginn der Erfassung
Der kapitalistische Staat zeigt seine Fratze: Wer Hilfe braucht, wird erschossen.
Im Jahr 2024 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 22 Menschen durch Polizeikugeln getötet, darunter etwa der Fall eines 29-jährigen Mannes aus Frankfurt, der in seiner Wohnung erschossen wurde, nachdem Nachbarn wegen lauter Musik die Polizei gerufen hatten. Obwohl er unter einer bekannten psychischen Erkrankung litt und keine ernsthafte Bedrohung darstellte, wurde er innerhalb weniger Minuten nach dem Eintreffen der Einsatzkräfte tödlich getroffen. – mehr als je zuvor seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 1976. Diese Zahl ist keine trockene Statistik. Sie ist ein Alarmzeichen. Ein Aufschrei. Ein Beleg für die Brutalität eines Systems, das nicht schützt, sondern vernichtet.
Die unabhängige Zeitschrift CILIP hat diese tödliche Entwicklung über Jahrzehnte dokumentiert. Ihre aktuelle Auswertung wurde nun in der Roten Hilfe (Heft 1/2025) veröffentlicht. Sie zeigt nicht nur nackte Zahlen – sie legt die strukturelle Gewalt des Staates offen. Und sie ist ein Aufruf an alle fortschrittlichen Kräfte, Widerstand zu leisten.
Die Opfer: jung, männlich, allein gelassen
Die meisten Getöteten sind junge Männer, häufig im Alter von 25 Jahren. 97 von 100 Opfern sind männlich. Und viele wurden nicht im öffentlichen Raum, sondern in ihrer eigenen Wohnung erschossen – also dort, wo sie sich sicher fühlen sollten.
Besonders tragisch: Ein Viertel aller Getöteten seit 1976 befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Viele litten an Angstzuständen, Depressionen oder waren in einer akuten Krise. Was sie brauchten, war Hilfe. Doch statt Notärzten oder Sozialarbeitern kamen vermummte Polizisten mit Maschinenpistolen.
Oft reicht eine plötzliche Bewegung oder ein Küchenmesser in der Hand – und der Schießbefehl wird gegeben. Diese Menschen wurden vom kapitalistischen System allein gelassen, dann kriminalisiert und am Ende ermordet. Das ist keine Ausnahme, das ist System.
Wenn Eskalation zur Regel wird: Der tödlichste Tag ist der 6. Dezember
Die Daten zeigen einen erschreckenden Trend: Der Monat Dezember ist besonders blutig. Und der 6. Dezember – ausgerechnet der Nikolaustag – ist statistisch der tödlichste Tag des Jahres. Auch Donnerstage sind überproportional gefährlich. An Wochenenden hingegen wird seltener geschossen, unter anderem, weil Sondereinheiten seltener zum Einsatz kommen.
Das zeigt: Die Eskalation ist kein Zufall. Sie ist strukturell eingebaut, planbar und akzeptiert.
Berlin, Hamburg, Hessen – die Frontlinien der Repression
Die meisten Todesopfer durch Polizeischüsse gibt es in Berlin, Hamburg und Hessen. Diese Länder stehen exemplarisch für soziale Spaltung, Gentrifizierung, steigende Mieten, Verdrängung, Armut und Ausgrenzung. Wer in diesen Städten aus dem Raster fällt, dem begegnet der Staat nicht mit Mitgefühl, sondern mit Kugeln.
Ermittlungen ohne Folgen – die Justiz schützt die Täter
Nach jedem tödlichen Polizeischuss soll eine Ermittlung erfolgen. Doch diese wird meist von benachbarten Dienststellen durchgeführt. Die Polizei untersucht sich selbst. Die Staatsanwaltschaft deckt sie – wie etwa im Fall von Oury Jalloh, bei dem trotz massiver Hinweise auf Fremdverschulden nie eine unabhängige Ermittlung durchgesetzt wurde. Anklagen gibt es kaum. Verurteilungen noch seltener. Wenn überhaupt, erhalten die Täter Strafen unter einem Jahr – und bleiben im Dienst.
Der Strafrechtler Lukas Theune spricht in diesem Zusammenhang von „Berufszeugen“ – also Polizisten, deren Aussagen vor Gericht grundsätzlich geglaubt werden, auch wenn sie widersprüchlich oder offensichtlich falsch sind.
Der Rechtsstaat funktioniert hier nicht. Er versagt nicht nur – er schützt die Täter und lässt die Opfer im Stich.
Früher Warnschüsse, heute gezielte Tötung
In den 1980er und 1990er Jahren wurde zwar häufiger geschossen – doch meist handelte es sich um Warnschüsse, oft auch bei Demonstrationen. Heute wird seltener geschossen, aber gezielter – mit tödlicher Absicht. Die Zahl der Toten bleibt gleich oder steigt sogar. Der Einsatz ist brutaler, die Schwelle zum Schießen niedriger.
Auch Tiere geraten zunehmend ins Visier. Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Teil einer grundsätzlichen Verrohung im Umgang der Polizei mit Leben, sei es menschlich oder tierisch. Die Bereitschaft zur Anwendung tödlicher Gewalt nimmt in allen Bereichen zu – ein Spiegelbild der enthemmten Repressionspraxis, die tief im kapitalistischen Gewaltapparat verankert ist. Im Jahr 1984 wurden rund 2.200 Tiere durch Polizeiwaffen getötet. Im Jahr 2023 waren es fast 17.000. Ein Anstieg um ein Vielfaches – Ausdruck einer eskalierenden Gewaltbereitschaft der Polizei.
Der Staat schweigt – wir nicht!
Die offizielle Polizeistatistik verschweigt vieles. Fälle gelten als „offen“, solange Ermittlungen nicht abgeschlossen sind – und tauchen so nicht in den Jahresberichten auf. „Erweiterte Selbsttötungen“, bei denen Polizisten mit ihrer Dienstwaffe Angehörige töten, werden gar nicht erfasst. Auch tödliche Vorfälle außerhalb des Dienstes finden keine Erwähnung.
Die Polizei, die Justiz, die Innenministerien – sie schützen sich gegenseitig. Nur durch unabhängige Recherche – durch Menschen wie Johannes Filter, Matthias Monroy oder Medien wie CILIP und netzpolitik.org – kommt die Wahrheit ans Licht.
Doch das reicht nicht. Es braucht mehr. Widerstand, Organisation, eine starke, entschlossene Bewegung gegen den staatlichen Mordapparat!
Unsere Forderungen – klar und unmissverständlich:
Entwaffnung der Polizei im Streifendienst!
Abschaffung aller Sondereinheiten!
Unabhängige Untersuchungskommissionen durch Bürgerinitiativen und Betroffenenverbände!
Stopp der tödlichen Einsätze gegen psychisch kranke Menschen!
Gedenkorte für die Opfer polizeilicher Gewalt in jeder Stadt!
Sozialistische Kontrolle über Polizei und Justiz durch Räte und Volksvertretungen!
Aufbau einer neuen Gesellschaft – friedlich, solidarisch, gerecht!
Für eine sozialistische Ordnung – gegen Repression und Mord
In der Deutschen Demokratischen Republik stand der Mensch im Mittelpunkt. Dort wurde soziale Hilfe organisiert – nicht mit Maschinenpistolen, sondern mit Mitmenschlichkeit.
Heute erleben wir in der Bundesrepublik einen Rückfall in autoritäre Gewaltpolitik. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir organisieren uns. Wir klären auf. Wir leisten Widerstand.
Schluss mit den Kugeln! Schluss mit der Gewalt! Schluss mit diesem System!
Für eine neue Gesellschaft – sozialistisch, antifaschistisch, menschlich!
Weitere Informationen zur Auswertung und zur gesamten Ausgabe der Roten Hilfe Zeitung 1/2025 finden sich unter: 👉 https://rote-hilfe.de/rote-hilfe-zeitung-1-2025
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