Post in Uniform – Wie die Deutsche Post AG zur Kriegstreiberin wurde
Kriegslogistik in Gelb
Was hat ein DHL-Paketwagen im Kriegsgebiet verloren? Warum braucht die Bundeswehr DHL-Flüge? Und was hat das neue Postgesetz mit Spionageabwehr zu schaffen? Wer die Entwicklung der Deutschen Post AG seit der Privatisierung betrachtet, erkennt schnell: Hier wird nicht mehr nur Porto kassiert, hier wird Krieg gemacht – im Dienste der Monopole, auf Kosten der Arbeiterklasse.
Was einst ein öffentlicher Dienst für die Versorgung der Bevölkerung war, hat sich unter der neoliberalen Umstrukturierung zu einem Werkzeug der militärischen Logistik verwandelt. Der Wandel der Post steht beispielhaft für eine umfassendere Entwicklung: Die zivile Infrastruktur wird systematisch für Kriegszwecke umgewidmet, ohne dass dies öffentlich breit diskutiert oder demokratisch legitimiert wäre. Diese Militarisierung erfolgt schleichend, aber zielgerichtet – und findet ihren Ausdruck nicht nur in internationalen Einsätzen, sondern auch im Alltag der Beschäftigten.
Die Post ist nicht länger ein neutrales Instrument zur Versorgung der Bevölkerung, sondern ein aktiv eingesetzter Bestandteil des militärisch-industriellen Komplexes. Dies zeigt sich in der konkreten Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ebenso wie in Gesetzesänderungen, die Sicherheitsbehörden weitreichende Befugnisse geben. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung ist überfällig – sowohl aus Sicht der Friedensbewegung als auch aus gewerkschaftlicher Perspektive.
Von der Bundespost zur globalen Kriegslogistik
Noch in der alten Bundesrepublik war die Post ein Staatsbetrieb. Als Teil des staatsmonopolistischen Apparats hatte sie schon damals eine Funktion im Dienst des Kapitalismus. Ihre Aufgaben waren eng mit den Interessen der herrschenden Klasse verknüpft, sie diente nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Kontrolle, Überwachung und Ordnung im Innern. Doch mit der Welle der Privatisierungen in den 1990er Jahren wandelte sich die Rolle der Post radikal – nach außen scheinbar wirtschaftlich unabhängig, in Wahrheit jedoch noch enger mit den Interessen des Staates und seiner imperialistischen Kriegspolitik verflochten. Der Zugriff des Staates blieb, nur die Organisationsform änderte sich.
Ein entscheidender Schritt war der Kauf der US-amerikanischen Logistikfirma DHL durch die Deutsche Post im Jahr 2002. Mit diesem Schritt übernahm die Post nicht nur eine Marke, sondern auch deren direkte militärische Verbindungen. DHL war bereits tief eingebunden in die Logistik der US-Armee, insbesondere in den völkerrechtswidrigen Kriegen gegen den Irak und Afghanistan. Mit dem Kauf übernahm die Deutsche Post die Rolle als „Dienstleister“ für Krieg und Besatzung – etwa in Form täglicher Frachtflüge für das US-Militär in den Irak, die noch im Jahr 2004 mit bis zu 300 Tonnen pro Flug durchgeführt wurden. Bereits wenige Monate nach der Übernahme lieferte DHL unter anderem Post, Ausrüstung und Material für die Ölindustrie direkt in Kampfgebiete. Vor Ort musste DHL gepanzerte Fahrzeuge einsetzen. Zusätzlich wurde Sicherheitspersonal beschäftigt, um die Lieferungen in den gefährlichen Kriegsgebieten abzusichern und stellte ihre Infrastruktur damit in den Dienst der imperialistischen Weltordnung. Diese Verbindung sollte weitreichende Folgen haben – für die internationale Politik, für die Kriegführung und für die Rolle von Logistik im globalen Kapitalismus.
DHL: Logistiker des Terrors
In der Praxis betrieb DHL gepanzerte Fahrzeuge im Irak, flog tonnenweise Material ins Kriegsgebiet – nicht nur für zivile Zwecke, sondern auch direkt für das US-Militär. In den Jahren 2004 und 2005 stiegen die Transportflüge in den Irak auf bis zu vierzehn pro Tag, mit jeweils bis zu 300 Tonnen Fracht. Die Belegschaft vor Ort wuchs auf 138 Beschäftigte, viele davon ehemalige Militärs. Die Fracht bestand aus allem, was Armeen und Konzerne im besetzten Land benötigten: Ausrüstung, Ersatzteile, Kommunikationsmittel – und jede Menge Material für die Ausbeutung der Ölindustrie. Sogar der Transport von Feldpost für die Truppen gehörte zum Angebot.
Diese Art der Kriegslogistik wurde zum Geschäftsmodell. Allein im Jahr 2004 verdiente DHL Schätzungen zufolge mehrere hundert Millionen Euro an Transportdienstleistungen für das US-Militär. Diese Aufträge wurden nicht nur durch das Pentagon, sondern auch durch private Sicherheitsfirmen vergeben – ein lukratives Geschäftsfeld, das auf Dauer angelegt war und sich bis in andere Kriegsgebiete ausweitete. DHL, Tochter der Deutschen Post AG, wurde damit zum direkten Profiteur der imperialistischen Kriege. Im Windschatten des US-Militärs sicherte man sich Aufträge, Märkte, Einflusszonen – und machte Kasse. In dieser neuen Weltordnung sind die Grenzen zwischen Wirtschaft und Krieg aufgehoben. Konzerne wie DHL agieren als Akteure im geopolitischen Machtspiel. Sie nutzen staatliche Strukturen, Aufträge und Protektion, um ihre Gewinne zu maximieren – selbst wenn diese Gewinne mit Blut bezahlt werden.
Leipzig/Halle – Der militärische Umschlagplatz der NATO
Einer der sichtbarsten Orte dieser Militarisierung ist der Flughafen Leipzig/Halle. Auf den ersten Blick ein normales Drehkreuz für den Luftfrachtverkehr, dient er in Wirklichkeit als logistische Plattform für NATO-Staaten – unter wesentlicher Beteiligung von DHL. Bereits 2005 verlegte DHL sein europäisches Luftdrehkreuz nach Leipzig/Halle. Parallel dazu begannen Bundeswehr, NATO und EU mit dem Ausbau militärischer Lufttransportkapazitäten – etwa durch das SALIS-Programm, das speziell den Einsatz großer Transportflugzeuge wie der Antonow AN-124 für NATO-Missionen vorsieht. Laut Angaben des Bundesverteidigungsministeriums war Leipzig/Halle einer der zentralen Knotenpunkte, über den Ausrüstung, Fahrzeuge und Versorgungsgüter in verschiedene Einsatzgebiete verlagert wurden im Rahmen des Programms „SALIS“ (Strategic Airlift Interim Solution). Diese Umstrukturierung war kein Zufall, sondern folgte einer systematischen Strategie der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“.
Die Deutsche Post wurde beauftragt, für die Bundeswehr weltweit Ausrüstung, medizinisches Material, Dokumente und Versorgungsgüter zu transportieren. Grundlage dafür waren unter anderem Rahmenverträge, die im Jahr 2002 geschlossen wurden. Sie umfassten laut Auskunft der Bundesregierung unter anderem Expresssendungen, Feldpostversorgung und dringenden Sofortbedarf wie Medikamente und Ersatzteile. Diese Vereinbarungen wurden nach öffentlichen Ausschreibungen geschlossen und bestätigen die institutionalisierte Rolle von DHL als Teil der militärischen Logistikstruktur. Zwar betont die Bundesregierung, es handele sich dabei um „zivilrechtliche Verträge“, doch das ändert nichts an der Tatsache: DHL liefert für den Krieg – im Auftrag der Bundeswehr, im Dienst der NATO, bezahlt vom Steuerzahler. Zudem profitiert die Deutsche Post AG von millionenschweren Subventionen und Infrastrukturprogrammen – alles unter dem Deckmantel „Sicherheit“.
Die Heimatfront im Innern: Feldpost und Soldatenvermittlung
Doch damit nicht genug. Die Militarisierung betrifft nicht nur internationale Logistik, sondern reicht tief in den Betrieb hinein. In einer Vereinbarung mit der Bundeswehr übernahm die Deutsche Post AG ab 2017 Aufgaben der Personalvermittlung: Soldaten, die ihren Dienst beenden, werden an die Post vermittelt, um dort als Paketboten zu arbeiten. Gleichzeitig bearbeiten Postbeschäftigte als Reservisten die Feldpost der Bundeswehr – vor Ort an den Stützpunkten, aber auch in Deutschland. Offiziell geht es um „Disziplin“ und „Motivation“ der Truppe – so heißt es etwa in einem Erfahrungsbericht eines Postmitarbeiters und Reservisten: „Wenn die Briefe aus der Heimat ankommen, sieht man es den Kameraden sofort an – es hebt die Stimmung, gibt Kraft. Das ist oft wichtiger als jede neue Ausrüstung.“ Solche Aussagen zeigen, wie zentral die psychologische Komponente der Feldpost für die Aufrechterhaltung der Kampfmoral ist. – in Wirklichkeit geht es um militärische Kontrolle über Kommunikation und die Bindung ziviler Ressourcen an den Kriegsapparat. Die Nähe zu Truppenübungsplätzen, der direkte Zugriff auf Kommunikationstechnik und die Ausbildung von Beschäftigten in militärischer Disziplin sind Elemente einer systematischen Verschmelzung.
Der „Feldpostpool“ umfasst laut Bundeswehr rund 500 Beschäftigte – wie die Bundeswehr selbst auf ihrer Webseite mitteilt: „Im Inland kümmern sich rund 500 Feldpostsoldaten und Reservisten der Deutschen Post AG um die Versorgung der Truppe mit Briefen und Paketen.“ Gesteuert wird diese Kooperation von einem Offizier im Reserve-Dienstgrad – dem „Feldpostbeauftragten der Deutschen Post AG“. Die Grenze zwischen ziviler Tätigkeit und militärischer Einsatzbereitschaft ist längst aufgehoben. Die Post ist somit ein Rückgrat der sogenannten „Heimatfront“ – und damit ein Werkzeug der Mobilmachung im Innern. In Zeiten wachsender globaler Spannungen, möglicher Kriegsszenarien mit Russland oder China, ist diese Einbindung besonders gefährlich.
Das neue Postgesetz: Briefgeheimnis war gestern
Mit dem neuen Postgesetz verschärft sich die Situation noch weiter. Es stärkt die Zusammenarbeit zwischen Postdiensten und den sogenannten Sicherheitsbehörden, lockert das Briefgeheimnis und ermöglicht tiefgreifende Überwachungsmaßnahmen – etwa durch sogenannte „G10-Maßnahmen“, benannt nach Artikel 10 des Grundgesetzes. Postmitarbeiter sollen auf ihre „Zuverlässigkeit“ überprüft werden, dürfen im Zweifel sogar Grundrechte außer Kraft setzen. Ein Schritt zur totalen Kontrolle – im Namen der Spionageabwehr, in Wahrheit zur Stabilisierung der Heimatfront.
Besonders brisant: Die Maßnahmen erfolgen unter dem Vorwand der Terrorabwehr, dienen jedoch vor allem dem Erhalt der inneren Ordnung und der Kriegsbereitschaft. Wer sich dem verweigert, riskiert Repression. Die Militarisierung der Post ist also auch ein Instrument zur Disziplinierung der Belegschaften, zur Einschüchterung und zur Durchsetzung politischer Linientreue.
Die Post gehört entmilitarisiert!
Was hier sichtbar wird, ist die komplette Unterordnung eines einstigen öffentlichen Dienstes unter die Interessen des Militarismus und der Monopole. Der gelbe Riese ist heute nicht mehr neutraler Dienstleister, sondern aktiver Bestandteil des imperialistischen Kriegsapparats. Die Beschäftigten der Post – viele von ihnen selbst Arbeiterkinder – werden eingespannt in die Logistik des Krieges, ob sie wollen oder nicht. Es geht längst nicht mehr um Briefe oder Pakete – es geht um die systematische Umfunktionierung eines ganzen Konzerns zum Werkzeug imperialistischer Herrschaft.
Dagegen müssen wir Widerstand organisieren. In den Betrieben, in den Gewerkschaften, in den sozialen Bewegungen. Keine Post für den Krieg! Kein Paket für die Bundeswehr! Statt Kriegslogistik brauchen wir Solidarität – mit den unterdrückten Völkern, mit den lohnabhängigen Kolleginnen und Kollegen in aller Welt, und mit all jenen, die sich dem Imperialismus entgegenstellen.
Die Post darf kein Kriegstreiber sein – sondern muss wieder zu einem Instrument gesellschaftlicher Versorgung werden. Dazu gehört ihre vollständige Entflechtung von militärischen Strukturen, die Kündigung aller Verträge mit Bundeswehr und NATO sowie die Rückkehr zu einem öffentlichen Postwesen unter demokratischer Kontrolle. Postdienste müssen der Allgemeinheit dienen, nicht der Kriegsführung. Eine entmilitarisierte Post bedeutet auch: faire Arbeitsbedingungen, zivile Ausbildung und ein klares Nein zu jeder Zusammenarbeit mit dem militärisch-industriellen Komplex. Unsere Solidarität gehört denen, die sich dem widersetzen – vor allem den Postbeschäftigten, die sich gegen die militärische Vereinnahmung ihres Berufsalltags wehren. Wir rufen die Gewerkschaften und Betriebsräte auf, diese Entwicklung nicht länger hinzunehmen und gemeinsam mit der Friedensbewegung konkrete Schritte zur Entmilitarisierung der Post einzuleiten. – im Betrieb, auf der Straße und weltweit.