Zeitenwende im Ukraine-Konflikt:
Trumps Kurswechsel, Bidens Scheitern und Europas Ohnmacht
Zeitenwende in der US-Außenpolitik
Seit dem 20. Januar 2025 sind die Vereinigten Staaten erneut unter republikanischer Führung. Donald Trump wurde zum zweiten Mal als Präsident vereidigt. Bereits mit seinem Amtsantritt setzte er ein außenpolitisches Signal: Er beendete abrupt die bis dahin geltende Konfrontationspolitik gegenüber Russland und schlug stattdessen einen Kurs der direkten Verständigung und Verhandlung ein. Die bisher aggressive Konfrontationslinie gegenüber der Russischen Föderation, wie sie unter Joe Biden betrieben wurde, wurde abrupt beendet. Statt Eskalation suchte die neue US-Regierung die Verständigung mit Moskau. Dieser plötzliche Kurswechsel kam für viele Beobachter einem außenpolitischen Tabubruch gleich, denn er stellte nicht nur die bisherige NATO-Strategie infrage, sondern entzog auch dem transatlantischen Dogma der Konfrontation mit Russland die Grundlage.
Die Reaktionen in Europa fielen heftig aus: Während einige osteuropäische Staaten vor einem "Verrat westlicher Werte" warnten, forderten andere – etwa Ungarn oder die Slowakei – ein Ende der Eskalationsspirale und eine Rückkehr zur Diplomatie. In Berlin und Paris herrschte Unsicherheit, ob dies der Beginn eines amerikanischen Rückzugs aus Europa sei oder lediglich ein taktisches Manöver.
Zugleich löste die Ankündigung in Washington innenpolitische Spannungen aus: Teile des außenpolitischen Establishments warfen Trump Naivität und Illoyalität gegenüber den traditionellen Verbündeten vor, während isolationistische Stimmen in der republikanischen Partei seine Initiative als überfälligen Schritt zur nationalen Selbstbesinnung begrüßten.
Diese Kursänderung stieß auf Irritation, Unverständnis und sogar Empörung bei den westeuropäischen Verbündeten. Das transatlantische Bündnis, lange als unerschütterlich gepriesen, gerät ins Wanken. Immer deutlicher wird, dass Washington bereit ist, sich aus europäischen Konflikten zurückzuziehen, wenn sie nicht den eigenen strategischen Interessen dienen. Was zunächst wie ein Alleingang erschien, könnte sich langfristig als Beginn einer neuen Weltordnung erweisen – einer Ordnung, in der Europa gezwungen ist, seine sicherheitspolitischen Prioritäten selbst zu definieren.
Diplomatischer Neustart mit Moskau
Trumps erste außenpolitische Handlung war ein direkter Anruf bei Präsident Wladimir Putin. Ziel war es, einen "Deal" zur Beendigung des zerstörerischen Ukraine-Konflikts auszuhandeln. Ohne Rücksprache mit der NATO oder der EU kündigte er an, umgehend Verhandlungen aufzunehmen. Bereits wenige Tage später trafen sich die Außenminister und Sicherheitsberater beider Länder in Riad. Saudi-Arabien, eine Regionalmacht mit eigenen Interessen im Nahen Osten, fungierte als Vermittler.
Besonders brisant war dabei der symbolische Ort des Treffens: Riad als Tagungsort für Verhandlungen zwischen den USA und Russland signalisiert nicht nur das Ende westlicher Alleingänge, sondern auch die wachsende Bedeutung sogenannter neutraler Vermittlerstaaten. Die saudische Vermittlung wurde von verschiedenen Seiten als Beleg dafür gesehen, dass auch autoritär geführte Regionalmächte in einer sich verändernden Weltordnung eine konstruktive Rolle übernehmen können.
Inhaltlich ging es in den Gesprächen um eine Reihe von Streitpunkten, darunter ein Waffenstillstand in der Ukraine, die schrittweise Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Russland sowie die Einsetzung eines gemeinsamen Wirtschaftsbeirats zur Koordination künftiger Projekte in der eurasischen Region. Auch mögliche Sicherheitsgarantien für osteuropäische Staaten wurden diskutiert, wobei Trump überraschend deutlich auf die Notwendigkeit eines europäischen Sicherheitskonzepts unter europäischer Verantwortung hinwies – ohne NATO.
Diese Gespräche wurden von vielen Beobachtern als Beginn einer neuen Weltordnung gewertet – etwa der Politikwissenschaftler Alfred Jensen, der in der "Neuen Friedensordnung" schrieb, dies sei der "erste ernsthafte Versuch seit 1990, das Verhältnis zwischen den Großmächten neu zu justieren" – jenseits westlicher Dominanz. Auch ehemalige Diplomaten wie der frühere französische Außenminister Jean-Luc Thibault äußerten sich positiv und sprachen von einer "Rückkehr zur Diplomatie, die nicht auf Vorherrschaft, sondern auf gegenseitigem Respekt basiert."
Nahost als geopolitisches Labor
Schon im Dezember 2024 zeichnete sich ein geopolitischer Wandel ab. In Doha, der Hauptstadt Katars, verhandelten die Außenminister Russlands, der Türkei und des Iran. Begleitet wurden sie von einem arabischen Staat mit engen Verbindungen zur palästinensischen Hamas. Dieses Treffen markierte den Versuch, den Konfliktherd Nahost nicht länger allein den westlichen Interventionen zu überlassen, sondern regionale Lösungen unter Einbeziehung direkter Akteure zu erarbeiten.
Kurz darauf übergab Syriens Präsident Assad geordnet die Macht an eine Übergangsregierung und bestieg eine Maschine nach Moskau. Die Art und Weise dieses Rückzugs war bemerkenswert: kein chaotischer Zusammenbruch, sondern ein geplanter und abgestimmter Wechsel – Ausdruck einer neuen politischen Kultur im Nahen Osten, die stärker auf diplomatische Prozesse und strategische Allianzen setzt.
Wenige Wochen später folgte in Doha die Vereinbarung eines ersten Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas. Dieses Abkommen, das unter Beteiligung Katars vermittelt wurde, beinhaltete neben der Rückgabe von Geiseln auch die erste indirekte Anerkennung der Hamas als legitimen Verhandlungspartner durch Israel. Der Austausch von Gefangenen und das gleichzeitige Zurückfahren militärischer Operationen signalisierten die Bereitschaft beider Seiten, zumindest temporär von der Logik der Vernichtung Abstand zu nehmen.
Darüber hinaus wurden in Doha weitere Gespräche über ein regionales Sicherheitsforum angestoßen, das unter Beteiligung von arabischen, iranischen und türkischen Akteuren einen regelmäßigen Austausch über Sicherheitsfragen im Nahen und Mittleren Osten etablieren soll. Die Rolle arabischer Vermittler in regionalen und globalen Fragen gewinnt damit zunehmend an Bedeutung – nicht nur als neutraler Verhandlungsraum, sondern auch als selbstbewusster geopolitischer Akteur. Ein Ausdruck der multipolaren Welt, in der neue Machtzentren entstehen und traditionelle Dominanzverhältnisse herausgefordert werden.
Der Paukenschlag von Ramstein
Am 9. Januar 2025 folgte ein strategischer Paukenschlag. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein verkündete Verteidigungsminister Lloyd Austin das sofortige Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine durch das US-Militär. Diese Entscheidung kam völlig überraschend für die europäischen Verbündeten, die bis dahin fest von einer fortgesetzten amerikanischen Führung im Ukraine-Krieg ausgegangen waren.
Brüssel solle sich künftig allein um Waffenlieferungen kümmern. Damit wurde die Verantwortung für die militärische Unterstützung Kiews faktisch auf die Europäische Union übertragen – ein Signal, das viele als offenen Rückzug und gleichzeitigen Test europäischer Eigenständigkeit deuteten. In mehreren europäischen Hauptstädten herrschte nach Bekanntgabe des Schrittes diplomatisches Chaos. Regierungsberater sprachen von einem "Weckruf", der die strategische Leerstelle Europas schmerzhaft offengelegt habe.
Diese Entscheidung bedeutete faktisch den militärischen Rückzug der USA aus dem Ukraine-Krieg. Zwar betonte das Pentagon, man werde weiterhin geheimdienstlich unterstützen, doch die operative Steuerung lag nun nicht mehr bei Washington. Einige Militäranalysten verglichen den Schritt mit dem Vietnam-Rückzug, andere sahen darin das Ende des transatlantischen "Schutzversprechens" für Osteuropa.
In diplomatischer Folge legte die US-Delegation eine Resolution im UN-Sicherheitsrat vor, die erstmals weder Russland als Aggressor bezeichnete noch die territoriale Integrität der Ukraine einforderte – ein Novum. Diese wurde ohne Veto angenommen. Auch Großbritannien und Frankreich verzichteten auf Gegenmaßnahmen, was als Zeichen einer schwindenden Bereitschaft zum Eskalationskurs gedeutet wurde. Ein Signal: Die USA möchten verhandeln, nicht mehr eskalieren. Und sie erwarten, dass Europa seine sicherheitspolitischen Fragen endlich eigenständig beantwortet.
Strategische Lehren aus Washingtons Wende
Konflikt auf Augenhöhe: Die USA erkennen den Ukraine-Konflikt nicht länger als isolierten Krieg zwischen Russland und der Ukraine, sondern als direkten geopolitischen Konflikt zwischen den USA und Russland. Damit wird die Großmachtrolle Russlands de facto wieder anerkannt – ein Bruch mit der US-Politik seit 1990. Diese Anerkennung ist auch ein Eingeständnis früherer Fehler, etwa der einseitigen NATO-Osterweiterung und des Regimewechsels in Kiew 2014.
Die Ukraine als Objekt geopolitischer Planung: Die Ukraine wird als Instrument fremder Interessen betrachtet. Sie ist nicht eigenständiges Subjekt, sondern Objekt geopolitischer Strategie. Die USA sehen sich selbst als Teil des Problems – und daher als notwendigen Teil der Lösung. Der Mythos einer souveränen ukrainischen Entscheidung wird damit entlarvt – was viele in Europa nur zögerlich einsehen wollen.
Der Preis der Eskalation: Die Einsicht, dass ein Sieg über Russland in der Ukraine nicht zu erreichen ist, zwingt die USA zur Neuausrichtung. Ein militärischer Sieg ist illusorisch. Ein diplomatischer Ausgleich erscheint daher strategisch zwingend – auch im Hinblick auf die Konkurrenz mit China. Zwei Fronten gleichzeitig gegen Moskau und Peking sind auf Dauer nicht haltbar.
Ein neuer Deal in Sicht: Erste Elemente eines solchen Ausgleichs sind bereits umgesetzt: der Rückzug des US-Militärs, die diplomatische Entspannung und wirtschaftliche Perspektiven – sei es über Rohstoffe, Territorien oder gemeinsame Infrastrukturprojekte wie die Pipeline Nord Stream II. Auch ein künftiger Einstieg der USA in Konsortien mit Gazprom ist denkbar. Ein solcher Schritt würde die bisherigen Energieallianzen infrage stellen und könnte tiefgreifende Verschiebungen in der globalen Energiepolitik auslösen – mit Auswirkungen auf die EU, die eigene Versorgungssicherheit und ihre außenpolitische Glaubwürdigkeit.
Europa am Rand der Geschichte
Gleichzeitig versuchen die USA, die europäische Beteiligung an Waffenlieferungen zu stoppen. Frankreich und Großbritannien zeigen jedoch Widerstand – offenbar unter massivem Druck Washingtons. Deutschland verhält sich wie so oft abwartend und diplomatisch vage, während osteuropäische Staaten wie Polen und die baltischen Länder in Sorge vor einem Rückzug der USA ihre eigene militärische Aufrüstung intensivieren. In mehreren EU-Staaten mehren sich Stimmen, die eine eigenständige europäische Verteidigungsstruktur fordern, die nicht länger auf den Wohlwollen der USA angewiesen ist.
Zugleich beanspruchen die USA wirtschaftliche „Kriegsdividenden“ in Form seltener Erden, Öl oder Bodenschätze. Washington sondiert bereits im Hintergrund mögliche Beteiligungen an ukrainischen Infrastrukturprojekten sowie Exklusivrechte für Energieunternehmen bei künftigen Förderlizenzen in der Ostukraine. Sollte dies nicht gelingen, könnte ein wirtschaftlicher Ausgleich mit Russland erfolgen, etwa über gemeinsame Rohstoffförderung in der Arktis oder durch Investitionen in russische Energieprojekte mit amerikanischem Kapital.
Die militärische Neutralität der Ukraine ist ein zentraler Streitpunkt. Während Russland auf einer vertraglich fixierten Neutralität besteht, will Washington zumindest formell die Souveränität Kiews gewahrt wissen. China tritt zunehmend als möglicher Vermittler auf und bietet Sicherheitsgarantien für eine entmilitarisierte Ukraine an. Diese chinesischen Initiativen werden in Moskau vorsichtig begrüßt, während sie in Brüssel als weiterer Beleg für den Verlust westlicher Gestaltungsmacht gewertet werden.
Die EU hingegen wird aufgrund ihrer Voreingenommenheit und ihrer bisher einseitigen Parteinahme ausgeschlossen. In Brüssel wächst die Sorge, dass Europa in einem neuen Großmachtdeal geopfert wird – erneut. Diese Angst ist nicht unbegründet: Historisch gesehen war Europa selten Akteur, meist jedoch Objekt fremder Interessen. Der aktuelle Machtwandel könnte diese Ohnmacht erneut offenbaren, sollte es der EU nicht gelingen, eigene geopolitische Handlungsfähigkeit zu entwickeln.
Lehren aus Jalta und der Nachkriegsordnung
Historisch gesehen ist diese Entwicklung kein Novum. Schon bei der Jalta-Konferenz 1945 trafen die USA und die Sowjetunion grundlegende Entscheidungen über die europäische Ordnung – über die Köpfe Europas hinweg. Dabei ging es nicht nur um die militärische Kontrolle, sondern auch um wirtschaftliche Einflusssphären, ideologische Verankerung und langfristige Sicherheitsstrukturen. Die Staaten Europas wurden zu Spielbällen der Weltmächte, ihre Zukunft wurde im Interesse der Siegermächte geregelt. Der sogenannte Kalte Krieg war die Folge dieser Aufteilung und formte über Jahrzehnte die internationalen Beziehungen.
Auch heute bestimmen die USA erneut den Kurs – Europa bleibt Zuschauer. Anstatt aus der Geschichte zu lernen und die geopolitische Relevanz gemeinsamer europäischer Interessen zu erkennen, verharren viele europäische Staaten in einer Haltung des Abwartens oder der blinden Gefolgschaft. Selbst in sicherheitspolitischen Fragen, die das eigene Territorium betreffen, wird oft auf amerikanische Führung gehofft. Diese strukturelle Abhängigkeit verhindert die Entwicklung einer eigenständigen strategischen Kultur in Europa.
Damals wie heute ist Eigenständigkeit die Voraussetzung für Frieden. Doch Eigenständigkeit verlangt mehr als politische Willensbekundungen: Sie erfordert wirtschaftliche Unabhängigkeit, mediale Selbstbestimmung, strategische Autonomie und den Mut, eigene diplomatische Wege zu gehen – auch wenn sie nicht im Einklang mit der NATO oder den USA stehen. Nur so kann Europa verhindern, erneut zum Objekt fremder Interessen zu werden. Die historische Erfahrung von Jalta ist eine Mahnung, aber auch ein Auftrag zur Emanzipation.
Die Rückkehr der Geopolitik
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 versuchten die USA, eine „wertebasierte Ordnung“ durchzusetzen. Das Völkerrecht wurde durch hegemoniale Interessen ersetzt. Erste sichtbare Folge war der völkerrechtswidrige Angriff auf Jugoslawien. Biden versuchte 2022 eine Rückkehr zum Völkerrecht zu suggerieren – doch dieses war längst entwertet. Das UN-System ist schwer beschädigt. Nur ein globaler Ausgleich kann es wiederbeleben. Ein möglicher Ansatz wäre eine neue Konferenz unter Beteiligung aller relevanten Großmächte und neutraler Staaten, in Anlehnung an die Konferenz von Helsinki 1975, um verbindliche Sicherheitsgarantien und eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa und Eurasien auszuhandeln.
Die Osterweiterung der NATO, der wirtschaftliche Druck auf Russland und schließlich der Ukraine-Krieg folgten dem Ziel, Russland als Großmacht zu marginalisieren. Doch wie zuvor Napoleon, das Britische Empire oder Hitler-Deutschland unterschätzten auch die USA die Widerstandsfähigkeit und strategische Tiefe Russlands. Wer Moskau unterschätzt, spielt mit dem Feuer.
Russland und China: Neue Allianzen
Ein neuer Faktor ist die Annäherung zwischen Russland und China. Erstmals entsteht ein stabiler geostrategischer Ausgleich zwischen diesen beiden Mächten, der auf einem gemeinsamen Interesse an einer multipolaren Weltordnung basiert. Beide Staaten treten zunehmend als Gegengewicht zur westlich dominierten Weltpolitik auf, etwa durch Koordinierung im UN-Sicherheitsrat, gemeinsame Militärmanöver und engere wirtschaftliche Kooperation im Rahmen der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) sowie der Neuen Seidenstraße.
Auch wenn ihre Interessen nicht deckungsgleich sind – insbesondere im zentralasiatischen Raum, wo China wirtschaftlich dominiert und Russland sicherheitspolitisch präsent ist – so überwiegt derzeit die strategische Übereinstimmung gegenüber der gemeinsamen Herausforderung durch den Westen. Dieser Ausgleich schafft eine Grundlage für friedliche Koexistenz, wie sie einst die Blockfreiheit ermöglichte.
Für die USA ist diese Allianz eine Herausforderung, weil sie die globale Hegemonie Washingtons in Frage stellt und neue Handlungsspielräume für andere Staaten schafft. Für Europa jedoch bietet sich eine historische Chance: In einer Welt, in der sich Machtzentren verschieben, könnte Europa eine vermittelnde Rolle zwischen den Blöcken einnehmen – als friedliche Brücke, die sich nicht von einer Seite vereinnahmen lässt, sondern souverän eigene Interessen verfolgt. Dazu müssten allerdings alte Denkmuster abgelegt und neue außenpolitische Konzepte entwickelt werden, die nicht auf Konfrontation, sondern auf Dialog, Verständigung und strategische Ausgewogenheit setzen.
Ein Appell an Europas Souveränität
Der Krieg, den Biden entfesselte, war von Beginn an nicht zu gewinnen. Trumps Administration hat dies erkannt und versucht, Schaden zu begrenzen. Der Bruch mit der bisherigen Doktrin markiert nicht nur eine geopolitische Zäsur, sondern eröffnet auch einen Handlungsraum für Europa – sofern es bereit ist, diesen zu nutzen. Denn solange Europa seine Rolle als abhängiger Vasall der USA nicht hinterfragt und keine eigenständige Friedenspolitik entwickelt, droht ihm erneut das Schicksal des geopolitischen Schlachtfelds.
Ein neuer Friedenswille, eine neue europäische Souveränität – etwa durch den Aufbau eines eigenständigen europäischen Sicherheitsrates ohne transatlantische Vormundschaft, durch ein unabhängiges Vermittlungsangebot im Ukraine-Konflikt oder durch die Rückbesinnung auf die blockfreien Prinzipien, die einst Jugoslawien, Indien oder Schweden vertreten haben – sind überfällig. Europa könnte durch die Einrichtung eines diplomatischen Netzwerks mit regionalen Friedenszentren, den Aufbau gemeinsamer europäischer Verteidigungsstrukturen unabhängig von der NATO und eine offensive Friedensdiplomatie etwa in Form regelmäßiger Konferenzen mit Russland, China und Ländern des Globalen Südens seinen Einfluss zurückgewinnen.
Ein Ende der blinden Gefolgschaft gegenüber Washington ist notwendig, um außenpolitisch eigenständig zu agieren. Nur so kann ein neuer Kalter Krieg verhindert und ein wahrer Frieden in Europa erreicht werden. Der Weg dorthin wird weder kurz noch einfach sein, doch er ist alternativlos, wenn Europa nicht dauerhaft als Schauplatz fremder Machtinteressen herhalten will. Die geopolitische Zeitenwende verlangt nach einer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Emanzipation Europas – mutig, friedensorientiert und im Interesse der Völker.
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