Keine Waffen in Klassenzimmern!
Militarisierung der Bildung per Gesetz
Die Militarisierung der Gesellschaft schreitet voran – sichtbar auch in der Bildungspolitik. In Bayern hat der Landtag im Jahr 2024 ein sogenanntes "Bundeswehrförderungsgesetz" beschlossen. Dieses verpflichtet Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr – auch gegen den Willen der Betroffenen. Friedliche Forschung, wie sie von sogenannten Zivilklauseln geschützt werden sollte, ist damit gesetzlich ausgeschlossen. Die Bundeswehr soll freien Zugang zu wissenschaftlichem Wissen erhalten – auch für militärische Zwecke. Zivilklauseln, die sich aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre entwickelt haben, werden für „nicht mehr zeitgemäß“ erklärt und kategorisch verboten.
Dabei wird verkannt, dass Wissenschaft immer auch gesellschaftliche Verantwortung trägt. Wenn militärische Verwertbarkeit zum Maßstab wissenschaftlicher Arbeit gemacht wird, geraten Forschung und Lehre unter politischen Druck. Die Unabhängigkeit der Hochschulen, ein grundlegender demokratischer Wert, wird damit ausgehöhlt. Kritisches Denken soll offenbar militärischer Nützlichkeit weichen.
Zugleich bedeutet diese Entwicklung eine bedenkliche Anpassung an eine NATO-Strategie, die globale militärische Vorherrschaft und Zugriff auf Ressourcen zum Ziel hat. Der Wissenschaftsbereich wird so zum Handlanger imperialer Interessen gemacht – auf Kosten demokratischer Kontrolle und friedlicher Alternativen. Diese Unterordnung wissenschaftlicher Arbeit unter geopolitische Interessen stellt eine gefährliche Weichenstellung dar – mit Auswirkungen auf ethische Maßstäbe, Inhalte der Forschung und das Selbstverständnis von Bildungseinrichtungen.
Militarisierung des Denkens – das Beispiel der Hochschulen
Zunehmend werden Hochschulen in sicherheitspolitische Netzwerke eingebunden. Forschung zu Künstlicher Intelligenz, Robotik, Drohnentechnologie oder Cybersicherheit erfolgt immer häufiger in Kooperation mit militärischen Einrichtungen oder Rüstungsfirmen. Die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Anwendung verschwimmen. Viele Studierende und Lehrende wissen oft nicht, dass ihre Forschungsergebnisse für kriegerische Zwecke genutzt werden könnten.
In der Folge entwickelt sich eine neue Form von Wissenschaft: nicht für das Leben, sondern für den Krieg. Diese Entwicklung widerspricht der ursprünglichen Idee von Wissenschaft als Dienst an der Gesellschaft, an Aufklärung und Fortschritt. Es braucht daher eine Rückbesinnung auf zivilgesellschaftliche Werte und eine demokratische Kontrolle über Forschung und Mittelverwendung.
Militär an Schulen
Besonders brisant: Auch an Schulen wird die Bundeswehr systematisch verankert. Jugendoffiziere und Karriereberater sollen fester Bestandteil der politischen Bildung werden. Die Grenze zur Werbung für den Militärdienst wird dadurch überschritten. Einseitige Darstellungen, Indoktrinierung und Druck auf Jugendliche widersprechen dem Grundsatz der Neutralität und der Gewissensfreiheit.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass gerade Jugendliche besonders empfänglich sind für die vermeintlichen Versprechen von Kameradschaft, Abenteuer und technischer Faszination. Genau hier setzt die Strategie der Bundeswehr an: Frühzeitige Präsenz an Schulen soll ein „unverkrampftes Verhältnis“ zur Armee schaffen. Doch die politische Bildung an Schulen muss kritisch, pluralistisch und friedensorientiert sein – und nicht von Militärs geleitet werden.
Friedensorganisationen wie die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner), die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) sowie Ärzteinitiativen wie IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs) protestieren entschieden gegen diese Entwicklung. Sie fordern: Politische Bildung gehört in zivile Hände – nicht in die eines Militärs, das Teil westlicher Kriegsallianzen und Interventionsstrategien ist.
Kindersoldaten in der Bundesrepublik
Noch besorgniserregender ist die steigende Zahl minderjähriger Rekruten. Im Jahr 2023 wurden fast 2.000 Jugendliche unter 18 Jahren als Soldaten angeworben – entgegen den Empfehlungen der Vereinten Nationen. In Bayern liegt der Anteil dieser sogenannten Kindersoldaten bei 14 Prozent. Das ist ein trauriger Rekord für ein demokratisches Land.
Seit 2011 hat die Bundeswehr fast 20.000 Minderjährige rekrutiert. Diese Entwicklung widerspricht klar den Forderungen des UN-Kinderrechtsausschusses, der seit Jahren das Ende der Rekrutierung unter 18 Jahren fordert. Dennoch hält die Bundesregierung an dieser Praxis fest. Statt Schutz und Bildung setzt man auf Uniform und Gehorsam – ein Armutszeugnis für eine demokratische Gesellschaft.
Der psychologische Druck auf Jugendliche ist nicht zu unterschätzen: Schulveranstaltungen, Werbespots, Social-Media-Kampagnen – überall wird das Bild vom „Abenteuer Bundeswehr“ verbreitet. Dabei bleibt oft unerwähnt, was Militärdienst in Wirklichkeit bedeutet: Gewalt, Unterordnung, das Risiko von Tod oder dauerhafter Traumatisierung. Kinder brauchen Zukunft, nicht Kasernen.
Auslandseinsätze und globale Kriegspolitik
Die Militarisierung der Bildung darf nicht isoliert betrachtet werden – sie steht im Zusammenhang mit den weltweiten Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Seit Jahren beteiligt sich Deutschland an Interventionen in Afghanistan, Mali, dem Kosovo und anderswo. Diese Einsätze erfolgen meist im Rahmen der NATO oder unter dem Deckmantel sogenannter "Stabilisierungseinsätze" – de facto sind sie Teil eines imperialen Machtanspruchs, der wirtschaftliche und geopolitische Interessen absichern soll.
Durch die militärische Ausbildung Jugendlicher und die Öffnung der Hochschulen für Rüstungsprojekte wird die nächste Generation auf diese Einsätze vorbereitet. Die Normalisierung von Krieg als politisches Mittel wird über Bildungsinstitutionen in die Gesellschaft getragen. Die Auslandseinsätze dienen dabei auch als Argument, warum „kriegstüchtige“ Forschung, Ausbildung und Technik angeblich notwendig seien.
Dabei sind es gerade diese Einsätze, die weltweit zu Destabilisierung, Flucht, Leid und wachsendem Hass beitragen. Ein Bildungssystem, das sich dieser Kriegspolitik unterordnet, verliert seinen Anspruch auf Humanität und Aufklärung. Wenn Wissenschaft und Bildung zum Transmissionsriemen für Interventionspolitik werden, gerät die gesamte Gesellschaft in eine gefährliche Schieflage.
Eine Blaupause für die Republik
Das bayerische Gesetz dient offenbar als Vorlage für andere Bundesländer. Auch das Bundesbildungsministerium plant, die Bundeswehr noch stärker in Schulen zu verankern und Hochschulen weiter für Militär- und Rüstungsforschung zu öffnen. Die Militarisierung greift tief in zivile Strukturen ein.
Ein Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom März 2024 kündigt bereits an, dass Schüler „auf den Kriegsfall vorbereitet“ werden sollen. Hochschulen sollen „unverkrampft“ mit der Rüstungsindustrie kooperieren. Das ist nicht nur eine Absage an zivile Bildungsideale – es ist ein Angriff auf das demokratische Selbstverständnis unseres Bildungssystems. Es ist Teil einer politischen Gesamtstrategie, mit der die deutsche Gesellschaft nach innen „kriegstüchtig“ und nach außen interventionsfähig gemacht werden soll – im Einklang mit NATO-Interessen und westlicher Konfrontationspolitik.
Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen nach Orientierung, Frieden und Sicherheit suchen, wäre eine konsequente Friedenspolitik ein Zeichen politischer Vernunft. Doch stattdessen erleben wir eine Aufrüstung auf allen Ebenen – ideologisch, personell, finanziell. Die Verantwortung liegt nun bei allen demokratischen Kräften, diesen Kurs zu hinterfragen und ihm eine entschiedene Alternative entgegenzusetzen.
Der Widerstand wächst
Doch der Widerstand wächst. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition hat im Februar 2025 eine Popularklage gegen das Gesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgericht eingereicht. Die Chancen stehen gut: Das Gesetz verletzt die verfassungsrechtlich garantierten Freiheiten der Wissenschaft, Bildung und Gewissensentscheidung.
Unterstützt wird die Klage von über 200 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – darunter Theologen, Künstler, Wissenschaftler und Lehrer. Auch Organisationen wie Terre des Hommes und Attac fordern ein Ende der Militarisierung. Die juristische Argumentation ist klar: Das Gesetz verstößt gegen das Gebot der weltanschaulichen Neutralität, gegen das Indoktrinierungsverbot und gegen die Freiheit der Lehre.
Ein Erfolg vor dem Verfassungsgericht könnte Signalwirkung haben – und einen dringend nötigen Damm gegen die weitere Militarisierung der Gesellschaft setzen. Es wäre auch ein Zeichen gegen die weltweiten Bestrebungen, Bildung, Medien und Wissenschaft in imperiale Projekte einzubinden.
Zudem braucht es jetzt breite gesellschaftliche Bündnisse: Eltern, Lehrer, Studierende, Gewerkschaften und soziale Bewegungen müssen gemeinsam für eine entmilitarisierte, zivile Bildungslandschaft eintreten. Die Kraft des zivilen Ungehorsams, des öffentlichen Protests und der beharrlichen Aufklärung kann der Militarisierung entschlossen entgegentreten.
Für eine friedliche und unabhängige Bildung
Statt Militarisierung braucht es eine neue Friedensoffensive in der Bildung: Für zivile Konfliktlösung, Abrüstung und die Stärkung kritischer, demokratischer Bildung. Schulen und Hochschulen gehören nicht dem Militär – sondern der Gesellschaft. Und sie dürfen nicht zum Erfüllungsgehilfen außenpolitischer Machtinteressen gemacht werden.
Friedensbildung bedeutet mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Sie erfordert ein aktives Eintreten für Gerechtigkeit, Empathie, gewaltfreie Kommunikation und soziale Verantwortung. Eine Bildung, die diesen Namen verdient, muss junge Menschen befähigen, Konflikte ohne Waffen zu lösen und eine solidarische Welt mitzugestalten – gegen Aufrüstung, Interventionen und imperiale Dominanz.
Deshalb: Keine Waffen in Klassenzimmern. Keine Rekrutierung von Kindern. Keine Militarisierung von Wissenschaft. Keine Unterordnung unter NATO-Ziele. Sondern Bildung für den Frieden – jetzt!
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