Zwangsrekrutierung per Gesetz:
Kriegswirtschaft an der Heimatfront
Drei Jahre „Zeitenwende“ – der Preis wird unten bezahlt
Dreieinhalb Jahre nach der Verkündung der sogenannten Zeitenwende zeigt sich, wie tief der militärische Imperativ bereits in die Gesellschaft eingesickert ist. Es geht nicht nur um neue Panzer, Drohnen und Raketen. Es geht darum, wie die politische Führung den Ausnahmezustand zur neuen Normalität macht: in Schulen, in Betrieben, in Verwaltungen. Besonders deutlich wird das am Arbeitssicherstellungsgesetz, jenem alten Notstandsinstrument, das aus der Mottenkiste geholt, entstaubt und den aktuellen Kriegsplänen angepasst wurde. Die Richtung ist klar: Wer nicht freiwillig marschiert, soll administrativ bewegt werden. Wer nicht passen will, wird passend gemacht.
Die Rechnung für diese Politik wird nach unten weitergereicht. Jeder Euro, der in Aufrüstung und Rüstungskonzerne fließt, fehlt in Krankenhäusern, Kitas und an den Schulen, bei Nahverkehr und Pflege. Die Botschaft aus Ministerien und Konzernzentralen lautet, dass Löhne, Tarifrechte, Arbeitszeiten und soziale Absicherung nur noch so weit gelten, wie sie der „nationalen Sicherheit“ nicht im Wege stehen. Genau an dieser Stelle beginnt die Auseinandersetzung, denn Sicherheit ohne soziale Sicherheit bleibt eine hohle Phrase. Wer in den Betrieben schuften soll, wer die Versorgung aufrechterhält, wer die Lasten trägt, hat ein Recht darauf, nicht in Kriegslogik gezwungen zu werden.
Das Arbeitssicherstellungsgesetz: Hebel für den Ausnahmezustand
Das Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG) wurde in den Notstandsjahren der alten Bundesrepublik geschaffen. Offiziell sollte es im Verteidigungs- oder Spannungsfall dafür sorgen, dass gesellschaftlich „kritische Infrastruktur“ personell abgesichert bleibt. Der Mechanismus ist simpel und hart: Die Bundesagentur für Arbeit wird vom Vermittelnden zum Verfügenden. Sie darf die freie Wahl des Arbeitsplatzes außer Kraft setzen, Beschäftigte in sogenannte Schlüsselsektoren versetzen und ihnen den Wechsel untersagen. Gemeint sind Energie, Wasser, Ernährung, Logistik, Gesundheit, öffentliche Verwaltung, Verkehr, Banken, Telekommunikation und selbstverständlich die gesamte Kriegsproduktion. Der Staat reserviert sich damit das Recht, über Arbeitskraft zu verfügen – per Bescheid, mit Sanktionsandrohung.
Bemerkenswert ist, wie beiläufig darüber gesprochen wird, als ginge es um eine bürokratische Fußnote. In Wahrheit ist der Eingriff fundamental. Die bürgerliche Verfassung garantiert die Berufsfreiheit nicht zufällig. Sie ist eine Lehre aus Zwangsarbeit, Arbeitsdienst und Mobilmachung. Wenn eine Regierung nun wieder Bereiche definiert, in denen Menschen auf Zuruf eingesetzt werden dürfen, und dies im Namen einer vermeintlichen „Gesamtverteidigung“, dann müssen die Alarmglocken schrillen. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu erkennen: Hier wird ein Hebel aufgebaut, der in Krisen die gesamte Arbeitswelt auf Kriegsbetrieb umstellen kann.
Die juristische Architektur: Von 1968 in die Gegenwart
Die Notstandsgesetze von 1968 haben der Exekutive Werkzeuge an die Hand gegeben, um Grundrechte in Ausnahmesituationen einzuschränken. Viele dieser Bestimmungen schlummerten Jahrzehnte im Gesetzblatt. Mit der sogenannten Zeitenwende erhalten sie neuen Atem. Dabei ist die politische Legitimation dünn: Die Schwelle zur Aktivierung mag formal hoch sein, die konkrete Anwendung hängt jedoch davon ab, wie eine Mehrheit im Bundestag eine Lage bewertet. Wer den Ausnahmezustand ausruft, verfügt über Machtmittel, die jede soziale Auseinandersetzung zugunsten der Regierung verschieben. Genau deshalb war der Widerstand gegen die Notstandsverfassung vor einem halben Jahrhundert so groß. Wer heute die Debatte erneut führt, darf die Geschichte nicht ausblenden.
Die juristische Architektur der Gegenwart kombiniert Notstandsrecht mit Behördenpraxis. Was in Papieren „Vorsorge“ heißt, bedeutet im Alltag das Üben administrativer Zwangsinstrumente: Kataloge kritischer Berufe, Datenabgleich über Qualifikationen, interne Weisungen zu Versetzungen, abgestimmte Abläufe zwischen Ministerien, Bundeswehr, Innenbehörden und Arbeitsagenturen. Diese Vorbereitungen sind kein neutrales „Risikomanagement“, sie sind politische Planung. Und sie folgen einem klaren Kalkül: Im Konfliktfall soll die Gesellschaft ohne demokratische Reibungsverluste in den Kriegsmodus kippen können.
Arbeitszwang als Klassengesetz: Wem dient die Pflicht?
Es lohnt, die Frage zu stellen, wem ein Gesetz dient, das Arbeitszwang ermöglicht. Der Blick auf die Profiteure gibt die Antwort. Seit 2022 schwimmen Rüstungskonzerne in Aufträgen. Aktienkurse und Dividenden belegen das. Gleichzeitig stehen klassische Industrien unter Druck, allen voran die Auto- und Zulieferbranche. Die Verlockung ist groß, Produktionskapazitäten und Facharbeit aus dem zivilen Bereich in die Kriegsproduktion umzulenken. Ein Apparat, der per Verwaltungsakt Menschen dort festsetzt, wo es militärisch und industriell nützlich ist, ist aus Sicht dieser Kreise ein Segen.
Für die Beschäftigten dagegen bedeutet das Gesetz, dass sie ihre Qualifikation nicht mehr nach eigenen Interessen einsetzen können. Wer Lkw fahren kann, wird fahren. Wer medizinisches Wissen hat, wird eingesetzt. Wer in Energie, Wasser, Ernährung oder Logistik arbeitet, wird auf seinem Platz gehalten, selbst wenn die Bedingungen unzumutbar sind. Die Drohung steht im Raum, dass Kündigungen untersagt und Arbeitsplatzwechsel blockiert werden. Das ist nicht „Neutralität des Staates“, sondern Parteinahme für die Kriegsökonomie. Die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft ist eine Grenze, die nicht überschritten werden darf.
Die neue Kriegswirtschaft: Umverteilung nach oben
Mit jeder Milliarde für Rüstung wächst der Druck auf die sozialen Haushalte. Die offizielle Begründung ist immer gleich: In unsicheren Zeiten müsse man „Prioritäten setzen“. Tatsächlich wird hier eine gigantische Umverteilung organisiert. Investitionen in Panzer, Munition und militärische IT gelten als „Investitionen in Sicherheit“, während Investitionen in Pflege, Bildung und Wohnen als verhandelbar gelten. Die Parole vom „Sparen“ trifft nie die großen Verfügungen des Kapitals, sie trifft die Löhne, die kommunalen Dienste, die Arbeitslosen, die Rentner.
Man darf diese Verschiebung nicht als Naturgesetz hinnehmen. Sie ist entschieden worden, sie hat politische Urheber. Wenn die Regierung Sondervermögen für die Bundeswehr auflegt, aber in der Fläche Schwimmbäder, Bibliotheken und Kliniken schließen, zeigt sich, worum es geht: um eine langfristige Ausrichtung der Volkswirtschaft auf militärische Verwendbarkeit. In dieser Logik erscheint der Mensch als Mittel. Die Arbeit wird zur Ressource, die „sicherzustellen“ ist – nicht für das Leben, sondern für den Krieg.
Profiteure und industrielle Umsteuerung:
Wenn Zulieferer zu Munitionsfabriken werden
Der Rüstungskomplex reicht weit über die klassischen Hersteller hinaus. Elektronik, Optik, Software, Metallverarbeitung, Chemie, Logistik – sie alle können auf Kriegsproduktion umgestellt werden. Wer heute in einem Zulieferbetrieb Bauteile für den Maschinenbau fräst, kann morgen Patronenhülsen, Gehäuse für Lenkflugkörper oder Fahrwerkskomponenten für Kettenfahrzeuge herstellen. Das ist kein Fantasiegebilde, sondern ein in vielen Strategiepapiere durchgespieltes Szenario. Der Flaschenhals sind nicht Maschinen, Rohstoffe oder Hallen – der Flaschenhals ist die verfügbare, qualifizierte Arbeitskraft. Genau hier setzt das Arbeitssicherstellungsgesetz an. Es verleiht dem Staat die Möglichkeit, die menschliche Komponente der Kriegsproduktion zu „steuern“.
Solche Überlegungen blenden einen entscheidenden Punkt aus: Die Nutzung der industriellen Basis für Kriegsproduktion schadet der zivilen Reproduktion. Je mehr Fachkräfte in militärische Lieferketten gezogen werden, desto weniger stehen sie für Bahn, Energiewende, Wohnungsbau oder Medizintechnik zur Verfügung. Wer also behauptet, Rüstungsinvestitionen seien „Konjunkturprogramme“, verschweigt die Verdrängungseffekte. Die Rechnung zahlt die Allgemeinheit doppelt – mit Steuergeld und mit der Abwesenheit von realen Verbesserungen im Alltag.
Der Staat als Unternehmer im Krieg: Haushalt, Schuldenbremse, Prioritäten
Die Schuldenbremse, so wird uns seit Jahren erklärt, zwinge zu Disziplin. Für die Aufrüstung gilt sie offenkundig nicht. Die politische Botschaft lautet: Wenn es um Waffen geht, findet sich ein Weg. Wenn es um Krankenhäuser oder Schulen geht, ist plötzlich kein Geld mehr da. Diese Asymmetrie ist kein Zufall, sie ist Ausdruck eines Staatsverständnisses, das militärische Schlagkraft als Kern seiner Daseinsberechtigung definiert. Der Staat wird zum Unternehmer des Krieges, der Investitionsentscheidungen nach strategischen, nicht nach sozialen Kriterien trifft.
Für die Arbeiterklasse bedeutet das eine drohende Kombination aus Preissteigerungen, stagnierenden Löhnen, verschärften Zumutbarkeiten im Job und steigenden Mieten, flankiert von einem Apparat, der im Ernstfall mit Zwangsverfügungen reagiert. Diese Mischung ist brisant. Wer heute die Axt an Tarifstandards legt und morgen per Gesetz auf Kriegsarbeitsplätze verteilt, schafft die Bedingungen für autoritäre Industrieverhältnisse. Die Antwort kann nur eine sein: die Verteidigung sozialer Rechte gegen den Kriegsstaat.
Militarisierung des Alltags: Schulen, Jobcenter, Medien
Die Kriegslogik formt Köpfe, lange bevor Gesetze greifen. Wenn an Schulen das Vokabular des Gehorsams zurückkehrt, wenn Jugendoffiziere wieder als Karriereberater auftreten, wenn in Lehrplänen sicherheitspolitische Erzählungen dominieren, dann wird ein Klima geschaffen, in dem der Ausnahmezustand normal wirkt. In den Jobcentern und Arbeitsagenturen wächst parallel der Druck, jede Qualifikation „bedarfsgerecht“ einzusetzen. Das klingt technokratisch, bedeutet aber: Der Mensch wird entlang militärischer Bedarfslagen sortiert.
Die Medien leisten dazu ihren Beitrag, indem sie Konflikte als unausweichliche Konfrontation darstellen. Wer Verhandlungen fordert, gilt als naiv, wer Diplomatie verlangt, als Illusionist. Dabei zeigt die Geschichte: Jeder bewaffnete Konflikt endet am Verhandlungstisch – die Frage ist nur, wie viele Menschen bis dahin verletzt, vertrieben, getötet werden. Eine aufgeklärte Öffentlichkeit müsste also die frühestmögliche politische Lösung ins Zentrum rücken, nicht die Verlängerung des Krieges. Genau hier setzt friedenspolitische Aufklärung an.
Gesundheit im Kriegsmodus? Warum Krankenhäuser keine Kasernen sind
Zu den gefährlichsten Ideen der Gegenwart gehört der Versuch, das Gesundheitswesen „kriegsfähig“ zu machen. Krankenhäuser sind Orte der Heilung, nicht der Mobilmachung. Wer stationäre Versorgung, Pflegeheime und Rettungsdienste auf Kriegsbetrieb trimmen will, zerstört das, was er zu schützen vorgibt. Die Pandemie hat gezeigt, wie fragil die Strukturen sind, wenn man sie jahrelang auf Kante näht. Statt Milliarden in Rüstung zu schieben, bräuchte es Personaloffensiven, öffentliche Investitionen und gute Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor. Wer ernsthaft von „Kriegstüchtigkeit“ spricht, müsste zuerst dafür sorgen, dass Menschen im Alltag gesund bleiben können – und zwar ohne Angst vor Überlastung, Zwangsdiensten oder militärischer Vereinnahmung.
Ausnahmen für die Obrigkeit: Die doppelte Moral
Besonders aufschlussreich ist, wer vom Arbeitssicherstellungsgesetz ausgenommen werden soll. Dass ausgerechnet Mitglieder von Bundestag und Bundesrat nicht erfasst sind, bringt die Logik des Ganzen auf den Punkt. Unten Pflichten, oben Privilegien. Wer Gesetze beschließt, will sich selbst nicht in die Pflichten nehmen lassen, die er anderen auferlegt. Diese doppelte Moral ist nicht neu, aber sie wird in Zeiten der Militarisierung besonders scharf. Denn es sind die Abgeordneten, die den Ausnahmezustand ausrufen. Es sind die Regierenden, die Notstandsrechte aktivieren. Und es sind die Arbeiter, die die Folgen zu tragen haben.
Historische Linien: Notstand und Zwangsarbeit von Kaiserreich bis BRD
Der deutsche Kapitalismus kennt die Einspannung der Arbeitskraft in Kriegslogik seit dem Kaiserreich. Während des Ersten Weltkriegs wurden Betriebe in Rüstungsregime gezwungen, Streiks kriminalisiert, Arbeitszeit und Lohnfragen dem „Burgfrieden“ untergeordnet. In der Weimarer Republik folgten Notverordnungen, die auf autoritäre Krisenbewältigung setzten. Der faschistische Terrorstaat machte daraus ein System der totalen Verfügung über Menschen. Nach 1945 schien der Bruch möglich – und doch kehrten mit den Notstandsgesetzen von 1968 alte Denkmuster ins Gesetz zurück. Die Geschichte lehrt: Wer die Ausnahme zum Prinzip erhebt, öffnet Tür und Tor für den missbräuchlichen Einsatz staatlicher Macht. Deshalb darf die Gesellschaft nicht zulassen, dass Zwangsarbeit unter neuem Etikett normalisiert wird.
Internationaler Rahmen: Blockkonfrontation oder gemeinsame Sicherheit
Deutschland steht in einer Konfrontationslogik der Blöcke. Anstatt Brücken zu bauen, wird an Frontlinien gezimmert. Diese Politik ist gefährlich und kurzsichtig. Europa braucht Sicherheit mit, nicht gegen das größte Land des Kontinents. Wer Sicherheit ernst meint, muss die legitimen Sicherheitsinteressen aller Seiten aufgreifen, Kommunikationskanäle öffnen, Abkommen zur Rüstungskontrolle reaktivieren und wirtschaftliche Kooperation statt Sanktionsspiralen ermöglichen. Das ist keine Schwäche, sondern die einzige vernünftige Antwort auf Eskalationsspiralen, die sonst außer Kontrolle geraten.
Ein nüchterner Blick zeigt, dass der wirtschaftliche Krieg die eigene Bevölkerung trifft: teure Energie, unterbrochene Lieferketten, Inflation. Die Antwort kann nicht sein, die Spirale noch weiter zu drehen. Die Antwort liegt in einer Politik der Entspannung, der Neutralisierung von Brennpunkten, der internationalen Vermittlung und der Rückkehr zu Diplomatie – und zwar ohne moralische Belehrung, die nur als Vorwand dient, eigene Interessen durchzusetzen.
Sicherheit neu denken: Energie, Wohnen, Ernährung statt Panzer
Sicherheit ist ein soziales Gut. Sie beginnt mit warmen Wohnungen, bezahlbaren Mieten, guter medizinischer Versorgung, Bildung, öffentlicher Infrastruktur, klimafester Energieversorgung, guter Arbeit und verlässlichen Löhnen. All das ist weit wirksamer als jede Rakete. Wer also die Bevölkerung schützen will, muss in die Lebensbedingungen investieren und nicht in die Zerstörungskraft. In dieser Perspektive ist das Arbeitssicherstellungsgesetz nicht nur ein Angriff auf Grundrechte, sondern auch eine Sackgasse. Es bindet Ressourcen an den Krieg, die wir für ein gutes Leben brauchen.
Eine Gesellschaft, die ihre Jugend in Kasernen und ihre Alten an die Werkbank der Kriegsökonomie drängt, verarmt geistig und materiell. Die Menschen werden verunsichert, spalten sich, verlieren Vertrauen. Dagegen hilft nur, die Prioritäten zu drehen: öffentliche Dienste stärken, kommunale Daseinsvorsorge ausbauen, Planung demokratisieren, Nahrungsmittelversorgung regional sichern, Energie dezentral und bezahlbar gestalten, Verkehr vom Profitdruck befreien. Das sind die Bausteine einer zivilen Sicherheitspolitik.
Widerstand von links: Betriebe, Gewerkschaften, Friedenskräfte
Widerstand entsteht nicht von selbst. Er braucht Orte, Strukturen, Erfahrungen. In vielen Betrieben gibt es Kollegien, die das Aufrüstungsmantra nicht mehr schlucken wollen. Die Frage „Wem nützt das?“ wird wieder gestellt. Betriebsräte, Vertrauensleute, Aktive in Gewerkschaften bündeln Erfahrungen aus Tarifkämpfen mit der Kritik an der Kriegslogik. Dabei geht es nicht um moralische Appelle, sondern um Interessen. Kein Arbeiter hat etwas davon, wenn sein Betrieb in Rüstung umgestellt wird, aber Löhne gedrückt und Arbeitszeiten verlängert werden. Kein Angestellter gewinnt, wenn sein Krankenhaus zur Notfallkaserne umfunktioniert wird, aber die Stationen unterbesetzt bleiben. Kein Auszubildender profitiert, wenn Schule statt Bildung Gehorsam einübt.
Die Friedenskräfte können hier anknüpfen. Sie müssen hinein in die Betriebe, hinein in die Schulen, hinein in die Quartiere. Sie müssen zeigen, dass der Kampf gegen Zwangsdienste zugleich ein Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen ist. Gewerkschaften sind nicht neutral, wenn Grundrechte auf dem Spiel stehen. Sie verteidigen das Streikrecht, die Tarifautonomie, die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Wer heute schweigt, wird morgen in der Defensive sein, wenn Listen kritischer Berufe herumgereicht und Verfügungen ausgestellt werden.
Programm des Gegenangriffs: Demokratische Kontrolle über Arbeit und Produktion
Die Alternative zum Kriegsstaat ist keine Utopie. Sie beginnt mit sehr irdischen Schritten: Erstens braucht es ein klares Nein zu jeder Form der Zwangsrekrutierung im Inneren. Das Arbeitssicherstellungsgesetz ist zu streichen oder so zu verändern, dass Zwangselemente ausgeschlossen werden. Zweitens braucht es einen Kurswechsel im Haushalt: Weg vom Militärischen, hin zur sozialen und ökologischen Reproduktion. Drittens braucht es demokratische Kontrolle der großen Schlüsselbranchen, damit sie nicht nach Profit, sondern nach gesellschaftlichem Bedarf arbeiten. Viertens braucht es eine internationale Politik, die Konflikte deeskaliert statt sie zu schüren. Fünftens braucht es Bewegung von unten, die diesen Kurs erkämpft – in Gewerkschaften, Mieterinitiativen, Gesundheitsbündnissen, Jugendverbänden.
Das ist keine „Schönwetter-Agenda“. Sie ist genau für Krisen gemacht. Wenn Lieferketten reißen, wenn Energiepreise explodieren, wenn Krieg droht, zeigt sich der Wert öffentlicher Daseinsvorsorge und demokratischer Planung. Wer die Gesellschaft auf Kooperation statt Konfrontation ausrichtet, macht sie widerstandsfähig – nicht im Sinne militärischer Schlagkraft, sondern im Sinne des Lebens.
Arbeit, Brot und Frieden – nicht Ausnahmezustand und Zwang
Die Debatte um das Arbeitssicherstellungsgesetz ist keine juristische Nebenspur. Sie ist ein Lackmustest für den Kurs dieses Landes. Soll die Arbeitskraft der Menschen dem Krieg untergeordnet werden, oder soll sie genutzt werden, um ein gutes, friedliches Leben aufzubauen? Sollen Parlamente den Ausnahmezustand normalisieren, oder sollen sie die Grundrechte verteidigen? Sollen Konzerne die Dividenden aus der Aufrüstung einfahren, während unten der Gürtel enger geschnallt wird, oder soll das öffentliche Interesse über dem privaten Profit stehen?
Die Antwort kann nur lauten: Arbeit, Brot und Frieden. Kein Zwangsdienst, keine Militarisierung der Kindheit, keine Kriegswirtschaft. Die freie Verfügung über die eigene Arbeit ist nicht verhandelbar. Die Gesellschaft braucht Schulen, die Denken lehren, nicht Salutieren. Sie braucht Krankenhäuser, die heilen, nicht kasernieren. Sie braucht Betriebe, die das Leben verbessern, nicht zerstören. Und sie braucht eine Politik, die nicht im Schatten der Generäle regiert, sondern im Licht der Vernunft.
Wer das will, muss handeln. In den Betrieben, auf den Straßen, in den Parlamenten, in den Medien. Es gilt, den Ausnahmezustand zurückzuweisen und die Demokratie zu verteidigen, indem man das Soziale verteidigt. Es gilt, die Kriegsprofiteure zu benennen und ihnen die öffentliche Kasse zu schließen. Es gilt, internationale Verhandlungen einzufordern und die Eskalation zu stoppen. Nur so hat dieses Land eine Zukunft – nicht im Drill, sondern im Dialog. Nicht im Befehl, sondern im Recht. Nicht im Zwang, sondern in der Freiheit. Und nur so hat Europa eine Chance auf Sicherheit: als Raum der Zusammenarbeit, nicht als Aufmarschgebiet.
Das ist die Aufgabe. Sie duldet keinen Aufschub. Wer Frieden will, muss seine Stimme jetzt erheben und die Ketten der Kriegslogik sprengen. Denn nicht der Krieg gewinnt den Frieden, sondern der Frieden gewinnt den Krieg gegen die Barbarei der Zerstörung. Dafür braucht es Mut, Klarheit und Organisation. Fangen wir damit an – heute, hier, miteinander.

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