Der große Betrug:
Schulden, Aufrüstung und der Ausverkauf der Demokratie
Schulden, Aufrüstung und der Ausverkauf der Demokratie
Am Samstag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Grundgesetzänderung unterzeichnet, die das sogenannte „Sondervermögen“ in Höhe von Hunderten Milliarden Euro ermöglicht. Was in den Medien als „Finanzpaket“ oder „Zukunftsinvestition“ dargestellt wird, ist in Wirklichkeit eine der größten Schuldenaufnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik – und vor allem ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Die politische Führung nennt es einen notwendigen Schritt zur „Stärkung der Verteidigungsfähigkeit“, doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Die Folgen für Gesellschaft, Demokratie und sozialen Zusammenhalt könnten dramatisch sein.
Schulden als Tarnung für Aufrüstung
Während ZDF, Tagesschau und andere große Sender von einem „historischen Schritt“ sprechen, verbirgt sich hinter der fachlich-technischen Sprache ein massiver Eingriff in die Zukunft unseres Landes. Die Schuldenbremse, einst als Schutzmechanismus gegen ungezügelte Verschuldung ins Grundgesetz geschrieben, wurde kurzerhand gelockert. Künftig dürfen Länder Kredite bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (also des gesamten wirtschaftlichen Werts aller Waren und Dienstleistungen in einem Jahr) aufnehmen – ein grundlegender Richtungswechsel mit weitreichenden Folgen.
Was besonders ins Auge fällt: Ein Großteil der neuen Schulden wird nicht in Bildung, Gesundheit oder ökologische Zukunftsprojekte investiert, sondern fließt direkt in militärische Strukturen. Neben klassischen Rüstungsausgaben sollen auch Nachrichtendienste, digitale Überwachung und Cybersicherheitsmaßnahmen aufgerüstet werden. Damit wird ein Staat gestärkt, der sich zunehmend auf Kontrolle, Sicherheit und Abschreckung fokussiert – während soziale Errungenschaften vernachlässigt werden.
Demokratie nur noch Kulisse?
Die Zustimmung kam wie auf Bestellung: 512 Abgeordnete, darunter viele bereits abgewählte, stimmten im Bundestag zu. Der Bundesrat folgte mit 53 von 69 Stimmen. Diese Grundgesetzänderung betrifft Millionen Bürgerinnen und Bürger über Jahrzehnte hinweg – doch sie wurde im Eiltempo durchgepeitscht. Ein demokratischer Prozess? Kaum.
Die öffentliche Debatte wurde kaum geführt. Kritik aus der Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften oder der Friedensbewegung wurde weitgehend ignoriert. Stattdessen dominierte ein mediales Trommelfeuer aus angeblich alternativlosen „Sachzwängen“. Doch demokratische Beteiligung bedeutet mehr als formale Abstimmungen. Es bedeutet echte Mitsprache, Diskussion und Transparenz. All das fehlte bei dieser Entscheidung.
Hinzu kommt: Der Begriff „Sondervermögen“ täuscht. Es handelt sich nicht um vorhandenes Geld, sondern um neue Schulden – also Verpflichtungen, die künftige Generationen abbezahlen müssen. Wer zahlt den Preis? Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von morgen. Und das in einer Zeit, in der die soziale Spaltung ohnehin wächst.
Infrastruktur als Deckmantel
Offiziell dient das Schuldenpaket auch der „Sanierung der Infrastruktur“, also der Instandsetzung von Straßen, Brücken, Schienen, Schulen oder Krankenhäusern. Doch der größte Teil des Geldes ist eindeutig für Verteidigung, Geheimdienste, Schutzmaßnahmen im Inland und digitale Überwachung vorgesehen. Friedenspolitik? Fehlanzeige.
Diese Schwerpunktsetzung ist kein Zufall. Sie folgt einer politischen Logik, die auf Stärke nach außen und Kontrolle nach innen setzt. Anstatt auf Dialog, Deeskalation und soziale Sicherheit zu bauen, wird in Militarisierung und Hochtechnologie investiert. Selbst konservative Ökonomen wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnen: Die schuldenfinanzierte Ausweitung der Staatsausgaben könnte eine neue Inflationswelle auslösen. Wenn das Angebot an Waren und Dienstleistungen nicht mit der steigenden Nachfrage Schritt hält, steigen die Preise – ein bekanntes Merkmal der Kriegswirtschaft.
Kommunale Hoffnungen – und die harte Realität
Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy fordert, das Geld müsse „schnell und ohne große Hürden“ verteilt werden. Doch der sogenannte „Königsteiner Schlüssel“, also das Verteilungssystem nach Steueraufkommen und Einwohnerzahl, bevorzugt wirtschaftsstärkere Regionen. Viele Städte und Gemeinden befürchten, erneut leer auszugehen. Gerade strukturschwache Regionen, die dringend Mittel für Schulen, Krankenhäuser oder öffentlichen Nahverkehr bräuchten, bleiben oft außen vor.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Verwaltungswege sind kompliziert, die Bürokratie enorm. Viele Kommunen verfügen gar nicht über das Personal und die Strukturen, um sich erfolgreich um Mittel aus dem Sondervermögen zu bewerben. So entsteht eine doppelte Schieflage: Wer schon stark ist, bekommt noch mehr. Wer am dringendsten Hilfe bräuchte, geht leer aus.
Gleichzeitig kündigte das Bundesfinanzministerium an, mit dem sogenannten „Crowding-in“-Prinzip zusätzlich privates Kapital anzulocken – mit dem Ziel, die staatliche Summe von 500 Milliarden auf bis zu 3.000 Milliarden Euro zu vervielfachen. Das bedeutet: Der Staat verschuldet sich, damit private Investoren Gewinne einfahren können. Eine wirtschaftsliberale Umverteilung von unten nach oben, verpackt als Zukunftsinvestition. Der Staat übernimmt das Risiko, die privaten Akteure die Rendite.
Deutschland auf dem Weg zur Rüstungsnation
Die Bundesregierung bindet sich langfristig an ein milliardenschweres Aufrüstungsprogramm. Die Profiteure: Waffenfirmen, große Technologiekonzerne und Sicherheitsdienste. Die Verlierer: Bildungswesen, Gesundheitssektor, sozialer Wohnungsbau.
Diese Entwicklung reiht sich ein in eine internationale Politik der Blockbildung, der Feindbilder und der Eskalation. Anstatt auf Abrüstung und globale Kooperation zu setzen, verfolgt die Bundesregierung einen Kurs, der auf Abschreckung und militärische Stärke baut. Damit wird nicht mehr Sicherheit geschaffen, sondern Unsicherheit vergrößert. Wer Waffen sät, wird keinen Frieden ernten.
Die Frage, ob diese Politik von der Mehrheit der Bevölkerung gewollt ist, wurde nie ernsthaft gestellt. Die öffentliche Diskussion blieb oberflächlich, inszeniert in Fernsehdebatten, während die Entscheidungen längst hinter verschlossenen Türen getroffen waren. Es herrscht der Eindruck, dass wirtschaftliche und geopolitische Interessen mehr zählen als der Wille der Bürgerinnen und Bürger.
Schlussfolgerung: Widerstand ist nötig
Das sogenannte „Sondervermögen“ ist ein Etikettenschwindel. Kein Vermögen, sondern ein Schuldenberg. Kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt in alte Machtlogiken. Wer Frieden will, muss sich dieser Entwicklung widersetzen – mit Information, Zusammenhalt und entschlossenem Protest.
Wir brauchen eine neue öffentliche Debatte über die Frage, wofür Geld ausgegeben wird – und wofür nicht. Wir brauchen einen demokratischen Aufbruch, der soziale Gerechtigkeit, Frieden und ökologische Zukunft miteinander verbindet. Und wir brauchen eine starke außerparlamentarische Bewegung, die Druck auf die politischen Entscheider ausübt. Denn der Weg in eine militarisierte Zukunft ist kein Naturgesetz. Er ist gemacht – und kann auch rückgängig gemacht werden.