Die Welt im Wandel –
Mehrpoligkeit (Multipolarität)
als Hoffnung und Herausforderung
Eine neue Weltordnung im Entstehen
Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung ist der wachsende Einfluss der BRICS-Staaten, die mit ihrer Erweiterung und gemeinsamen Initiativen zur Reform globaler Institutionen die Vormachtstellung des Westens herausfordern. Inmitten wachsender globaler Spannungen und politischer Umbrüche rückt die Debatte um eine neue Weltordnung zunehmend ins Zentrum der internationalen Diskussion. Der Begriff der "Multipolarität" ist dabei längst nicht mehr nur eine theoretische Vorstellung, sondern eine reale Entwicklung, die sich in den Machtverschiebungen auf dem Globus widerspiegelt.
Während große Teile der sogenannten globalen Mehrheit – darunter Länder des Globalen Südens wie China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika – in dieser Entwicklung eine historische Chance sehen, reagiert der Westen mit Zurückhaltung, Skepsis und teils offener Ablehnung.
Lehren aus der Geschichte: Die DDR und der Kalte Krieg
Bereits in den Jahrzehnten des Kalten Krieges war die Welt in Machtblöcke aufgeteilt, jedoch dominierte damals ein bipolares System. Die DDR etwa verstand sich als Teil eines sozialistischen Lagers, das eine Alternative zum kapitalistischen Westen bot – solidarisch, antiimperialistisch und dem Frieden verpflichtet. Viele der heute wieder diskutierten Fragen, etwa nach gerechten globalen Beziehungen, der Blockfreiheit und der Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden, waren in der Außenpolitik der DDR zentral verankert. Die Konferenz der blockfreien Staaten, das Engagement für die Unabhängigkeit afrikanischer Länder und die enge Partnerschaft mit Kuba zeugen davon. Diese Politik kann auch in der Gegenwart als Vorbild dienen: Ein außenpolitisches Handeln, das sich nicht an weltpolitisch (geopolitisch)en Machtansprüchen, sondern an Solidarität und Gleichberechtigung orientiert, wäre ein wichtiger Beitrag zu einer friedlicheren Weltordnung.
Sicherheitskonferenz im Schatten des westlichen Denkens
Die jüngsten Münchner Sicherheitskonferenzen bieten ein aufschlussreiches Bild heutiger Spannungen. In den begleitenden Berichten wird zwar anerkannt, dass sich die Welt hin zu einer multipolaren Ordnung bewegt, jedoch dominieren pessimistische Deutungen. Anstelle eines konstruktiven Dialogs über die Möglichkeiten gemeinsamer Kooperation angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Armut, Rüstungskontrolle oder Energieversorgung wird Multipolarität vielfach als Gefahr, als Quelle für Instabilität und Konflikte beschrieben.
Die USA und ihre Verbündeten gelten nach wie vor als Garant einer angeblich regelbasierten Ordnung, während Länder wie Russland oder China auf ihre vermeintliche Störungskraft reduziert werden. Solche Einschätzungen spiegeln nicht nur einen Mangel an Empathie für alternative Weltbilder wider, sondern zeugen auch von einer tief sitzenden Unfähigkeit, sich von kolonialen und imperialen Denkmustern zu lösen.
Wie Karl Marx einst festhielt: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Diese Erkenntnis trifft gerade in unserer Zeit den Kern: Die Umwandlung (Transformation) zu einer multipolaren Ordnung ist nicht bloß Gegenstand von Analysen, sondern verlangt nach aktiver Mitgestaltung.
Drei Perspektiven auf die Multipolarität
Japan wird als eng mit den USA verbunden dargestellt, tief verwurzelt im westlichen Liberalismus. Die Bevölkerung gilt als besonders beunruhigt über das Ende der unipolaren Welt. Trotzdem bereitet sich Japan auf geopolitische Veränderungen vor und sucht neue Partnerschaften im asiatisch-pazifischen Raum.
Brasilien hingegen sieht in der multipolaren Ordnung eine Möglichkeit zur Stärkung des Globalen Südens. Die brasilianische Politik setzt auf Blockfreiheit und internationale Reformen, etwa im Rahmen der G20-Präsidentschaft, bei der soziale Themen wie Armutsbekämpfung und Ernährungssicherheit Priorität hatten.
Südafrika kritisiert offen die westlich dominierte internationale Ordnung. Das Land prangert selektive Anwendungen internationalen Rechts an und fordert mehr Repräsentation für Afrika und den Globalen Süden. Trotz westlicher Vorwürfe wegen sinkender Menschenrechtsstandards sieht sich Südafrika weiterhin als moralisches Vorbild.
Ein widersprüchliches Weltbild
In der Gesamtschau bleibt der Sicherheitsbericht der Konferenz in einem Widerspruch gefangen. Einerseits wird die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit betont, andererseits bleibt man rhetorisch und auf die Analyse bezogen (analytisch) in einem westlichen Überlegenheitsdenken verhaftet. Der Klimawandel wird als einzige Kooperationsmöglichkeit hervorgehoben – ein Thema, das sich hervorragend zur wirtschaftlichen Ausbeutung durch grüne Technologien eignet, während Fragen der Abrüstung oder des Friedens mit Russland und China kaum angesprochen werden.
Diese selektive Sichtweise ist nicht nur analytisch schwach, sondern politisch gefährlich. Sie vertieft die globale Spaltung und erschwert eine Weltordnung, die auf Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und echter Partnerschaft basiert. Eine friedliche multipolare Welt kann nur gelingen, wenn der Westen bereit ist, andere Perspektiven anzuerkennen, Verantwortung zu teilen und Macht neu zu denken.
Zeit für Selbstreflexion und neue Wege
Dazu gehört auch eine kritische Selbstreflexion: Wer ständig vom "regelbasierten Zusammenarbeit zwischen mehreren Staaten (Multilateralismus)" spricht, sollte sich fragen, wessen Regeln gemeint sind – und wer sie gemacht hat. Solange westliche Machteliten sich an der Illusion der Unipolarität festklammern, bleibt die Chance auf eine gerechtere Weltordnung ungenutzt.
Ein echter Dialog über Multipolarität muss also nicht in erster Linie über Bedrohungen sprechen, sondern über Möglichkeiten. Er muss anerkennen, dass Macht gerecht verteilt werden kann – und dass Frieden durch Gleichgewicht entsteht, nicht durch Dominanz.
Wie Lenin in "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" warnte, kann eine gerechte Welt nur gegen das kapitalistische Streben nach Vorherrschaft bestehen: „Der Imperialismus bedeutet die Aufteilung der Welt unter die kapitalistischen Großmächte.“ Diese Analyse lässt sich heute auf das Verhalten westlicher Staaten übertragen, die ihre wirtschaftlichen und militärischen Interessen in verschiedenen Weltregionen sichern wollen, oft auf Kosten der nationalen Souveränität anderer Länder. Die multipolare Ordnung bietet die historische Möglichkeit, dieses imperialistische System durch ein System solidarischer Völkerverständigung zu überwinden – eine Ordnung, in der nicht die Dominanz Einzelner, sondern die Kooperation Vieler im Mittelpunkt steht.
Schlussgedanken: Die Zukunft gestalten
Die Zukunft ist offen. Ob sie multipolar, gerecht und friedlich wird, liegt in unserer Hand. Entscheidend wird sein, ob sich die Menschheit für Kooperation statt Konfrontation entscheidet – und ob sie bereit ist, aus der Geschichte zu lernen.
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