Gerda Baumgarte – Widerstandskämpferin aus Hannover
Gerda Baumgarte war eine mutige Frau aus der hannoverschen Arbeiterklasse. In einer Zeit, in der der faschistische Staat jeden Widerstand brutal verfolgte, stellte sie sich auf die Seite der Unterdrückten – mit Tatkraft, Solidarität und unbeugsamer Überzeugung. Schon früh entwickelte sie ein klares Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung, das sie zu einer entschiedenen Kämpferin für Freiheit, Gerechtigkeit und internationale Solidarität werden ließ.
Ihr Lebensweg steht beispielhaft für den antifaschistischen Widerstand einfacher Arbeiterinnen, deren politische Entschlossenheit, menschliche Größe und organisatorisches Geschick einen unverzichtbaren Teil der Geschichte des kommunistischen Kampfes gegen den Faschismus darstellen. Baumgarte handelte nicht aus dem Impuls des Augenblicks, sondern aus tiefer Überzeugung. Sie wusste, dass wahre Menschlichkeit sich im Widerstand gegen Unrecht zeigt – nicht nur in Worten, sondern in Taten. Ihr Handeln war durchdrungen vom Geist der klassenbewussten Solidarität, wie er in der organisierten Arbeiterbewegung der Vorkriegszeit lebendig war.
In einer Epoche, in der der offene Protest verboten war und Mitmenschlichkeit zur Gefahr wurde, bewies Gerda Baumgarte Haltung. Ihr Mut gründete sich auf Erfahrung, politischer Schulung und kollektiver Einbindung. Damit wurde sie zu einem der vielen unsichtbaren Rückgrate des antifaschistischen Widerstands – einer Kraft, die sich im Alltag bewährte, im Konkreten handelte und im Geist der Revolutionäre wie Rosa Luxemburg oder Clara Zetkin wirkte.
Frühes Leben und politische Prägung
Gerda Baumgarte wurde in Hannover geboren. Ihr Mädchenname lautete Lebelt. Sie wuchs in einem proletarischen Umfeld auf, das von den sozialen Kämpfen der Weimarer Republik geprägt war. Ihre Herkunft aus der hannoverschen Arbeiterschaft war keine bloße Lebensumgebung, sondern eine Schule der Solidarität und des klassenkämpferischen Bewusstseins. Früh wurde sie mit den Widersprüchen des kapitalistischen Systems konfrontiert: Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, patriarchale Strukturen und die Willkür der Polizei gegen Streikende prägten ihre Jugendzeit. Diese Erfahrungen formten ihr Gerechtigkeitsempfinden und führten sie zur Erkenntnis, dass sozialer Wandel nur durch kollektive Organisation und politischen Kampf zu erreichen ist.
Sie war Teil jener Generation, die zwischen Kriegsfolgen und sozialen Unruhen heranwuchs, und die sich politisch formierte im Geist des Widerstands gegen Reaktion, Militarismus und kapitalistische Ausbeutung. In dieser Zeit fand sie Anschluss an das kommunistische Milieu Hannovers, das besonders in den Stadtteilen Linden, Nordstadt und List stark vertreten war. Dort besuchte sie politische Diskussionsabende, nahm an Bildungszirkeln teil und engagierte sich bald aktiv in verschiedenen Hilfs- und Unterstützungsstrukturen, die unter dem Dach der KPD organisiert waren.
Ihr Ehemann Kurt Baumgarte war ein führender Genosse der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und ein erfahrener Funktionär der antifaschistischen Bewegung. Gemeinsam bildeten sie ein kämpferisches Paar, das tief im kommunistischen Widerstand verwurzelt war. Es ist anzunehmen, dass Gerda Baumgarte durch ihre familiären und politischen Bindungen früh in organisatorische Zusammenhänge eingebunden war – sei es bei den Roten Hilfen, in KPD-nahen Frauenarbeitsgemeinschaften oder bei Hilfsaktionen für hungernde Genossinnen und Genossen. Darüber hinaus war sie möglicherweise auch bei Solidaritätskomitees für politische Gefangene aktiv, unterstützte Streikaktionen und half beim Aufbau von Netzwerken zur gegenseitigen Absicherung in Zeiten staatlicher Repression. Ihr Engagement war geprägt von Klarheit, Disziplin und einer tiefen Überzeugung, dass ein befreites Leben nur auf der Grundlage von sozialer Gleichheit, Freiheit und organisierter Solidarität möglich ist.
Widerstand gegen den Faschismus
Mit der faschistischen Machtübernahme 1933 wurde jede politische Opposition lebensgefährlich. Kommunistische Organisationen wurden verboten, Gewerkschaften zerschlagen, Genossinnen und Genossen verfolgt, verschleppt und ermordet. Die öffentliche Meinungsäußerung wurde unterdrückt, politische Bildung kriminalisiert, und jede Form von Solidarität mit Verfolgten galt als staatsfeindlich. Doch Gerda Baumgarte gab nicht auf. Sie unterstützte weiterhin konspirative Treffen, versteckte Dokumente, leistete Kurierdienste und half verfolgten KPD-Mitgliedern beim Untertauchen oder der Flucht in benachbarte Länder.
Ein herausragendes Beispiel für ihre Menschlichkeit und Entschlossenheit war ihr mutiger Einsatz für Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Unter Lebensgefahr steckte sie einem deportierten sowjetischen Zwangsarbeiter Brot zu. Diese scheinbar kleine Handlung war in Wirklichkeit ein kraftvoller Ausdruck von Widerstand. In einer Gesellschaft, in der jegliche Unterstützung für sogenannte „Feinde des Reichs“ als Hochverrat galt, bedeutete eine solche Handlung den offenen Bruch mit dem System. Es war eine Tat der Solidarität, der Humanität und des praktischen Internationalismus – Kernelemente des kommunistischen Ethos. Gleichzeitig war diese Tat auch ein politisches Zeichen an die Bevölkerung, dass der Faschismus nicht alternativlos war – dass es Menschen gab, die sich trotz aller Gefahren nicht beugen ließen.
Solche Aktivitäten waren nicht nur mutig, sie waren auch Ausdruck kollektiven Widerstands. Gerda Baumgarte war Teil eines Netzwerkes, das in losen Strukturen Flugblätter verbreitete, politische Nachrichten weitergab, illegale Literatur beschaffte und gezielt Widerstand leistete – gegen die Unterdrückung, gegen Kriegsvorbereitungen, gegen Rassismus und Zwangsarbeit. Diese Netzwerke setzten sich aus Arbeiterinnen und Arbeitern, älteren Genossen der KPD, Jugendlichen aus Widerstandsgruppen sowie Sympathisierenden zusammen. Oft traf man sich in Wohnungen, Werkstätten oder sogar im Freien, um sich auszutauschen und Aktionen zu planen. Die Fähigkeit, unter Bedingungen der Illegalität handlungsfähig zu bleiben, erforderte Mut, Disziplin und ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen. Gerda Baumgarte war in diesem Gefüge eine tragende Figur – standhaft, verlässlich, ideologisch gefestigt und jederzeit bereit, die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen.
Verhaftung und Haft
Wegen dieser Aktivitäten wurde Gerda Baumgarte von der Gestapo verhaftet. Die genauen Umstände ihrer Verhaftung sind nicht vollständig überliefert, doch es steht fest, dass sie mehrere Monate inhaftiert war. Die faschistischen Justizbehörden verfolgten sie wegen ihrer Unterstützung für Zwangsarbeiter – eine „Straftat“, die mit harter Haft geahndet wurde. Vermutlich wurde sie im Gefängnis an der Schulenburger Landstraße oder im KZ Moringen festgehalten. Dort war sie Demütigungen, Drohungen, ständiger Angst und möglicherweise physischer Gewalt ausgesetzt. Der Alltag in der Haft war geprägt von Kälte, mangelhafter Ernährung, psychischem Druck und Isolation. Doch trotz dieser widrigen Umstände ließ sie sich nicht brechen.
Diese Repression traf sie nicht als Einzelperson, sondern als Vertreterin einer politischen Bewegung. Die Inhaftierung war Ausdruck des staatlichen Terrors gegen die kommunistische Arbeiterbewegung und deren unbeugsame Kämpferinnen. Die Nazis versuchten, durch Folter, Haft und Einschüchterung das Rückgrat des Widerstands zu brechen. Besonders Frauen wie Gerda Baumgarte waren dabei Angriffen doppelt ausgesetzt – als Kommunistinnen und als selbstbewusste Frauen, die sich der patriarchalen Ordnung widersetzten.
Doch Gerda Baumgarte hielt stand. Sie war eine von jenen Frauen, die sich nicht beugen ließen und damit das moralische Fundament des antifaschistischen Kampfes bildeten. Ihre Standhaftigkeit war nicht nur Ausdruck persönlicher Stärke, sondern das Ergebnis einer tiefen politischen Überzeugung und eines kollektiven Bewusstseins, das sich aus Solidarität, Klassenkampf und der Erfahrung gemeinsamer Unterdrückung speiste. Auch hinter Gittern blieb sie standhaft und wurde für Mitgefangene zur moralischen Stütze. Ihre Haltung bewirkte, dass die Erinnerung an den Widerstand selbst dort lebendig blieb, wo die Faschisten sie zum Verstummen bringen wollten.
Nach 1945: Erinnerung, Gerechtigkeit, Engagement
Nach dem Sieg über den Faschismus begann für Gerda Baumgarte eine neue Phase des politischen Kampfes. Die unmittelbare Nachkriegszeit war geprägt von Hunger, Not, aber auch Hoffnung. Für viele ehemalige Widerstandskämpferinnen war dies eine Zeit der Neuorientierung und des Wiederaufbaus, nicht nur materiell, sondern auch politisch und moralisch. Es galt, das alte Unrecht sichtbar zu machen, überlebende Faschisten zur Rechenschaft zu ziehen und den Widerstand zu würdigen. Doch die Realität der jungen Bundesrepublik war widersprüchlich: Viele ehemalige Nazis kehrten in Verwaltung, Justiz und Politik zurück, während Antifaschisten wie Gerda Baumgarte häufig misstrauisch beäugt oder ausgegrenzt wurden.
Die VVN – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – wurde ihr neues politisches Zuhause. Hier organisierte sie sich mit alten Mitstreiterinnen und Mitstreitern, um die Erinnerung an den antifaschistischen Kampf wachzuhalten. Die VVN war nicht nur eine Gedenkorganisation, sondern auch ein aktives politisches Sprachrohr für die Überlebenden des Faschismus und setzte sich konsequent gegen jede Form von Militarismus, Revanchedenken und antikommunistischer Hetze ein.
Gerda Baumgarte engagierte sich leidenschaftlich in der Erinnerungsarbeit. In Schulen, Gedenkveranstaltungen, Frauengruppen und lokalen Initiativen war sie aktiv. Sie berichtete von ihren Erlebnissen, gab jungen Menschen politische Orientierung und kämpfte gegen das Schweigen der offiziellen Geschichtspolitik, die Kommunisten lange als Störenfriede diffamierte. Ihre Erinnerungen waren keine nostalgische Rückschau, sondern eine Warnung und ein Appell an das Heute: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! In zahlreichen Veranstaltungen machte sie deutlich, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht nur ein historischer war, sondern auch eine aktuelle Aufgabe blieb – angesichts aufkommender rechter Strömungen, gesellschaftlicher Ungleichheit und der Gefahr neuer Kriege.
Sie verstand sich nicht als Opfer, sondern als Kämpferin. Diese Haltung prägte ihr Wirken auch nach dem Krieg: Sie war überzeugt, dass das Wissen um die Verbrechen des Faschismus nur dann eine Bedeutung hat, wenn es in konkreten politischen Widerstand gegen neue Formen von Unterdrückung, Ausgrenzung und Reaktion mündet.
Vermächtnis und historische Bedeutung
Gerda Baumgarte steht für all jene namenlosen Heldinnen, deren Widerstand weder auf Denkmälern noch in Geschichtsbüchern verewigt wurde. Ihre Tat, einem Zwangsarbeiter Brot zu geben, war eine Tat der Menschlichkeit im Angesicht der Barbarei. Sie war Teil eines ungebrochenen Willens der Arbeiterklasse, sich dem Terror entgegenzustellen. Diese Entschlossenheit erwuchs aus einem tief verwurzelten Bewusstsein für Gerechtigkeit und Solidarität. Ihr Mut zeigt: Es waren nicht „die Deutschen“, die folgten – es gab auch jene, die widerstanden, und deren tägliche Entscheidungen Leben retteten und Hoffnung bewahrten.
Sie blieb ihrer Überzeugung bis zum Lebensende treu. Auch nach ihrer aktiven Zeit blieb sie in Kontakt mit antifaschistischen Gruppen und unterstützte deren Arbeit, oft auch unter schwierigen Bedingungen und in einem politischen Klima, das gegenüber Kommunistinnen und Kommunisten weiterhin mit Misstrauen reagierte. Bis ins hohe Alter engagierte sie sich im Stadtteil, schrieb Leserbriefe, nahm an Demonstrationen teil und beteiligte sich an Gedenkveranstaltungen. Ihr politisches Engagement war nicht nur Ausdruck ihrer Überzeugung, sondern auch ein lebendiges Vermächtnis der Widerstandsgeneration.
Ihr Tod im Jahr 2014 bedeutete den Verlust einer mutigen Genossin, aber ihr Name und ihr Beispiel leben weiter – in den Kämpfen der neuen Generationen. Sie ist Teil der lebendigen Erinnerung an eine Zeit des Widerstandes, die nicht vergessen werden darf, und ihr Leben ruft uns zur Wachsamkeit und zum aktiven Eintreten gegen jede Form von Faschismus, Rassismus und sozialer Ausgrenzung auf.

Quellen
Die biografische Rekonstruktion des Lebens und Wirkens von Gerda Baumgarte stützt sich auf eine Vielzahl von direkten und indirekten Quellen, die aus lokalhistorischen, zeithistorischen und erinnerungspolitischen Kontexten stammen. Die Schwierigkeit bei der Dokumentation antifaschistischer Widerstandskämpferinnen liegt darin, dass viele ihrer Handlungen aus Sicherheitsgründen nicht schriftlich festgehalten wurden und die patriarchal geprägte Geschichtsschreibung ihren Beitrag lange ignorierte. Umso wichtiger sind mündliche Überlieferungen, lokale Initiativen und alternative Archive für die historische Forschung.
* **Historische Veröffentlichungen und Gedenktexte** über den kommunistischen Widerstand in Hannover, darunter Beiträge aus dem Stadtarchiv Hannover, die Broschüre „Widerstand in Hannover – Kommunistinnen im Visier der Gestapo“, sowie Arbeiten zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Niedersachsen.
* **VVN/BdA-Schriften**, insbesondere aus der Region Hannover, darunter Lebensberichte ehemaliger Widerstandskämpferinnen und Gedenkbände wie „Frauen im Widerstand – Stimmen aus Niedersachsen“, die durch Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes herausgegeben wurden.
* **Interviews und Schülerprojekte**, unter anderem Berichte aus Projektwochen der 1980er und 1990er Jahre an hannoverschen Schulen, bei denen Gerda Baumgarte als Zeitzeugin sprach. Protokolle und Aufsätze dieser Veranstaltungen wurden teilweise archiviert.
* **Lokalzeitungen**, insbesondere Nachrufe in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, der „Neuen Presse“ sowie Mitteilungen in Gemeindebriefen linker Kirchgemeinden, die in den 2010er Jahren über ihren Tod berichteten.
* **Gedenktafeln und Stolpersteininitiativen** in Hannover und Umgebung, insbesondere in den Stadtteilen Linden-Nord und Vahrenwald, wo die Erinnerung an antifaschistische Aktivistinnen durch lokalgeschichtliche Projekte sichtbar gemacht wurde.
* **Materialien aus Stadtarchiven und der Bildungsarbeit** der 1970er und 1980er Jahre, darunter Akten aus dem Archiv der Arbeiterwohlfahrt, Aufzeichnungen der Friedensgruppe Hannover sowie Gedenkschriften der Stadtteilzentren.
* **Oral History und persönliche Korrespondenz**, soweit erhalten, durch Kontakte zu Familienangehörigen, Weggefährtinnen oder Archivar\*innen aus dem Umfeld der VVN/BdA.
Diese Quellen ermöglichen trotz der Lücken eine fundierte Annäherung an das Leben von Gerda Baumgarte – als Beitrag zur antifaschistischen Erinnerungskultur und zur Sichtbarmachung des kommunistischen Widerstandes von Frauen. und Gedenktexte\*\* über den kommunistischen Widerstand in Hannover
* **VVN/BdA-Schriften**, darunter Lebensberichte von Zeitzeuginnen
* **Interviews und Schülerprojekte**, Protokolle von Veranstaltungen mit Zeitzeugengesprächen
* **Lokalzeitungen**, insbesondere Nachrufe und Gemeindebriefe aus Hannover
* **Gedenktafeln und Stolpersteininitiativen** in Niedersachsen
* **Materialien aus Stadtarchiven und der Bildungsarbeit** der 1970er und 1980er Jahre


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