Die Geschlechterpolitik


Die Geschlechterpolitik von
Weimar bis in die Nachkriegszeit
Der Kampf um Frauenrechte in der Weimarer Republik
Schon vor der Machtübertragung an die NSDAP spielte die Arbeiterbewegung eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen und politischen Leben der Weimarer Republik. Sie setzte sich für soziale Gerechtigkeit, bessere Arbeitsbedingungen und die Rechte der Frauen ein. Doch genau diese Errungenschaften wurden von den Faschisten gezielt angegriffen und systematisch zurückgedrängt. griffen die Nazifaschisten nicht nur die politische Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung an, sondern versuchten auch, die allgemeine Emanzipationsbewegung der Frauen und der Gruppen zu stoppen, die heute unter der Bezeichnung LGBTQ gefasst werden. Eine durch den Ersten Weltkrieg verursachte Männerknappheit hatte besonders in den Städten zu einer Erosion der traditionellen bürgerlichen Moral geführt. Viele Frauen, die in der Arbeitswelt unentbehrlich geworden waren, konnten keine Ehemänner finden, mochten aber auch nicht mehr auf eine eigene Sexualität verzichten. Mit der Naziherrschaft mehrten sich schlagartig Stimmen, die diesen angeblich stark von Juden beeinflussten "Kulturverfall" geißelten und für eine Rückkehr zum konservativen Frauen- und Familienbild plädierten.
Die schon früh mit den Faschisten sympathisierende Dichterin Josefa Berens-Totenohl bezeichnete die Weimarer Republik als eine "Zeit der Fäulnis und der Verderbtheit unseres Kulturlebens durch fremdrassige jüdische Kunst und Literatur". Es sei eine Zeit der "Verfälschung aller Werte" gewesen. Doch auch Frauenstimmen prägten diese von den Faschisten als "Seuche" diffamierte Entwicklung. Die Texte von Erika Mann, Irmgard Keun, Vicky Baum, Mascha Kaléko, Marie­luise Fleißer, Elfriede Brüning und anderen zeigen, dass in der Weimarer Republik gerade auch junge Frauen über alle Erscheinungsformen der Sexualität diskutierten und schrieben.
Geschlechterpolitik in der Sowjetunion nach 1917
In den Jahren nach der Oktoberrevolution von 1917 herrschten in der Sowjetunion utopische Vorstellungen von sexueller Emanzipation. Doch die rasch eingeführten Freiheiten führten dazu, dass sich viele Väter der Verantwortung entzogen. Mitte der 1920er Jahre begann eine schrittweise Rücknahme dieser Politik, die 1936 in einem konservativen Gesetzeswerk mündete. Doch anders als im deutschen Faschismus blieb die Berufstätigkeit der Frau in der Sowjetunion selbstverständlich, da sie sowohl aus wirtschaftlicher Notwendigkeit als auch aus ideologischen Gründen gefördert wurde. Die sozialistische Planwirtschaft benötigte eine hohe Arbeitskraftbeteiligung, und die Gleichstellung der Frau wurde als zentrales Element des sozialistischen Fortschritts propagiert. Frauen übernahmen in vielen Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft verantwortungsvolle Positionen, wenngleich sie weiterhin unter patriarchalen Strukturen zu leiden hatten. Trotz der Rückschläge blieb die Idee der Geschlechtergleichheit ein fester Bestandteil der sozialistischen Gesellschaft.
Die DDR: Fortschritt und Widersprüche
In der DDR setzte sich zunächst eine konservative Geschlechterpolitik durch, die aus dem sowjetischen Exil mitgebracht wurde. Elfriede Brüning konnte ihre Vorstellungen von weiblicher Berufstätigkeit und befreiter Sexualität nur schwer durchsetzen. Erst gegen Ende der 1950er Jahre wurden diese Widersprüche überwunden. Die DDR gehörte zu den ersten Staaten, die Mitte der 1960er Jahre die Pille kostenlos zur Verfügung stellten. 1968 wurde der Paragraph 175 abgeschafft, 1972 fiel auch der Abtreibungsparagraph. Nichtehelich geborene Kinder erhielten einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Neben der rechtlichen Gleichstellung wurden auch gesellschaftliche Anreize geschaffen, um Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Dennoch blieben traditionelle Geschlechterrollen in vielen Bereichen erhalten, insbesondere in der Aufteilung der häuslichen Arbeit.
Die Bundesrepublik: Der lange Weg zur Emanzipation
In der Bundesrepublik hingegen blieb das konservative Geschlechtermodell lange erhalten. Frauen wurden in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens benachteiligt: Bis 1958 benötigten Ehefrauen die Zustimmung ihrer Ehemänner, um arbeiten zu dürfen. Der Paragraph 218 kriminalisierte weiterhin Abtreibungen, und bis in die 1970er Jahre wurden Frauen in vielen Berufen diskriminiert, sei es im Bildungswesen oder im Justizbereich. Zudem war die Steuerpolitik auf das traditionelle Alleinverdienermodell ausgerichtet, was die ökonomische Abhängigkeit von Frauen verstärkte. Berufliche und sexuelle Emanzipation waren hier weitgehend ein Privileg aufgeklärter bürgerlicher Schichten. Der Paragraph 218 besteht noch heute. Die AfD fordert in ihrem Parteiprogramm eine Rückkehr zur traditionellen Familie und eine Verhinderung der Legalisierung von Abtreibungen als Menschenrecht. Frauen mussten in der BRD lange für ihre Rechte kämpfen, während in der DDR bereits weitgehende Gleichstellungsmaßnahmen umgesetzt worden waren. Erst in den 1980er Jahren kam es in der BRD zu umfassenderen Reformen im Bereich des Familien- und Arbeitsrechts, die Frauen größere Freiheiten gewährten.
Die Kämpfe gehen weiter
Heute sehen wir, dass die Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit nicht abgeschlossen sind. Trotz formeller Gleichstellung gibt es weiterhin strukturelle Benachteiligungen. Die Errungenschaften der Frauen- und Arbeiterbewegung müssen verteidigt werden, insbesondere angesichts neuer rechter Strömungen, die alte Geschlechterbilder propagieren. Die Vergangenheit zeigt, dass gesellschaftlicher Fortschritt hart erkämpft werden muss und dass ein Rückschritt jederzeit möglich ist. Aktuelle politische Entwicklungen, wie die verstärkten Angriffe auf reproduktive Rechte in vielen westlichen Ländern oder die wachsende Unterstützung für konservative Geschlechterrollen durch rechtspopulistische Parteien, verdeutlichen, dass soziale Errungenschaften keineswegs gesichert sind. Dies macht es umso wichtiger, dass progressive Kräfte weiterhin für Gleichberechtigung kämpfen und sich gegen Rückschritte in der Geschlechterpolitik zur Wehr setzen.
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