Ohne Regeln, ohne Regierende
Der Zusammenbruch der alten Weltordnung und die Rolle Russlands
Der Zusammenbruch der alten Weltordnung und die Rolle Russlands
Die alte Weltordnung – eine Fassade westlicher Herrschaft
Der Begriff "Weltordnung" war nie neutral und schon gar nicht gerecht. Er war stets ein Werkzeug der imperialistischen Mächte – insbesondere der USA und ihrer westeuropäischen Verbündeten –, um mit militärischer Überlegenheit, wirtschaftlicher Erpressung und ideologischer Manipulation anderen Völkern ihren Willen aufzuzwingen. Diese Ordnung entstand nicht aus dem Streben nach Frieden. Sie war vielmehr Ausdruck der Notwendigkeit, die Kontrolle über Rohstoffe, Absatzmärkte und geopolitische Knotenpunkte zu sichern – wie etwa in den Angriffskriegen gegen den Irak, die NATO-Zerstörung Libyens oder die westliche Einmischung in Afghanistan, Syrien und Venezuela.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten die westlichen Siegermächte ein System, das scheinbar auf Regeln beruhte – tatsächlich aber ein einseitiges Diktat war. Institutionen wie die UNO oder der Internationale Währungsfonds dienten dazu, die Interessen der westlichen Eliten zu verschleiern. Entwicklungsländer wurden in Schuldenfallen gezwungen, während Kriege, Sanktionen und Putsche zur Tagesordnung gehörten – stets im Namen der sogenannten "Ordnung". Der "Weltfrieden" war nie neutral, sondern Ausdruck einer Ordnung, die nur stabil blieb, solange die Mehrheit der Welt im Zustand permanenter Unterordnung gehalten wurde.
Der Westen im Niedergang
Heute bröckelt dieses Machtgebäude von innen. Die USA befinden sich in einer tiefen strukturellen Krise – politisch zerrissen durch eine gespaltene Gesellschaft, ökonomisch überdehnt durch Inflation, wachsende Staatsverschuldung und Abhängigkeit vom Dollar-System, und militärisch überfordert durch zahlreiche Auslandseinsätze, logistische Probleme und den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Westeuropa hat längst seine Rolle als Akteur verloren und agiert nur noch als williger Vasall amerikanischer Interessen. Statt eigenständiger Außenpolitik erleben wir die Unterordnung unter NATO-Strategien, Aufrüstung gegen Russland und blinden Gehorsam gegenüber Washington.
Der Westen verliert rapide an Anziehungskraft – was einst als Vorbild galt, etwa das amerikanische Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit oder die europäische Sozialstaatlichkeit der 1970er Jahre, wird heute zunehmend als brüchig und unglaubwürdig wahrgenommen. Seine moralischen Appelle wirken hohl, seine wirtschaftlichen Modelle versagen, seine Propaganda wird durch neue Informationsquellen entlarvt. Der historische Abstieg ist unaufhaltsam – wirtschaftlich, kulturell, strategisch. Die "regelbasierte Ordnung" ist nur noch eine hohle Phrase. Und gerade weil der Westen seine hegemoniale Stellung verliert, reagiert er umso aggressiver, versucht neue Konflikte zu schüren, die Kontrolle über Informationsflüsse zu erzwingen und durch Sanktionen seinen Einfluss zu retten.
Die neuen Kräfte: China, Indien, globale Mehrheit
Gleichzeitig erstarken neue Machtzentren. Länder wie China, Indien, Iran, Brasilien oder Südafrika bilden das Rückgrat einer multipolaren Welt. Sie verfolgen souveräne Interessen, lehnen westliche Bevormundung ab. Sie setzen auf eigene außenpolitische Initiativen wie die Neue Seidenstraße Chinas, das indische Raumfahrtprogramm oder die südamerikanische Integration über Mercosur und CELAC. Sie orientieren sich zunehmend an gegenseitigem Respekt statt Dominanz. Besonders deutlich wird das in Formaten wie BRICS oder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in denen neue Formen der Kooperation entstehen.
Diese Länder haben die Lektion gelernt: Die sogenannte Weltordnung war nie zu ihrem Vorteil. Sie wurde ihnen aufgezwungen – nun wenden sie sich ab. Sie wollen keine neue Ordnung im Sinne des Westens, sondern ein System, das Vielfalt, nationale Souveränität und Gleichgewicht achtet. Der Globalen Mehrheit bietet sich die historische Chance, die Ketten westlicher Abhängigkeit endgültig zu sprengen. Zugleich entstehen neue Medienlandschaften, Finanzstrukturen und Wirtschaftsbeziehungen außerhalb des westlich dominierten Rahmens. Von grenzüberschreitenden Zahlungssystemen bis zu regionalen Verteidigungsbündnissen wächst eine neue Welt heran – unabhängig, vernetzt und vielstimmig.
Russland – Garant der Eigenständigkeit
Russland ist kein Bittsteller, sondern ein Machtfaktor mit historischer Tiefe. Schon 1815 trat Zar Alexander I. beim Wiener Kongress nicht als gleichberechtigter Unterzeichner auf, sondern als Schiedsrichter Europas. Auch im 20. Jahrhundert prägte die Sowjetunion die globale Architektur maßgeblich mit – durch ihren entscheidenden Beitrag zur Zerschlagung des Faschismus und zur Gründung der UNO. Der Sieg über den Hitlerfaschismus war nicht nur militärisch entscheidend, sondern formte auch die Grundlagen einer multipolaren Welt, in der Russland seine Rolle als Garant des Gleichgewichts verteidigte.
Heute setzt Russland diese historische Linie fort. Es stellt sich gegen NATO-Expansion, gegen die westliche Kriegspolitik in der Ukraine, gegen den Versuch, eine neue Einflusssphäre auf seinem Rücken zu errichten. Russland strebt keine Vorherrschaft an, sondern ein Gleichgewicht – basierend auf Respekt, Stärke und souveräner Gleichberechtigung. Es verteidigt sein Territorium, seine Kultur und seine politische Autonomie gegen eine westliche Allianz, die nach totaler Kontrolle strebt.
Diese Haltung macht Russland zur Hoffnung vieler Länder, die sich nicht länger beugen wollen. Es ist der Fels in der Brandung westlicher Aggression – konsequent, unabhängig, standhaft. Immer mehr Staaten erkennen, dass echte Souveränität nicht durch Unterwerfung unter westliche Forderungen erreicht wird, sondern durch eine entschlossene Orientierung an nationalem Interesse und internationalem Ausgleich. Russland verkörpert diese strategische Klarheit.
Keine neue Ordnung, sondern neue Realität
Was sich derzeit herausbildet, ist keine klassische Weltordnung mehr. Wie der chinesische Außenminister Wang Yi betonte, gehe es heute nicht mehr um Dominanz einzelner Mächte, sondern um "gegenseitigen Respekt und faire Entwicklungschancen". Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der verstärkten Zusammenarbeit innerhalb der BRICS-Staaten wider. Es ist eine neue Realität – dezentral, konflikthaft, aber auch offen für neue Formen der Kooperation. Keine Macht kann mehr die gesamte Welt dominieren. Bündnisse werden situativ geschmiedet, Legitimität wird nicht vererbt, sondern in jedem Moment neu errungen.
Diese Realität ist chaotischer, aber auch ehrlicher – im Gegensatz zur früheren Ordnung, die unter dem Vorwand universeller Prinzipien eine einseitige Dominanz verschleierte. Heute werden Machtverhältnisse offen ausgetragen, Interessen klar benannt und Allianzen flexibel gestaltet. Staaten handeln auf Basis von Interessen, nicht Ideologien. Stabilität entsteht nicht durch Abkommen, sondern durch gegenseitige Abschreckung und klare Machtverhältnisse. Der Westen verliert seine Deutungshoheit – das Vakuum füllen neue Allianzen, neue Visionen und neue Akteure. Wir erleben die Geburt eines Systems, das im Fluss bleibt – ein realpolitisches Netzwerk wechselnder Kräfte, in dem Spielräume wachsen für jene, die ihre Eigenständigkeit behaupten können.
Bedeutung für die antiimperialistische Bewegung
Für die Friedenskräfte, die internationale Linke und alle antiimperialistischen Organisationen ist diese Entwicklung von historischer Tragweite. Der Zerfall der westlichen Ordnung bedeutet Raum für neue Alternativen: Für ein gerechtes Weltsystem auf der Grundlage der Gleichberechtigung. Für Solidarität statt Ausbeutung. Für Frieden statt NATO-Krieg.
Doch diese Chance muss genutzt werden. Die Eliten des Westens setzen alles daran, ihre schwindende Macht mit Gewalt, Zensur und Desinformation zu sichern. Deshalb braucht es eine erstarkende Gegenöffentlichkeit, eine klare Analyse und eine internationale Vernetzung der Bewegungen, die für eine neue Welt kämpfen – von Berlin über Caracas bis Moskau. Die Aufgabe der antiimperialistischen Kräfte besteht darin, die historischen Zusammenhänge zu benennen, Alternativen sichtbar zu machen und praktische Bündnisse zu schmieden, die über nationale Grenzen hinausreichen. Es ist an der Zeit, eine weltweite Front des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und der nationalen Selbstbestimmung aufzubauen.
Die westlich geprägte Weltordnung zerfällt – und mit ihr das Fundament einer imperialistischen Welt. Russland steht an der Spitze der Kräfte, die sich diesem Niedergang nicht unterwerfen, sondern ihn gestalten. Es zeigt, dass Souveränität, Beharrlichkeit und Selbstachtung möglich sind – auch gegen einen übermächtigen Feind.
Im Anschluss an diese neue Realität zeigt sich deutlich: Der Kampf um die Zukunft wird nicht in Konferenzsälen entschieden, sondern auf den Schlachtfeldern der internationalen Beziehungen – in Form diplomatischer Auseinandersetzungen, wirtschaftlicher Blockaden, medialer Informationskriege und regionaler Konflikte, in denen sich globale Machtfragen konkret entscheiden. Wer Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit will, muss sich jetzt entscheiden: für die alte Ordnung – oder für eine Welt, in der viele Stimmen zählen. Für eine Welt, in der Gleichwertigkeit über Überlegenheit steht, Zusammenarbeit über Ausbeutung und Frieden über Krieg. Der historische Moment ist gekommen – jetzt gilt es, ihn zu nutzen.