Karl Liebknecht und sein Kampf gegen das Armee

Karl Liebknecht und sein Kampf
gegen das Armee-„Sondervermögen“ (1913)
Eine Rede gegen die Kriegstreiberei
Karl Liebknecht wandte sich im Jahr 1913 mit einer flammenden Rede im Reichstag gegen das geplante Armee-„Sondervermögen“. Er sah darin keinen Beitrag zur nationalen Sicherheit, sondern vielmehr eine gezielte Bereicherung der internationalen Rüstungskonzerne. Mit Dokumenten belegte er, dass sich führende Waffenhersteller aus Deutschland, Österreich und Belgien in internationalen Kartellen organisierten, um ihre Profite zu maximieren und den Markt unter sich aufzuteilen. Er deckte auf, dass diese Unternehmen in enger Absprache handelten und ihre Marktstrategien nicht auf die militärische Notwendigkeit, sondern auf wirtschaftliche Interessen ausrichteten. So war beispielsweise die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik (DWM) Teil eines internationalen Kartells, das mit Unternehmen wie der österreichischen Waffenfabrik Steyr und der belgischen Fabrique Nationale d’Armes de Guerre zusammenarbeitete. Diese Firmen vereinbarten nicht nur Preisabsprachen, sondern teilten sich auch Märkte auf und lieferten in Zeiten diplomatischer Spannungen Waffen an konkurrierende Staaten, um ihre Profite zu maximieren.
Liebknecht sah darin eine große Gefahr für den Frieden in Europa. Die hemmungslose Expansion der Rüstungsindustrie sei kein Zeichen nationaler Stärke, sondern der zunehmenden Kontrolle der Politik durch private Kapitalinteressen. Die Verflechtung von Wirtschaft und Politik führte dazu, dass Kriege nicht mehr als letztes Mittel der Verteidigung gesehen wurden, sondern als notwendige Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Diese Entwicklung sei brandgefährlich, da sie das Wettrüsten anheize und die diplomatischen Beziehungen zwischen den europäischen Staaten zunehmend vergifte.
Die Machenschaften der Rüstungskartelle
Liebknecht prangerte an, dass diese Rüstungskartelle geheime Verträge geschlossen hatten, um sich gegenseitig Absatzmärkte zu sichern und jegliche Konkurrenz auszuschalten. Besonders skandalös war, dass sie über nationale Grenzen hinweg operierten und sich weder von patriotischen Parolen noch von politischen Feindbildern beeinflussen ließen. Er zeigte auf, wie beispielsweise deutsche Waffenfabriken mit Unternehmen in Belgien und Frankreich kooperierten, während gleichzeitig diese Länder offiziell als potenzielle Feinde Deutschlands dargestellt wurden.
Diese absurde Doppelmoral, so Liebknecht, entlarve die gesamte Militarisierungspolitik als reine Geschäftemacherei. Ein besonders aufschlussreiches Beispiel sei die Tatsache, dass deutsche Rüstungsunternehmen Waffen an Frankreich und Russland verkauften, während diese Länder in der offiziellen Propaganda als Feinde dargestellt wurden. Gleichzeitig wurde in Deutschland der Ausbau der eigenen Streitkräfte mit der angeblichen Bedrohung durch ebendiese Länder begründet. Dies verdeutliche, dass es der Rüstungsindustrie nicht um die Sicherheit der Nationen, sondern ausschließlich um den eigenen Profit gehe. Die Rüstungsindustrie bestimme durch ihre Verflechtungen mit politischen Entscheidungsträgern über die Rüstungsausgaben und damit indirekt auch über Krieg und Frieden. Wenn die Industrie an Aufträgen verdiene, unabhängig davon, ob es sich um eine Verteidigung oder einen Angriffskrieg handle, sei das ein direkter Angriff auf den Willen der Völker, in Frieden zu leben. Diese Feststellungen führten zu tumultartigen Szenen im Reichstag, da viele konservative Abgeordnete ihn als Verräter brandmarkten. Zeitzeugen berichteten, dass seine Rede von lautstarken Zwischenrufen und wütenden Protesten unterbrochen wurde. Die konservative Presse beschuldigte ihn später, das Ansehen des Deutschen Reiches zu beschädigen, während nationalistische Abgeordnete ihn öffentlich als "Feind des Vaterlandes" bezeichneten.
Profite statt Sicherheit
Liebknecht warnte davor, dass die eigentlichen Profiteure der Hochrüstung nicht die Bevölkerung oder die nationale Verteidigung seien, sondern eine kleine Clique von Kapitalbesitzern, die Kriege als Geschäftsmodell betrachteten. Diese Unternehmen, die sowohl die deutsche als auch die ausländische Rüstung belieferten, trugen zur internationalen Spannungszunahme bei und machten den Krieg wahrscheinlicher. Er betonte, dass dieses System nicht nur Deutschland betraf, sondern dass es sich um eine europaweite Problematik handelte. Die Rüstungsindustrie in Frankreich, Großbritannien und Russland agierte nach demselben Prinzip und trug ebenfalls dazu bei, dass sich die Nationen immer stärker auf einen militärischen Konflikt vorbereiteten.
Besonders alarmierend fand Liebknecht, dass die Kriegspropaganda gezielt eingesetzt wurde, um die Bevölkerung auf eine militärische Auseinandersetzung einzustimmen. Anstatt Friedensverhandlungen zu fördern, wurden gezielt Feindbilder geschürt, um die Notwendigkeit weiterer Rüstungsausgaben zu legitimieren. Diejenigen, die diesen Mechanismus kritisierten, wurden als unpatriotisch oder gar als Vaterlandsverräter gebrandmarkt. So wurde Karl Liebknecht selbst nach seiner berühmten Rede im Reichstag massiv angegriffen. Die konservative Presse bezeichnete ihn als „Feind des Vaterlandes“, und führende Nationalisten forderten seinen Ausschluss aus dem politischen Leben. Ähnliche Diffamierungen trafen auch andere Pazifisten und Sozialisten, die gegen den Militarismus Stellung bezogen, wie Rosa Luxemburg, die ebenfalls staatlicher Repression ausgesetzt war. Diese Mechanismen seien ein direktes Ergebnis der engen Verbindung zwischen Kapitalinteressen und staatlicher Politik.
Die Verantwortung der Arbeiterbewegung
Liebknecht rief die Arbeiterbewegung dazu auf, sich gegen diesen Wahnsinn zu stellen. Seine Rede fand insbesondere unter sozialistischen und gewerkschaftlichen Kreisen großen Anklang. Bereits kurz nach seiner Ansprache organisierten sich Protestversammlungen, in denen Arbeiter und Intellektuelle gegen die geplante Militarisierung Stellung bezogen. Auch in Parteizeitungen wie der "Vorwärts" wurden seine Worte aufgegriffen und als Mahnung vor der drohenden Kriegsgefahr verbreitet. Dennoch blieb der Widerstand begrenzt, da führende sozialdemokratische Kreise die Regierungsposition stützten. Erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erkannte ein größerer Teil der Arbeiterbewegung die Tragweite von Liebknechts Warnungen. Die arbeitende Bevölkerung habe nichts von Kriegen, sie zahle lediglich den Preis dafür – sei es durch Steuern, durch Entbehrungen oder durch ihr eigenes Leben auf den Schlachtfeldern. Die wahren Nutznießer, die Rüstungsunternehmen und die Banken, blieben hingegen unberührt und verdienten an jedem neuen Konflikt.
Die Sozialdemokratie müsse daher einen klaren antimilitaristischen Kurs verfolgen und sich nicht von der nationalistischen Rhetorik vereinnahmen lassen. Liebknecht forderte eine breite Mobilisierung gegen den Krieg und eine enge Zusammenarbeit der Arbeiterparteien in Europa, um die Kriegspläne der Herrschenden zu durchkreuzen. Er mahnte, dass es die Pflicht der Arbeiterklasse sei, sich nicht in einen Krieg treiben zu lassen, der nur den Interessen der Kapitalisten diene.
Historische Bedeutung von Liebknechts Rede
Mit seiner leidenschaftlichen Anklage gegen die Kriegstreiberei und die Verflechtung von Kapitalinteressen mit der Politik stand Karl Liebknecht im Reichstag weitgehend allein. Dennoch wurde seine Rede zu einem der bedeutendsten Zeugnisse antimilitaristischer Kritik in der deutschen Geschichte und inspirierte die sozialistische Friedensbewegung weit über Deutschland hinaus.
Seine Warnungen sollten sich nur ein Jahr später bewahrheiten: Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde deutlich, dass die Rüstungsindustrie ein entscheidender Akteur in der Kriegsmaschinerie war. Die von ihm angeprangerten Mechanismen führten zu einem nie dagewesenen Massenmorden, das Millionen von Menschen das Leben kostete. Liebknechts Rede blieb ein Mahnmal gegen die Kriegspolitik des Kapitals und wurde nach seinem Tod von Sozialisten und Friedensaktivisten weltweit aufgegriffen.
Heute erinnert seine Rede an die anhaltende Gefahr der Militarisierung und die Notwendigkeit, sich gegen die Interessen der Rüstungsindustrie zu stellen. Gerade in Zeiten steigender internationaler Spannungen bleibt seine Botschaft aktuell: Der Kampf gegen den Krieg beginnt mit dem Kampf gegen jene, die an ihm verdienen.
Auswirkungen auf die politische Landschaft
Liebknechts entschlossene Opposition gegen Militarismus hatte weitreichende Konsequenzen. Seine kompromisslose Haltung führte zu heftigen Angriffen durch die konservativen und nationalistischen Kräfte im Reichstag. Er wurde politisch isoliert, was ihn jedoch nicht davon abhielt, seinen Kampf gegen den Krieg fortzusetzen. Nach Kriegsbeginn 1914 war er einer der wenigen Abgeordneten, die gegen die Kriegskredite stimmten – eine Haltung, die ihn in direkte Opposition zu seiner eigenen Partei, der SPD, brachte, die den Krieg mehrheitlich unterstützte.
Seine Überzeugungen kosteten ihn schließlich die Freiheit: 1916 wurde er wegen Hochverrats verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Doch selbst im Gefängnis blieb er eine Symbolfigur des Widerstands gegen den Krieg. Seine mutige Haltung beeinflusste später die revolutionären Bewegungen in Deutschland, insbesondere die Novemberrevolution 1918, die zur Abdankung des Kaisers und zur Ausrufung der Weimarer Republik führte.
Liebknechts Vermächtnis lebt weiter, besonders in den antimilitaristischen und sozialistischen Bewegungen. Organisationen wie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes setzen sich bis heute für Abrüstung und den Erhalt des Friedens ein. Auch linke Parteien und Gewerkschaften in verschiedenen Ländern berufen sich auf seine Ideen, wenn sie gegen Militarisierung und Kriegstreiberei protestieren. Seine Reden und Schriften sind bis heute Mahnungen gegen die Verflechtung von Kapital und Krieg und eine Inspiration für alle, die sich für Frieden und soziale Gerechtigkeit einsetzen.
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