Bernhard Almstadt – Leben und Kampf eines hannoverschen Arbeiters gegen Faschismus und Krieg
Herkunft und Kindheit
Bernhard Almstadt wurde am **23. August 1897** im hannoverschen Stadtteil **Linden** geboren – einem Stadtteil, der durch seine starke industrielle Prägung, die engen Mietskasernen, rauchenden Fabrikschlote und seine tief verwurzelte Arbeitertradition bekannt war. Linden war nicht nur ein Wohnort, sondern ein politisches Biotop, in dem die Ideale von Solidarität, Klassenbewusstsein und gemeinschaftlichem Kampf tagtäglich gelebt wurden. In diesem Milieu entwickelten sich viele junge Arbeiter zu kämpferischen Persönlichkeiten, die sich später der sozialistischen Bewegung anschlossen. Seine Eltern gehörten zur einfachen, hart arbeitenden Schicht: Der Vater arbeitete als selbstständiger Schuhmachermeister mit kleinem Ladengeschäft, die Mutter versorgte mit großer Hingabe den von Entbehrungen geprägten Haushalt und kümmerte sich aufopferungsvoll um die insgesamt **dreizehn Kinder**. Das tägliche Leben war von Enge, Arbeit und gegenseitiger Unterstützung geprägt. Die Familie Almstadt hatte kein Vermögen – sie besaß jedoch einen reichen Schatz an Lebenserfahrung, Stolz und Zusammenhalt. Gerade diese Umstände, geprägt von Verzicht und gegenseitiger Hilfe, schärften bei Bernhard früh das Bewusstsein für Ungleichheit und Ausbeutung und lehrten ihn, Verantwortung zu übernehmen und sich für die Schwächeren einzusetzen.
Schon in der Kindheit musste Bernhard mitarbeiten, um die große Familie über Wasser zu halten. Er arbeitete zunächst als **Botenjunge**, trug Pakete aus, erledigte Besorgungen und lernte so nicht nur den Stadtteil, sondern auch die sozialen Gegensätze Hannovers kennen. Später wurde er **Hilfsarbeiter in einem öffentlichen Volksbad**, wo er unter anderem für das Sauberhalten der Anlagen und das Anheizen der Kohleöfen verantwortlich war. Diese körperlich anstrengende Tätigkeit ließ ihn früh erfahren, wie hart das Leben für die arbeitende Klasse war. Der Tagesablauf begann für ihn oft im Morgengrauen und endete spät – Freizeit war ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten. Dennoch verlor er nie seine innere Neugier. Bücher, Diskussionen und Gespräche mit älteren Kollegen wurden für ihn zur Schule des Lebens. Obwohl ihm der Besuch einer höheren Schule verwehrt blieb – was damals für Arbeiterkinder die Regel war – entwickelte Bernhard früh einen großen Bildungshunger.
Er besuchte regelmäßig **Abendkurse**, die von der Gewerkschaftsbewegung organisiert wurden, eignete sich autodidaktisch Wissen über Gesellschaft, Geschichte, Wirtschaft und politische Theorie an und las Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels und August Bebel. Besonders beeindruckte ihn die Schilderung der Arbeiterkämpfe im 19. Jahrhundert, die ihm zeigten, dass Veränderungen nur durch kollektive Anstrengung und Organisation möglich waren. Diese Kombination aus praktischer Lebenserfahrung und theoretischer Schulung, aus körperlicher Arbeit und geistiger Weiterbildung, sollte ihn in den kommenden Jahren zu einem besonders wirkungsvollen Vertreter der Arbeiterbewegung machen. Bernhard Almstadt war der lebende Beweis dafür, dass politische Klarheit nicht aus den Universitäten, sondern aus der Werkhalle, dem Hinterhof und der Gemeinschaft der einfachen Leute erwachsen konnte.
Frühe politische Entwicklung
Schon als Jugendlicher suchte Bernhard Almstadt nach Wegen, um die tiefgreifenden gesellschaftlichen Missstände zu verstehen und zu bekämpfen. Aufgewachsen in einer kinderreichen Arbeiterfamilie, die Tag für Tag ums Überleben kämpfte, entwickelte er früh ein Gespür für soziale Ungerechtigkeit. 1913 – mit nur 16 Jahren – trat er dem **sozialdemokratischen Arbeiter-Turnverein "Fichte Linden"** bei. Dieser Verein war nicht nur ein Ort sportlicher Betätigung, sondern eine politische Schule für viele junge Proletarier. Hier lernte Almstadt, wie eng Körperertüchtigung und politisches Bewusstsein miteinander verbunden sein können. Der **Arbeitersport** war keine bloße Freizeitbeschäftigung – er war Ausdruck einer politischen Kultur, die Disziplin, Gemeinschaftsgeist und Solidarität in den Vordergrund stellte. In Turnhallen und auf Sportplätzen wurden nicht nur Muskeln, sondern auch Klassenbewusstsein und revolutionärer Geist gestählt.
Almstadt nahm aktiv an Wettkämpfen, Schulungen und politischen Diskussionen teil. Er lernte den Zusammenhalt der Arbeitersportgemeinschaft kennen und schätzen. Die Idee, dass der Sport nicht zur individuellen Selbstverwirklichung, sondern zur kollektiven Stärkung der Klasse diente, prägte ihn tief. So wuchs in ihm der Wille, die Gesellschaft nicht nur sportlich, sondern auch politisch zu verändern.
Der Ausbruch des **Ersten Weltkriegs** im Jahr 1914 erschütterte ihn zutiefst. Die anfängliche Kriegsbegeisterung großer Teile der Bevölkerung konnte er nicht teilen. Noch schwerer traf ihn die Entscheidung der **Sozialdemokratie**, den Kriegskrediten zuzustimmen. Für ihn war dies ein klarer Verrat an den internationalen Idealen der Arbeiterbewegung, die sich immer für Frieden und Völkerverständigung eingesetzt hatte. Die Enttäuschung über diese Kapitulation der SPD vor dem Nationalismus war ein Schlüsselmoment in seiner politischen Radikalisierung.
1916 wurde Almstadt gegen seinen Willen zum Militärdienst eingezogen. Er diente in einer Infanterieeinheit und erlebte an der Front das Grauen des Stellungskriegs: Hunger, Kälte, Schlamm, Tod. Die elenden Bedingungen und die Sinnlosigkeit der Opfer, die im Namen imperialistischer Interessen gebracht wurden, bestätigten seine antimilitaristische Überzeugung. Er beobachtete, wie Arbeiter aus verschiedenen Ländern einander auf Befehl der Herrschenden erschossen – statt gemeinsam gegen ihre Ausbeuter zu kämpfen.
Im **August 1918**, nur wenige Wochen vor Kriegsende, traf Almstadt eine folgenschwere und mutige Entscheidung: Er **desertierte** von der Front in Frankreich. Unter Lebensgefahr floh er nach Hannover zurück. Dort tauchte er unter, lebte in wechselnden Verstecken und war ständig der Gefahr ausgesetzt, von der Militärpolizei oder Denunzianten entdeckt zu werden. Seine Familie unterstützte ihn, soweit es möglich war, bei diesem illegalen Leben. Bis zur **Novemberrevolution 1918** blieb er im Untergrund, eine Zeit der Angst, aber auch der Hoffnung auf grundlegenden Wandel.
Die Revolution bedeutete für Almstadt die Befreiung – nicht nur von der Lebensgefahr als Deserteur, sondern auch im ideellen Sinne. Er beteiligte sich aktiv an Demonstrationen, übernahm Aufgaben im revolutionären Arbeiter- und Soldatenrat von Hannover und trat bald der **Spartakusgruppe** bei, dem linken Flügel der sozialistischen Bewegung. In dieser revolutionären Organisation fand er Gleichgesinnte, die wie er an die Notwendigkeit eines radikalen Bruchs mit dem Kapitalismus glaubten.
Mit der Gründung der **Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD)** Anfang 1919 wurde Almstadt Mitglied der neuen revolutionären Partei. Sein politisches Ziel war von da an klar: die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft, in der Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung der Vergangenheit angehören. Er kämpfte für eine neue Ordnung im Geiste von Marx, Engels, Luxemburg und Liebknecht – getragen von der Überzeugung, dass eine andere, gerechtere Welt nicht nur möglich, sondern notwendig sei.
Aufbauarbeit in der Arbeiterbewegung
In der unruhigen Nachkriegszeit stellte sich Bernhard Almstadt mit ganzer Kraft in den Dienst der kommunistischen Bewegung. Es war eine Zeit großer Not und Hoffnung: Millionen Arbeiter lebten in Elendsquartieren, während Reaktion und Großkapital die Früchte der Revolution zu ersticken versuchten. Inmitten dieser widersprüchlichen Entwicklung engagierte sich Almstadt an vorderster Front für die Mobilisierung der Arbeiterjugend. Gemeinsam mit seinem engen Weggefährten **Karl Fugger** gründete er in Hannover die **Freie Sozialistische Jugend (FSJ)** – eine Organisation, die bald zum Vorläufer des **Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands (KJVD)** wurde. Ziel war es, die junge Generation mit den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus vertraut zu machen, sie in praktischer Agitation zu schulen und für den revolutionären Klassenkampf zu gewinnen. Almstadt übernahm nicht nur die theoretische Schulung in politischen Arbeitskreisen, sondern organisierte auch Sportfeste, Jugendversammlungen und Betriebsrundgänge. Er vermittelte den jungen Arbeiterinnen und Arbeitern das Bewusstsein, dass ihre Befreiung nur durch kollektive Organisation und konsequente Klassenpolitik möglich sei.
Neben seinem Engagement in der Jugendbewegung arbeitete Almstadt in der **Hanomag**, einer der größten Maschinenbaufirmen in Hannover. Als kaufmännischer Angestellter hatte er nicht nur Einblick in die betrieblichen Abläufe, sondern auch engen Kontakt zu den Lehrlingen und jungen Arbeitern in der Produktion. 1920 wurde er dort zum **Jugendvertreter** gewählt – eine Funktion, die in der Weimarer Republik neu eingeführt wurde und dem Schutz und der Bildung der arbeitenden Jugend diente. Almstadt setzte sich energisch für bessere Arbeitsbedingungen, geregelte Ausbildungszeiten und die Einführung betrieblicher Weiterbildung ein. Sein Wirken blieb nicht ohne Wirkung: Die Parteiführung der KPD wurde auf ihn aufmerksam und entsandte ihn 1922 zur **zentralen Parteischule** nach Berlin.
Dort absolvierte Almstadt eine mehrmonatige Schulung in **marxistischer Theorie, Parteiorganisation, Agitation und Rhetorik**. Die Parteischule war ein Zentrum der kommunistischen Kaderbildung, in dem ausgewählte Genossen auf ihre zukünftigen Aufgaben als politische Führer vorbereitet wurden. Für Almstadt war diese Zeit entscheidend: Er knüpfte Kontakte zu Genossen aus dem ganzen Reich, vertiefte seine ideologischen Kenntnisse und entwickelte sich zu einem gefestigten Kader.
In den folgenden Jahren übernahm er eine Vielzahl von Funktionen im Dienste der Partei:
* Er arbeitete als hauptamtlicher Funktionär in der Bezirksleitung Niedersachsen, wo er Streiks koordinierte und Agitprop-Schulungen durchführte,
* wurde 1923 zum **Bezirksleiter der KPD in Braunschweig** ernannt, wo er maßgeblich an der Vorbereitung von Protestaktionen gegen die Inflation und den Notstand beteiligt war,
* wurde anschließend als Redakteur und später als Geschäftsführer zur Parteizeitung *Tribüne* nach **Magdeburg** berufen. Dort organisierte er die politische Pressearbeit und war für die ideologische Linie der Zeitung verantwortlich,
* und übernahm schließlich in **Hagen** und später in **Essen** die Leitung mehrerer Parteipresseorgane, wo er unter schwierigen Bedingungen für die Mobilisierung der Arbeiterklasse arbeitete.
* wurde 1923 zum **Bezirksleiter der KPD in Braunschweig** ernannt, wo er maßgeblich an der Vorbereitung von Protestaktionen gegen die Inflation und den Notstand beteiligt war,
* wurde anschließend als Redakteur und später als Geschäftsführer zur Parteizeitung *Tribüne* nach **Magdeburg** berufen. Dort organisierte er die politische Pressearbeit und war für die ideologische Linie der Zeitung verantwortlich,
* und übernahm schließlich in **Hagen** und später in **Essen** die Leitung mehrerer Parteipresseorgane, wo er unter schwierigen Bedingungen für die Mobilisierung der Arbeiterklasse arbeitete.
Diese Jahre waren durchsetzt von politischer Verfolgung, Diffamierung und handfester Gewalt durch faschistische Schlägertrupps. Almstadts Arbeit verlangte nicht nur organisatorisches Geschick und politische Klarheit, sondern vor allem auch Mut und Standhaftigkeit. Oft mussten Veranstaltungen im Geheimen organisiert, Flugblätter unter Lebensgefahr verteilt und Redaktionen unter dem Schutz bewaffneter Arbeitermilizen betrieben werden. Doch Almstadt ließ sich nicht einschüchtern. Er war überzeugt: Nur durch entschlossene Gegenwehr kann dem Vormarsch der Reaktion Einhalt geboten werden.
Der Arbeitersport als politische Plattform
Neben seiner Parteiarbeit war Bernhard Almstadt auch tief im **revolutionären Arbeitersport** verwurzelt, einer Bewegung, die nicht nur Körper und Geist stärkte, sondern auch politisches Bewusstsein und Klassensolidarität förderte. Für ihn war Sport ein Mittel der politischen Erziehung und Aufklärung – ein Instrument zur Mobilisierung der Arbeiterklasse. Der bürgerliche Leistungssport, der auf individuellen Wettbewerb, Auslese und nationale Ehre setzte, stand im scharfen Gegensatz zum kollektivistischen und solidarischen Sportverständnis der Arbeiterklasse. In der **Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (KG)**, dem kommunistischen Dachverband der Arbeitersportler, engagierte er sich auf führender Ebene mit großem organisatorischen Geschick und ideologischem Klarblick.
Almstadt organisierte nicht nur Sportwettkämpfe, sondern sorgte dafür, dass diese zu politischen Kundgebungen wurden. Die Turnhallen und Sportplätze wurden zu Orten antifaschistischer Erziehung, in denen Losungen wie „Kampf dem Krieg – Kampf dem Faschismus“ offen propagiert wurden. In Schulungen vermittelte er jungen Arbeitersportlern, dass ihr Körper nicht dem Vaterland, sondern dem Klassenkampf gehöre – dass Sport nicht zur Disziplinierung für den Militarismus, sondern zur Vorbereitung auf den revolutionären Umsturz dienen müsse. Er verfasste Aufrufe, organisierte Demonstrationsmärsche in Trikots mit politischen Parolen und brachte sogar sportliche Darbietungen mit Theaterstücken in Verbindung, um die politische Botschaft zu verstärken.
1930 wurde er auf Beschluss der Parteiführung nach **Berlin** versetzt – ins Zentrum der politischen und sportlichen Bewegung. Dort übernahm er die Geschäftsführung des **Arbeiter-Sport-Verlags**, einer bedeutenden Einrichtung zur Publikation von Zeitungen, Broschüren und Trainingsanleitungen für den organisierten Arbeitersport. Er modernisierte die Redaktion, erweiterte die inhaltliche Ausrichtung der Publikationen um antifaschistische, antimilitaristische und internationalistische Beiträge und leitete eine systematische Zusammenarbeit mit Arbeitersportgruppen in Frankreich, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion ein. Ziel war es, eine internationalistische Front des Roten Sports gegen den aufkommenden Faschismus zu schaffen.
Gleichzeitig wurde er in das Zentralsekretariat der Roten Sporteinheit berufen. In dieser Funktion reiste er durch die ganze Republik, hielt Schulungen, organisierte zentrale Sportfeste mit politischem Charakter, koordinierte Arbeitsgruppen und setzte sich für eine stärkere Einbindung der Frauen in den Arbeitersport ein. Besonders am Herzen lag ihm die Förderung des Jugendsports: Er setzte sich für kostenlose Mitgliedschaften, vereinseigene Ausrüstung und politische Bildung für junge Arbeitersportler ein. In seinen Reden und Texten betonte er immer wieder: „Der Rote Sport ist keine Nebensache – er ist ein Teil des Klassenkampfes!“
Sein Wirken in dieser Phase machte ihn zu einer der zentralen Persönlichkeiten der revolutionären Sportbewegung in Deutschland. Noch Jahre später wurde seine Arbeit von Weggefährten wie Werner Seelenbinder und Fritz Lesch gewürdigt – beide selbst Opfer des Faschismus. Almstadts Beitrag bestand nicht nur in organisatorischer Aufbauarbeit, sondern in der bewussten Verbindung von Körperkultur, politischer Agitation und kollektiver Gegenwehr gegen Militarismus und Reaktion. Ziel war es, die Turnhallen, Sportplätze und Umkleideräume in Orte der politischen Bewusstwerdung zu verwandeln – zu Schulen der Solidarität und des Widerstands.
Widerstand gegen den Faschismus
Mit der Machtübernahme der Faschisten 1933 begann eine Zeit der erbarmungslosen Repression. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde umgehend verboten, ihre Zeitungen verboten, ihre Verlage zerschlagen, ihre Funktionäre verfolgt, inhaftiert, gefoltert oder ermordet. Auch der Arbeitersport wurde seiner klassenkämpferischen Inhalte beraubt und in die NS-Massenorganisationen wie den "Reichsbund für Leibesübungen" überführt. Doch Bernhard Almstadt ließ sich nicht einschüchtern. Er tauchte unter, blieb in Berlin aktiv und organisierte weiterhin **illegale Treffen, politische Schulungen, konspirative Sportgruppen und Flugblattaktionen**.
Ein herausragendes Beispiel für seinen Mut war die spektakuläre **Flugblattverteilung beim Deutschen Turnfest 1933** in Stuttgart. Während die Nazis dieses Fest als Machtdemonstration nutzten, gelang es Almstadt, gemeinsam mit anderen Genossen der Roten Sporteinheit, unter strengster Geheimhaltung **80.000 Flugblätter** mit antifaschistischen Parolen zu drucken und zu verteilen. Diese Flugblätter forderten offen zum Widerstand gegen Hitler auf, prangerten die Gleichschaltung an und warnten vor dem kommenden Krieg. Die Flugblätter wurden unter anderem mit Sporttaschen eingeschleust, auf Zuschauertribünen gelegt und sogar mit Ballons über dem Festgelände abgeworfen. Die Aktion war ein Meisterstück konspirativer Organisation – und zugleich ein unübersehbares Signal an alle Antifaschisten, dass der Widerstand weiterlebte. Die Gestapo war außer sich und wertete die Aktion als schwere Provokation und Schlag gegen die NS-Propaganda.
Nach intensiven Ermittlungen geriet Bernhard Almstadt ins Visier der Gestapo. Im **Oktober 1933** wurde er in Berlin verhaftet. Wochenlange Verhöre, Isolationshaft und Misshandlungen folgten. Doch Almstadt gab nichts preis. Sein Widerstandsgeist war ungebrochen. Im **Dezember 1934** verurteilte ihn der berüchtigte **Volksgerichtshof** – jenes NS-Unrechtsgericht, das eigens zur Einschüchterung und Ausschaltung politischer Gegner geschaffen worden war – wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu **zwei Jahren Zuchthaus**.
Seine Haft verbüßte er im **Zuchthaus Luckau** in Brandenburg. Die Bedingungen dort waren hart: Schikanen durch das Wachpersonal, mangelhafte Ernährung, Einzelhaft und Arbeitszwang. Doch selbst unter diesen Bedingungen hielt Almstadt Verbindung zu anderen politischen Gefangenen. Er lernte dort unter anderem die Genossen **Robert Uhrig** und **Franz Jacob** kennen – beide spätere Führungspersönlichkeiten des kommunistischen Widerstands. In Luckau entstand so ein Netz von klassenbewussten Häftlingen, das später die Grundlage für erneute Widerstandstätigkeit bildete. Die Zeit im Zuchthaus wurde für Almstadt nicht zur Kapitulation, sondern zur Vorbereitung auf den nächsten Abschnitt im Kampf gegen den Faschismus.
Konspirative Tätigkeit im Krieg
Nach seiner Haftentlassung im Jahr 1935 blieb Bernhard Almstadt unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo. Um nicht erneut in das Fadenkreuz der NS-Behörden zu geraten, nahm er eine scheinbar unpolitische Tätigkeit in einer **Gummifabrik in Berlin-Wendenschloss** auf. Dort arbeitete er in der Einkaufsabteilung und tarnte seine Identität als unauffälliger Betriebsleiter. Doch hinter dieser Fassade setzte er unbeirrt seinen Kampf gegen das faschistische Regime fort. In dieser Zeit knüpfte er erneut konspirative Kontakte, insbesondere zur **Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation**, die sich ab 1942 zu einer der zentralen kommunistischen Widerstandsgruppen in Berlin entwickelte. Diese Organisation zählte zu den bedeutendsten überregionalen Netzwerken im antifaschistischen Widerstand der Arbeiterbewegung in ganz Deutschland. Sie war nicht nur durch ihre Breite und Konspirationsdisziplin hervorzuheben, sondern auch durch ihre Versuche, Kontakte zu anderen illegalen Strukturen wie der Gruppe um Schulze-Boysen und Harnack zu etablieren. Almstadt brachte nicht nur organisatorische Erfahrung ein, sondern auch Verbindungen zu ehemaligen Genossen aus seiner Zeit im Arbeitersport, in der Parteipresse und aus der Haft.
Er übernahm die Funktion eines **Kuriers, Koordinators und Verbindungsmanns** zwischen verschiedenen konspirativen Zellen. Besonders wichtig war sein Beitrag bei der Herstellung von Kontakten zu Gruppen im Ruhrgebiet und in Sachsen, mit denen er Material, Nachrichten und strategische Anweisungen austauschte. Bernhard und seine Frau **Erna Almstadt** arbeiteten in dieser Zeit unermüdlich als Einheit: Sie transportierten geheime Schriften, organisierten Unterschlupf für Untergetauchte, beschafften Lebensmittelkarten und Medikamente für verfolgte Genossinnen und Genossen. Ihre Wohnung wurde zu einem Knotenpunkt des Widerstands.
Ein zentrales Element ihrer Arbeit war die Verbreitung der illegalen **Zeitung „Die Innere Front“**, einer Publikation, die in klarer Sprache zum Widerstand, zur Sabotage in den Betrieben und zur Zusammenarbeit unter Antifaschisten aufrief. Die Herstellung und Verteilung dieser Zeitung war lebensgefährlich, doch für Almstadt war es ein notwendiger Teil des Kampfes. In vielen Fällen brachte er das Material selbst in die Betriebe und verteilte es dort in Spinden, Kantinen und Toiletten.
Eine der gewagtesten Unternehmungen, an denen Almstadt beteiligt war, war der geplante **Befreiungsversuch für Ernst Thälmann**, den inhaftierten Vorsitzenden der KPD. Gemeinsam mit anderen Genossen der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe bereitete er eine konspirative Aktion zur Befreiung aus dem Gerichtsgefängnis Hannover vor. Diese Aktion erforderte genaue Ortskenntnis, Unterstützung aus der Belegschaft der Justizvollzugsanstalt sowie ausgefeilte Logistik. Obwohl der Plan in der Vorbereitungsphase durch die zunehmende Gestapo-Überwachung vereitelt wurde, zeugte er von der Entschlossenheit und Risikobereitschaft Almstadts, die Führung der Bewegung zurückzuholen und dem Widerstand ein neues Symbol zu geben.
Am **12. Juli 1944**, im Rahmen einer großangelegten Verhaftungswelle gegen das Umfeld der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe, wurde Bernhard Almstadt erneut festgenommen. Es war ein gezielter Schlag gegen die Koordinatoren und Verbindungsmänner des kommunistischen Widerstands. Almstadt wurde ins Gestapo-Gefängnis gebracht, mehrfach verhört und gefoltert. Trotz dieser Torturen gab er keine Namen preis. Am **19. September 1944** verurteilte ihn der **Volksgerichtshof** unter Leitung des berüchtigten Richters Roland Freisler zum **Tode wegen Hochverrats**.
Die **Hinrichtung erfolgte am 6. November 1944** im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil. Seine letzten Worte sind nicht überliefert, doch seine Haltung in der Haft – würdevoll, standhaft und überzeugt – wurde von Mitgefangenen überliefert. Seine Frau **Erna Almstadt**, die in dieser Zeit unter Überwachung stand, wurde nicht verhaftet. Nach dem Krieg setzte sie den Kampf für die Ideale ihres Mannes fort, dokumentierte seine Geschichte und engagierte sich für die Anerkennung der Opfer des Faschismus.
Letzte Worte – ein Vermächtnis
In seinem Abschiedsbrief schrieb Bernhard Almstadt an seine Frau und Tochter:
> „Der Tod kann auch ein Erlöser sein. Ich sehe in ihm keinen Feind, sondern einen guten Mann, der einen furchtbaren Zustand beendet.“
Diese Worte zeugen von tiefem Glauben, von unerschütterlicher Überzeugung und von einem Herzen, das selbst im Angesicht der Vernichtung nicht verzagte. Sie spiegeln die innere Klarheit eines Mannes wider, der sich seines Weges, seiner Entscheidungen und seines Vermächtnisses bewusst war. Bernhard Almstadt sah in seinem Tod keinen Zusammenbruch, sondern einen würdevollen Abschluss eines kämpferischen Lebens.
Er hatte erlebt, wie Freunde und Genossen verfolgt, gefoltert und ermordet wurden. Er hatte selbst die Haft, das Verhör, die Folter durchlebt – und dennoch seine Überzeugungen nie preisgegeben. Seine letzten Zeilen an die Familie sind Ausdruck einer tiefen, menschlichen Größe und politischer Reife. Sie sollen Mut machen, nicht resignieren. Almstadt wusste, dass sein Opfer nicht sinnlos war, sondern Teil eines größeren Ganzen: des Widerstands gegen die Barbarei.
Bernhard Almstadt wusste, dass er nicht umsonst gelebt hatte. Sein Mut, seine Standhaftigkeit und sein Opfer bleiben unvergessen – als Fanal für die kommenden Generationen, nicht zu schweigen, wenn Unrecht geschieht.
Ehrung und Gedenken
Nach 1945 ehrte die **Deutsche Demokratische Republik** Bernhard Almstadt als **Helden des antifaschistischen Widerstands**. In **Berlin-Mitte** trägt seit 1951 die **Almstadtstraße** seinen Namen – ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen. In **Hannover-Linden**, seinem Geburtsort, wurde im Jahr 2002 der **Almstadtweg** nach ihm und seiner Frau benannt. Auch Schulen, Jugendgruppen und Sporteinrichtungen griffen seinen Namen auf, um ein antifaschistisches Bewusstsein in der Gesellschaft zu verankern. In zahlreichen Artikeln der DDR-Presse wurde sein Lebensweg regelmäßig gewürdigt, insbesondere an Jahrestagen des 8. Mai, des 6. November und des 23. August.
Auch in der DDR-Sportbewegung wurde seiner gedacht. Broschüren, Schulungen und Gedenkveranstaltungen erinnerten an seinen unermüdlichen Einsatz. In sportpolitischen Schulungen wurde sein Wirken als Beispiel für die enge Verbindung von Körperkultur und politischer Verantwortung hervorgehoben. Besonders in den Reihen der **Gesellschaft für Sport und Technik (GST)** diente sein Name als Symbol für die Einheit von Disziplin, Kampfeswillen und Solidarität. Die Nationale Front ehrte ihn mit Gedenktafel-Einweihungen und die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ widmete ihm Wandzeitungen und Jugendstunden.
Seine Frau **Erna Almstadt** setzte das politische Vermächtnis ihres Mannes fort. Nach dem Krieg arbeitete sie in Parteibetrieben der KPD und später der **Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)**. Sie trat als Rednerin bei Gedenkveranstaltungen auf, sammelte Berichte ehemaliger Widerstandskämpferinnen und dokumentierte ihre Lebensläufe. In der Frauenbewegung der DDR wurde sie als Vorbild verehrt. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1990 blieb sie dem Kampf gegen Faschismus und für eine gerechte Gesellschaft treu – ein Leben in Treue und Pflicht gegenüber den gefallenen Genossen und dem gemeinsamen Traum von einer besseren Welt.
In der Bundesrepublik hingegen blieb die Erinnerung an Bernhard Almstadt lange Zeit marginalisiert. Während in der DDR sein Name präsent war, fand er in westdeutschen Gedenkstrukturen nur selten Erwähnung. Erst nach der Wiedervereinigung setzten sich einzelne Initiativen – darunter antifaschistische Gruppen, Geschichtswerkstätten und Gedenkprojekte – für eine Wiederentdeckung seines Wirkens ein. Heute bemühen sich insbesondere lokale Erinnerungsinitiativen in Hannover und Berlin darum, Bernhard und Erna Almstadt als wichtige Vertreter des kommunistischen Widerstands sichtbar zu machen – als Teil einer Erinnerungskultur, die die Opfer und Kämpfer gegen den Faschismus nicht dem Vergessen preisgibt.
Bernhard Almstadt war kein berühmter Theoretiker, kein großer Redner – er war ein praktischer Kämpfer. Ein Arbeiter, der das Unrecht sah und nicht schwieg. Der Widerstand leistete, als die Mehrheit schwieg. Sein Lebensweg mahnt uns: Es sind nicht die großen Namen, die Geschichte schreiben – es sind die Entschlossenen, die Standhaften, die Mutigen.
Sein Name steht für die vielen Vergessenen, die im Schatten der Geschichte standen, aber das Licht der Freiheit am Leben hielten. Bernhard Almstadt – ein Name, der bleibt. Sein Leben fordert uns heute heraus: Haltung zu zeigen, wo Anpassung bequemer wäre, und Zivilcourage zu leben, wo Wegsehen zur Norm wird. Wer sich an Almstadt erinnert, erinnert sich an die Verantwortung jedes Einzelnen, für Menschlichkeit, Frieden und soziale Gerechtigkeit einzustehen – auch und gerade im Alltag.