80 Jahre Befreiung Ungarns –
Der 4. April darf nicht vergessen werden
Der 4. April darf nicht vergessen werden
Wie die Sowjetunion das faschistische Ungarn befreite – und warum dieser Tag heute verteidigt werden muss.
Ein Tag der Befreiung
Am 4. April 1945 war es so weit: Die letzten faschistischen Truppen verließen ungarischen Boden. Die Sowjetarmee, die den Hauptteil des Blutzolls im Kampf gegen Hitlerdeutschland trug, hatte ein zerschlagenes, geschundenes Land von der Herrschaft der Pfeilkreuzler, Nazis und Großgrundbesitzer befreit. Die Befreiung war das Ergebnis erbitterter Kämpfe und zahlreicher Opfer, sowohl auf sowjetischer als auch auf ungarischer Seite. Budapest war im Februar 1945 nach wochenlanger Belagerung gefallen, viele Stadtteile lagen in Trümmern, Tausende Zivilisten waren ums Leben gekommen, und die Versorgungslage war katastrophal. Doch mit dem Sieg kam Hoffnung.
In der Ungarischen Volksrepublik wurde dieser Tag zurecht gefeiert – als „Tag der Befreiung“, nicht als Besatzung. Über vier Jahrzehnte lang war der 4. April ein staatlicher Feiertag. Er ehrte nicht nur die Rotarmisten, sondern erinnerte an den antifaschistischen Aufbruch: an die Bodenreform, an die Bildungsoffensive, an die Entmachtung der alten Eliten. Schüler lernten in den Schulen, was Faschismus bedeutet hatte, Mahnmale wurden errichtet, antifaschistische Künstler, Schriftsteller und Historiker prägten das Bewusstsein der Gesellschaft.
Seit dem sogenannten „Systemwechsel“ jedoch ist dieser Tag gestrichen. Statt von Befreiung wird heute von „Besetzung“ gesprochen. Die Rechte, die sich als Verteidigerin der Nation inszeniert, malt die Sowjets als Invasoren. Das ist nicht nur eine Beleidigung für die vielen Soldaten, die ihr Leben ließen – es ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die unter Horthy und Szálasi litten. Diese Umdeutung der Geschichte ist kein Zufall: Sie ist Teil eines gezielten Angriffs auf das antifaschistische Erbe. Mit ihr wird versucht, all das zu diskreditieren, was mit Sozialismus, internationaler Solidarität und Volksmacht verbunden ist. Die Verteufelung der Sowjetunion dient als Türöffner für eine geschichtslose und nationalistische Erzählung, die rechte Kräfte für ihre Zwecke instrumentalisieren. und auf alles, was mit Sozialismus, internationaler Solidarität und Volksmacht verbunden ist.
Vom Kriegstreiber zum Opfer?
Ungarn war kein unschuldiges Opfer. Es trat 1941 an der Seite Hitlerdeutschlands in den Krieg ein, ermordete Zehntausende Serben und jüdische Zivilisten in der Vojvodina und schickte über 200.000 Soldaten Richtung Stalingrad. Die Pfeilkreuzler trieben die ungarischen Jüdinnen und Juden in die Gaskammern. Die faschistische Regierung kooperierte bereitwillig mit der deutschen SS. Erst mit dem Vormarsch der Roten Armee kam das Ende dieses Terrors.
Es war die Sowjetunion, die das ungarische Ghetto in Budapest befreite, die Konzentrationslager beendete und den Schrecken des Krieges durch eine neue Ordnung ersetzte. Viele Ungarinnen und Ungarn, die sich nach Frieden, Gerechtigkeit und einem Neuanfang sehnten, schlossen sich den Volkskomitees an, die sofort nach dem Abzug der Nazis entstanden. Diese Komitees organisierten das Überleben, schufen neue Verwaltungen und legten den Grundstein für eine gerechtere Gesellschaft.
Eine gerechte Bodenreform
Bereits im März 1945, also noch vor Kriegsende, wurde ein Bodenreformgesetz verkündet: Über 650.000 landlose Familien – das war ein Drittel der Bevölkerung – erhielten eigenes Land. Die Großagrarier und die Kirche verloren ihren Bodenbesitz. Das war keine „Besatzung“, das war Gerechtigkeit.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wurde mit der feudalen Ordnung gebrochen. Das Land gehörte nicht mehr wenigen Magnaten, sondern denjenigen, die es bebauten. In vielen Dörfern wurde das Gemeindeleben demokratisiert, Kooperativen entstanden, erste Bildungseinrichtungen für die Landbevölkerung wurden aufgebaut. Die Volksmacht schuf neue Chancen für Menschen, die zuvor am Rande der Gesellschaft standen.
Die neuen Volksgerichte bestraften die größten Kriegsverbrecher. Schulen wurden entkirchlicht, Arbeiter- und Bauernkinder konnten endlich studieren. Wer heute von „Unfreiheit“ spricht, vergisst: Unter Horthy gab es für die Werktätigen keine Freiheit, sondern Unterdrückung. Es waren die Kommunisten, die Sozialdemokraten, die antifaschistischen Intellektuellen und die Gewerkschaften, die nun das Ruder übernahmen. Sie organisierten lokale Volkskomitees, halfen beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, setzten demokratische Reformen durch und sorgten für die strafrechtliche Verfolgung der Kollaborateure. Besonders in den Städten waren es Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter, die das öffentliche Leben neu strukturierten und für soziale Gerechtigkeit eintraten.
Erinnerung statt Geschichtsfälschung
Heute, 80 Jahre später, erleben wir eine gefährliche Umdeutung der Geschichte. Die NATO wird als Friedensmacht gefeiert, während die Rote Armee diffamiert wird. Wer vom „russischen Imperialismus“ redet, verschweigt die historische Wahrheit: Ohne die Sowjetunion hätte es keine Befreiung gegeben.
Gleichzeitig wird versucht, den antifaschistischen Widerstand kleinzureden oder gar ganz zu leugnen. Stattdessen dominieren Opfermythen, die Ungarn als leidendes Volk darstellen, das von Fremden unterdrückt worden sei. Doch es war nicht Moskau, das Juden deportierte, Gewerkschafter folterte und Bauern enteignete – es war das ungarische Regime selbst, das sich dem deutschen Faschismus andiente.
Ein Land, das seine Befreiung verleugnet, macht sich bereit für neue Kriege. Deshalb müssen wir erinnern – an den 4. April, an die Rote Armee, an die Bauernreform, an den antifaschistischen Neubeginn. Wer das alles „Besatzung“ nennt, hat nichts gelernt.
Die Wahrheit ist unbequem, aber notwendig. Sie zeigt: Die Geschichte ist kein neutraler Boden. Erinnern ist kein Akt der Nostalgie, sondern eine politische Notwendigkeit – gerade heute. Jeder von uns kann und muss dazu beitragen, das Gedenken wachzuhalten: in der Schule, auf der Straße, in Gesprächen mit der jungen Generation. Sie ist ein Feld des Kampfes – für Gerechtigkeit, für Frieden, für eine Welt ohne Faschismus. Wir müssen sie verteidigen. Jeden Tag. Besonders am 4. April.