50 Jahre Verrat: Wie der Westen den Helsinki-Frieden zerschlug
Der „Geist von Helsinki“ ist tot –
Europa dient nur noch als Werkzeug im US-Kriegskurs
Europa dient nur noch als Werkzeug im US-Kriegskurs
Am 1. August 1975 unterzeichneten 35 Staaten – darunter die Sowjetunion, die DDR, Polen, Jugoslawien, Frankreich, Italien, die USA und Kanada – in der finnischen Hauptstadt Helsinki ein Dokument von historischer Tragweite: die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Sie war das Ergebnis jahrelanger diplomatischer Arbeit, an der nicht nur die beiden großen Machtblöcke beteiligt waren, sondern auch zahlreiche blockfreie Staaten, die ihre Interessen zwischen den Fronten zu wahren suchten und dem Prozess wichtige Impulse gaben. Sie schuf eine scheinbare Grundlage für den Frieden in Europa – durch die gegenseitige Anerkennung der Nachkriegsgrenzen, das Bekenntnis zu Gewaltverzicht und Zusammenarbeit sowie die Anerkennung zweier Systeme: des sozialistischen und des imperialistischen Lagers.
Fünfzig Jahre später ist von dieser Vision nichts geblieben. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde das Gleichgewicht zwischen den Blöcken systematisch aufgelöst. Die NATO expandierte gen Osten, westliche Institutionen vereinnahmten ehemalige sozialistische Länder, und die USA etablierten eine unipolare Weltordnung unter ihrer Kontrolle. Statt der in Helsinki festgelegten Koexistenz regiert seither ein System der Einmischung, Sanktionen und Regimewechsel. Die Prinzipien von Gewaltverzicht und Souveränität wurden untergraben – deutlich sichtbar in der aggressiven Zerschlagung Jugoslawiens durch NATO-Bombardements 1999, der völkerrechtswidrigen Invasion des Irak 2003 sowie der imperialistischen Intervention in Libyen 2011, die ganze Staaten in Chaos und Elend stürzten – ausgerechnet von jenen, die sie einst lautstark verteidigten. Der sogenannte „Geist von Helsinki“ wurde nicht nur verraten. Er wurde systematisch zerstört, zerschlagen, verdrängt und ausgelöscht. Wer war es, der den Friedensplan torpedierte? Es war der Imperialismus – sichtbar spätestens ab 1999, als die NATO ohne UN-Mandat Jugoslawien bombardierte und damit offen gegen das Prinzip der Nichteinmischung verstieß – allen voran der US-Imperialismus mit seinem NATO-Militärblock, seinem Lügenapparat und seinem unstillbaren Hunger nach Weltherrschaft.
Imperialistische Zerschlagung der europäischen Sicherheitsordnung
Nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 witterte das US-Imperium seine Chance, Europa zur bloßen Werkzeugkiste für seine Kriege und Raubzüge umzubauen. Die Charta von Paris, ein Nachklapp der KSZE, versuchte noch den Anschein zu wahren, es gebe so etwas wie eine „gemeinsame europäische Ordnung“. In ihr wurden Demokratie, Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Unverletzlichkeit von Grenzen erneut bekräftigt – ein Bekenntnis zur Überwindung der Blockkonfrontation. Doch diese Prinzipien blieben leere Versprechen, sobald sich die Machtverhältnisse zu Gunsten des Westens verschoben hatten. Der Westen nutzte die Nachfolgeinstitution OSZE – also die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – zunehmend als Waffe gegen unerwünschte Staaten. Statt Kooperation wurde die OSZE zum Durchsetzungsinstrument westlicher Hegemonie, zur Rechtfertigungsmaschine für Sanktionen, Putschunterstützung und Wahlmanipulationen.
Hinzu kommt: Die militärstrategische Doktrin der NATO wurde vollständig umgeformt – sichtbar etwa im Einsatz in Afghanistan ab 2001 oder im Bombenkrieg gegen Libyen 2011, bei dem die Allianz ihre angebliche Schutzfunktion endgültig zur globalen Interventionsmacht transformierte. Die alte Verteidigungsrhetorik wich einer offensiven, globalisierten Interventionsstrategie. Die USA begannen, sogenannte „Koalitionen der Willigen“ zu schmieden, wobei die OSZE bestenfalls noch als diplomatische Kulisse herhalten durfte. Die Rolle Europas wurde dabei immer marginaler – etwa im Libyen-Krieg 2011, als Frankreich und Großbritannien unter US-Führung agierten und die EU-Institutionen weitgehend passiv blieben oder sich hinter NATO-Entscheidungen versteckten. Europas Beitrag bestand zunehmend in der Legitimierung, Finanzierung und Bereitstellung von Ressourcen für imperiale Kriegsabenteuer.
Die NATO rückte unter Bruch aller Zusagen Schritt für Schritt an die russischen Grenzen vor – Zusagen, die Anfang der 1990er-Jahre unter anderem dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow mündlich gemacht wurden, etwa dass sich die NATO „keinen Zentimeter nach Osten“ ausdehnen werde. Die westlichen Führer – ob Clinton, Bush, Obama, Trump oder Biden – kannten kein Halten. Zwar unterschieden sich ihre außenpolitischen Strategien im Ton und in der Taktik: Clinton und Obama setzten stärker auf multilaterale Rhetorik, Bush auf offene militärische Dominanz, Trump auf ökonomischen Druck und Unilateralismus, Biden auf eine ideologische Frontstellung. Doch alle führten die imperialistische Linie der Ausdehnung, Umzingelung und Einmischung konsequent weiter. Der Versuch Russlands, sich nach dem Chaos der Jelzin-Jahre als eigenständige Macht zu behaupten, wurde durch eine systematische Umzingelung beantwortet. Diese Entwicklungen mündeten in einen eklatanten Bruch mit der einst angestrebten friedlichen Koexistenz. Statt Gleichgewicht – Konfrontation. Statt Frieden – Aufrüstung. Statt Partnerschaft – Bedrohung.
Europa: Vom Subjekt zum Objekt imperialistischer Pläne
Heute ist das Europa der Helsinki-Zeit kaum wiederzuerkennen. Damals war der Kontinent geprägt vom Ost-West-Gegensatz, aber auch von Bemühungen zur Entspannung, zur Abrüstung und zur Wahrung des Friedens durch diplomatische Kanäle. Die KSZE war Ausdruck eines politischen Gleichgewichts, das trotz aller Widersprüche den Respekt vor nationaler Souveränität und die friedliche Koexistenz zwischen den Blöcken in den Mittelpunkt stellte. Die Völker Europas haben keinerlei Kontrolle mehr über die eigene Sicherheitspolitik. In Brüssel gehorcht man Washingtons Befehl, in Berlin wird im Gleichschritt marschiert. Der Frieden? Ein frommer Wunsch, der im Namen „europäische Sicherheit“ bestenfalls noch als Floskel herhält.
Wie Fjodor Lukjanow in seinem Beitrag für die Rossijskaja Gazeta richtig feststellt, existiert der Begriff „europäische Sicherheit“ nicht mehr. Europa ist nur noch ein Absatzmarkt für US-Waffen, ein Truppenaufmarschgebiet – legitimiert von europäischen Regierungen mit Verweisen auf „kollektive Verteidigung“, „transatlantische Partnerschaft“ und die angebliche Verteidigung westlicher Werte. Durch permanente Stationierung von US-Verbänden in Polen, Rumänien und im Baltikum im Rahmen der NATO-„Enhanced Forward Presence“ wird Europa zum Aufmarschfeld für den Kriegskurs gegen Russland und China – und zur Sendeplattform für NATO-Propaganda. Die OSZE dient – wenn überhaupt – noch dazu, einen Hauch von „Legitimität“ zu erzeugen. Doch selbst das wird zunehmend überflüssig: Die USA pfeifen auf Absprachen, Institutionen und internationales Recht. Sie setzen auf Gewalt, Sanktionen, Erpressung – und auf eine willfährige, gleichgeschaltete EU-Elite.
Zudem wird die sogenannte „europäische Solidarität“ zunehmend zur Tarnung für ökonomische Unterwerfung genutzt – etwa durch die erzwungene Aufgabe von Nord Stream 2, die Übernahme des US-amerikanischen Huawei-Boykotts oder die einseitigen Industrie-Subventionen im Rahmen des US-Inflation Reduction Act, die europäische Märkte und Standards untergraben. Energiepolitik, Industriepolitik und digitale Infrastruktur werden auf Washingtons Linie gezwungen. Europa verliert nicht nur geopolitisch, sondern auch technologisch und kulturell an Eigenständigkeit.
Das neue Ziel der USA: Krieg gegen China – Europa als Bauernopfer
Europa ist für die USA längst ein sekundäres Operationsfeld – der Aufbau des neuen U.S.-Hauptquartiers „INDOPACOM“ auf Hawaii, die gezielte Aufrüstung taiwanesischer Kräfte und die regelmäßigen US-Marineeinsätze im Südchinesischen Meer zeigen, wo der eigentliche Fokus liegt. Der wachsende Einfluss Chinas – ökonomisch, technologisch, geopolitisch – bedroht die einst unangefochtene Vormachtstellung des Westens. Deshalb wird aufgerüstet, mobilisiert, provoziert. Europa spielt dabei nur noch die Rolle des verlängerten Schlachtfelds: Sanktionen gegen Russland sollen Peking treffen. Militärübungen in Nordeuropa, wie das NATO-Großmanöver „Nordic Response“ 2024 in Norwegen und Finnland, sollen Signalwirkung für Asien entfalten. Jeder europäische Konflikt – vom Donbass bis zum Südkaukasus – wird zur Schablone für die globale Konfrontation hochgejazzt.
Ein besonders bezeichnendes Beispiel liefert der im Frühjahr 2025 von US-Diplomaten in Eriwan und Washington diskutierte Vorschlag eines US-Korridors durch Armenien, einem geopolitisch sensiblen Gebiet zwischen Russland, Iran und der Türkei, das eine wichtige Transitfunktion im eurasischen Raum erfüllt, der von einer privaten amerikanischen Militärfirma kontrolliert werden soll. Ziel dieses Korridors ist es, die Kontrolle über zentrale Energie- und Transportverbindungen im Südkaukasus zu sichern, geopolitischen Einfluss zu gewinnen und zugleich Russland und Iran strategisch zu umgehen. Was wie eine absurde Idee klingt, entlarvt die imperialistische Strategie: Staaten sollen durchlöchert, Souveränität aufgehoben, private Militärgewalt normalisiert werden. Es geht um nichts weniger als das Ende jeglicher internationaler Ordnung – außer der des Stärkeren.
Auch wirtschaftlich verschärft sich der Kurs: Der Wirtschaftskrieg gegen China betrifft längst auch europäische Firmen, Zulieferketten und ganze Industrien. Washington diktiert, wer mit wem Handel treiben darf, wer Zugang zu Technologie bekommt, wer im Namen „nationaler Sicherheit“ ausgeschlossen wird. Europa bezahlt den Preis – ökonomisch wie politisch. Während Regierungen wie die in Deutschland oder Frankreich sich weitgehend anpassen und transatlantische Disziplin wahren, wächst zugleich das Unbehagen in Teilen der Industrie. Erste Stimmen aus der deutschen Exportwirtschaft und dem französischen Energiesektor fordern offen eine selbstständigere Politik gegenüber China – bislang jedoch ohne sichtbaren Einfluss auf den offiziellen Kurs der EU.
Der Sozialismus war das Gegengewicht – heute fehlt es
All das geschieht, weil das Gleichgewicht zerstört wurde. Die sozialistische Weltordnung, mit der Sowjetunion als führender Kraft, war der Garant für die Einhaltung der Prinzipien von Helsinki. Es gab zwar Konkurrenz – aber auch Regeln. Es gab Systemgegensätze – aber auch Verständigung. Heute ist das Gleichgewicht zerschlagen. Der westliche Imperialismus kennt keine Gegenmacht, keine rote Linie, keinen Kompromiss. Nur Russland und China stellen sich – in unterschiedlicher Weise – dieser Barbarei entgegen. Russland widersetzt sich dem westlichen Vormachtanspruch militärisch und diplomatisch, unter anderem durch die Unterstützung souveräner Staaten wie Syrien und seine Beteiligung an multilateralen Sicherheitsstrukturen wie der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS). China wiederum betreibt gezielt eine alternative Weltwirtschaftsordnung mit Initiativen wie der Neuen Seidenstraße (BRI), setzt auf technologischen Eigenkurs und baut multilaterale Kooperationen im Globalen Süden aus, etwa über die BRICS-Staaten.
Doch der Sozialismus als organisierende Weltidee ist geschwächt. Die historische Niederlage 1989/91, der Verlust realsozialistischer Staaten in Europa und die ideologische Offensive des Neoliberalismus haben die internationale Arbeiterbewegung geschwächt. Auch in der kommunistischen Bewegung bestehen strategische Uneinigkeit und organisatorische Zersplitterung. Notwendig wäre eine internationale Vernetzung klassenkämpferischer Kräfte, eine ideologische Rückbesinnung auf den Marxismus-Leninismus sowie eine enge Verbindung zur konkreten sozialen Bewegung – von Streiks über Umweltproteste bis hin zur Friedensbewegung. Deshalb tobt das Chaos. Deshalb ist auch Europa so schutzlos.
Ein neuer revolutionärer Internationalismus ist nötig – einer, der sich vom früheren proletarischen Internationalismus unterscheidet, aber auf seinen Erfahrungen aufbaut. Während in der Vergangenheit die kommunistische Internationale als strukturierte Organisation mit klarer Zentralität agierte, muss der heutige Internationalismus dezentraler, flexibler und breiter aufgestellt sein. Er muss neue soziale Bewegungen, antikoloniale Kämpfe, klassenbewusste Gewerkschaften und progressive Kräfte aus dem Globalen Süden einbinden. Zentral bleibt dabei das gemeinsame Ziel: die Überwindung des Imperialismus durch eine weltweite sozialistische Umgestaltung. Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts muss eine Antwort auf globale Ausbeutung, Umweltzerstörung und Militarismus zugleich sein.
Was tun? Kämpfen für eine neue Friedensordnung der Völker
Was folgt daraus? Wir dürfen uns nicht länger von westlichen Institutionen täuschen lassen. Die OSZE ist nicht mehr reformierbar. Die EU ist ein Vasall Washingtons. Die NATO ist ein Angriffsbündnis. Die westlichen Medien sind gleichgeschaltet. Die Völker Europas müssen sich selbst befreien – aus dem Würgegriff des US-Imperialismus, aus der NATO, aus der neoliberalen Diktatur des Kapitals.
Der Weg zum Frieden führt nicht über Appelle an verfallene Institutionen, sondern über Widerstand. Die Friedensbewegung muss wieder zu einer Bewegung gegen den Imperialismus werden – wie in den 1980er-Jahren, als Millionen Menschen in der Bundesrepublik und der DDR gegen den NATO-Doppelbeschluss auf die Straße gingen, wie während der Proteste gegen den Irakkrieg 2003 oder bei der massenhaften Mobilisierung gegen Atomwaffen in Großbritannien und Frankreich. Diese Beispiele zeigen, dass organisierter Widerstand Wirkung entfalten kann – wenn er sich klar gegen das imperialistische System richtet und internationale Solidarität in den Mittelpunkt stellt. Russland und China dürfen nicht die Feinde sein – sondern mögliche Partner für eine gerechtere Weltordnung.
Helsinki war ein Hoffnungsschimmer. Aber Frieden gibt es nicht durch Worte allein. Frieden braucht Kraft. Und die kommt nur aus der Organisation der arbeitenden Massen, der Völker, der Jugend – im Kampf für eine neue, sozialistische Ordnung der Welt.
Darum: Schaffen wir neue Formen des Widerstands – lokal, national und international. Gründen wir Friedenskomitees in den Betrieben und Wohnvierteln. Vernetzen wir uns über Grenzen hinweg. Erklären wir die NATO und ihre Lakaien zu dem, was sie sind: Brandstifter und Feinde des Volkes. Und setzen wir dem eine klare Perspektive entgegen: die Volksmacht, den Sozialismus, den Weltfrieden.
Für eine neue Konferenz der Völker! Für den Austritt aus NATO und EU!