Chile vor 55 Jahren – Wahlsieg der Unidad Popular
4. September 1970 · 1000 Tage bis 11. September 1973
Ein demokratischer Aufbruch wagt die Umverteilung von Macht und Eigentum: Verstaatlichung strategischer Sektoren, Agrarreform, soziale Rechte und Mitbestimmung von unten. Oligarchie, große Medien und ausländische Interessen antworten mit Wirtschaftskrieg, Sabotage und Putschvorbereitung. Die 1000 Tage in Chile sind Lehrstück und Auftrag für heutige Kämpfe um Souveränität, Frieden und soziale Gerechtigkeit.
Chronologie 1964–1973 (Kurzüberblick)
1964: Wahl Eduardo Frei Montalva (Christdemokraten), „Revolution in Freiheit“. Teilreformen.
1967–1969: Verschärfung der sozialen Konflikte; Aufstieg der Linken.
4. Sep 1970: Allende siegt an der Spitze der Unidad Popular.
Okt 1970: Attentat auf General René Schneider (verfassungstreu) – tödlich.
11. Juli 1971: Verstaatlichung der großen Kupferminen (Konsens im Kongress).
1972: Landesweiter Lkw‑Streik, Versorgungskrise durch organisierte Sabotage; Bildung erster Cordones industriales.
Frühjahr 1973: Zuspitzung; Investitionsstreik, Terrorakte, Putschvorbereitung.
11. Sep 1973: Militärputsch; Beginn der Diktatur.
1964: Wahl Eduardo Frei Montalva (Christdemokraten), „Revolution in Freiheit“. Teilreformen.
1967–1969: Verschärfung der sozialen Konflikte; Aufstieg der Linken.
4. Sep 1970: Allende siegt an der Spitze der Unidad Popular.
Okt 1970: Attentat auf General René Schneider (verfassungstreu) – tödlich.
11. Juli 1971: Verstaatlichung der großen Kupferminen (Konsens im Kongress).
1972: Landesweiter Lkw‑Streik, Versorgungskrise durch organisierte Sabotage; Bildung erster Cordones industriales.
Frühjahr 1973: Zuspitzung; Investitionsstreik, Terrorakte, Putschvorbereitung.
11. Sep 1973: Militärputsch; Beginn der Diktatur.
Ein Signal an die Welt
Am 4. September 1970 errang Salvador Allende an der Spitze der Unidad Popular einen knappen, aber welthistorischen Wahlsieg. In einem von Oligarchie, ausländischem Kapital und militärischem Machtapparat geprägten Land öffnete sich eine Tür: der Versuch, auf verfassungsmäßigem Wege einen grundlegenden gesellschaftlichen Umbau voranzutreiben. Dieser Aufbruch war mehr als ein Regierungswechsel. Er war das Versprechen, die reale Macht der Reichen zu brechen, die Volkssouveränität zu stärken und die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der arbeitenden Mehrheit auszurichten.
Der „chilenische Weg“ – wachsendes Vertrauen in demokratische Beteiligung, verfassungsmäßige Reformschritte und die schöpferische Initiative der Betriebe und Stadtteile – löste weltweit Hoffnung aus. 1000 Tage hielt dieses Experiment, ehe der Putsch vom 11. September 1973 ihn in Blut ertränkte. Doch der Versuch lebt fort: als Lehrbuch der Befreiung wie der Konterrevolution, als Mahnung und als Anleitung.
Historischer Hintergrund: Von der „Revolution in Freiheit“ zur Volksregierung
Die 1960er Jahre in Chile waren von raschem sozialen Wandel und harter Polarisierung geprägt. Die Landfrage war zentral: Kurz vor Beginn der Reformen konzentrierten 1,4 % der landwirtschaftlichen Betriebe rund 63,2 % der Fläche, während am anderen Ende unzählige Kleinparzellen kaum zum Überleben reichten. In der Zentralzone vereinten 9 % der Betriebe etwa 74 % der bewässerten Flächen; zugleich galten rund 11 Mio. ha als potenziell kultivierbar, wovon nur ca. 2 Mio. ha tatsächlich genutzt wurden. Diese strukturelle Unterentwicklung – Latifundien, Inquilinaje, halbfeudale Abhängigkeiten – bildete den Hintergrund für die politische Zäsur.
Frei‑Ära (1964–1970): „Revolution in Freiheit“, Chilenisierung und erste Agrarreform. Mit dem Agrarreformgesetz von 1967 (Erweiterungen auf Basis vorangegangener Gesetze) wurden bis 1970 ca. 1.400 Großgüter mit insgesamt rund 3,5 Mio. ha enteignet; zugleich entstanden ~400 Bauerngewerkschaften mit über 100.000 Mitgliedern. Parallel setzte die Regierung auf die Chilenisierung des Kupfers: 1967–1969 erwarb der Staat u. a. 51 % an El Teniente (Kennecott) – Kaufpreis 80 Mio. US‑Dollar (bar, 1967–1970) plus ein 92‑Mio.‑US‑Dollar‑Darlehen zur Erweiterung – sowie 25 % an neuen Anaconda‑Projekten (Andina, Exótica) und 25 % an Cerro‑Vorhaben; flankiert von Investitionszusagen (insgesamt mehrere hundert Mio. US‑Dollar, u. a. auch durch Exim‑Kredite). Diese verhandelte Teil‑Verstaatlichung beließ den Konzernen Management‑Hebel und legte lange Kaufzeiträume fest.
Unidad‑Popular (1970–1973): demokratischer Bruch mit der Eigentumsordnung. Am 11. Juli 1971 beschloss der Kongress einstimmig eine Verfassungsreform zur Vollverstaatlichung der Großkupferminen (später als Gesetz 17.450 umgesetzt) – ein nationaler Feiertag als „Tag der Würde“. Damit wechselte Chile von Minderheitsbeteiligungen zu öffentlicher Kontrolle über den Sektor der Großkupferminen. Zugleich wurde die Agrarreform massiv beschleunigt: Bis 1973 expropriierte die UP 4.403 Latifundien mit insgesamt rund 6 Mio. ha (etwa ein Fünftel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche) und band über 55.000 Landarbeiter in neue Produktions‑ und Besitzformen ein.
Kontrast in Zahlen: von Teilbeteiligungen (25–51 %) und ~3,5 Mio. ha Reformfläche (bis 1970) zu verfassungsrechtlicher Vollverstaatlichung und ~6 Mio. ha (1970–1973). Genau diese Verschiebung – Eigentum, Kontrolle, Tempo – erklärt die dramatische Zuspitzung der Klassenauseinandersetzung.
Die Unidad Popular: Bündnis, Programm, Mandat
Die Unidad Popular vereinte sozialistische, kommunistische, radikale, links‑christliche und weitere Kräfte. Ihr Programm setzte auf drei ineinandergreifende Achsen: erstens die Demokratisierung des politischen Lebens, zweitens die Umwandlung der Wirtschaftsstruktur zugunsten einer planbaren, öffentlichen Kernzone, drittens soziale Rechte als materielle Grundlage der Freiheit. Es ging um die Überführung strategischer Sektoren – Kupfer, Nitrat, Kohle, Stahl, Energie, Banken – in gesellschaftliche Verantwortung; um Agrarreform mit entschädigungsfreier Enteignung brachliegender Großgrundstücke; um Mieterschutz, Preisstabilisierung, Bildung, Gesundheit und Kultur für alle.
Allende verstand diese Schritte nicht als Endpunkt, sondern als Brücke: Der Staat sollte die Hebel der Volkswirtschaft unter öffentliche Kontrolle bringen, die Betriebe sollten an Mitbestimmung und Selbstverwaltung gewinnen, die Bevölkerung sollte als aktiver Akteur in Räten, Komitees und Basisorganisationen die neue Ordnung tragen. Nicht ein „starker Mann“, sondern die organisierte Bevölkerung sollte der Motor sein.
Die Kupferfrage: „Lohn Chiles“ gegen Konzernmacht
Das Kupfer war Herz der Auseinandersetzung. Jahrzehntelang bestimmten ausländische Monopole den Abbau, die Preise, die Investitionen und die Repatriierung der Profite. Mit der Verstaatlichung der großen Kupferminen wurde ein historischer Schritt vollzogen. Der chilenische Kongress trug diese Entscheidung mit. Die nationale Würde verband sich mit nüchterner Ökonomie: Jeder Dollar, der nicht mehr als Profit ins Ausland ging, konnte in Schulen, Kliniken, Wohnungen, Maschinenparks und Löhne fließen.
Die Reaktion ließ nicht auf sich warten: juristische Gegenangriffe, Kreditblockaden, internationale Medienkampagnen. Der Konflikt um das Kupfer machte sichtbar, was Abhängigkeit bedeutet – nicht nur militärisch, sondern in jedem Kredit, in jeder Ersatzteillieferung, in jedem Versicherungsvertrag von Frachtern. Plötzlich war jeder Maschinenstillstand, jede fehlende Pumpe, jedes nicht gelieferte Lager ein politisches Ereignis. So zeigte sich, wie tief die Einbindung in die Ketten des Weltmarktes war – und wie notwendig eigene industrielle Kapazitäten, Rohstoffverarbeitung und Ersatzteilfertigung sind.
Gesellschaftlicher Aufbruch: Brotpreise, Löhne und die Würde des Alltags
Die ersten Maßnahmen der Volksregierung wirkten unmittelbar in den Alltag der Bevölkerung hinein. Lohnsteigerungen und Sozialprogramme stützten die Kaufkraft, die Grundversorgung wurde ausgebaut, Kinder erhielten Milch, Mieten wurden eingefroren, Medikamente erschwinglicher. In Betrieben und Stadtteilen entstanden Komitees zur Versorgung und Preisaufsicht. In vielen Orten wurde aus passiver Verwaltung aktive Teilhabe: Bäckereien planten Mehlbedarf mit den Nachbarschaftskomitees, Busdepots legten Fahrpläne mit Arbeiterdelegierten fest, Krankenhäuser richteten Beschwerderäte ein, um die Behandlung nach Bedarf statt nach Geldbeutel zu organisieren.
Doch jede reale Umverteilung hat Gegner. Großhandel, Speditionsunternehmer und Spekulanten reagierten mit Zurückhaltung von Waren, Preissteigerungen, Lagerhaltung und organisiertem Chaos. Das Ziel war klar: Mangel als politische Waffe, um die Regierung zu diskreditieren. In der Praxis begegnete man dieser Sabotage mit Volkslagern, Direktbeziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten, mit Preiskomitees und Beschlagnahme von gehorteten Gütern. Die Erfahrung: Versorgung ist nicht nur Logistik, sondern Machtfrage.
Rolle der USA: Wirtschaftskrieg, verdeckte Operationen, Putscharchitektur
Die internationale Dimension des Konflikts war entscheidend. Washington verfolgte nach Allendes Wahlsieg eine Doppelstrategie: außenpolitische Isolierung und ökonomischer Druck, kombiniert mit verdeckter Unterstützung für Putschnetzwerke im Innern.
FUBELT / Track I & II
Unter dem Codenamen FUBELT wurden zwei Linien gefahren: Track I (politische Isolation, Kreditdrossel, diplomatischer Druck) und Track II (direkte Kontakte zu putschbereiten Offizieren, Logistik und Deckung für Umsturzoperationen). Ziel war, die Regierung zu lähmen und alternative Machtpole im Militär zu mobilisieren.
Operation gegen General Schneider
Im Oktober 1970 wurde der verfassungstreue Armeechef René Schneider Ziel einer Entführungsoperation, die tödlich endete. Die Ausschaltung der wichtigsten Garantfigur der Legalität sollte einen Ausnahmezustand provozieren und Allendes Bestätigung verhindern – ein Präzedenzfall für die spätere Eskalation.
„Make the economy scream“: Kredit‑ und Handelsknebel
Kredite staatlicher und privater Institute wurden reduziert, Versicherungen und Exportkreditagenturen zogen Deckungen zurück, Ersatzteil‑ und Maschinenlieferungen blieben aus. Juristische Angriffe transnationaler Konzerne flankierten die Drosselung. Die Devise war, die Volkswirtschaft unter finanziellen und logistischen Druck zu setzen, um politische Zustimmung zu erodieren.
Finanzierung von Lkw‑Streik und El Mercurio
Der landesweite Lkw‑Streik 1972/73 erhielt organisatorische und materielle Unterstützung; Treibstoff, Kommunikation und Gelder flossen in die Logistik der Blockade. Gleichzeitig wurden führende Medien – insbesondere El Mercurio – über verdeckte Kanäle gestützt, um eine anhaltende Kampagne gegen die Volksregierung zu fahren. So verbanden sich psychologische Kriegführung und ökonomische Sabotage.
Nach dem Putsch: Schutzschirm für die Schocktherapie
Nach dem 11. September 1973 öffneten internationale Finanzinstitutionen Kreditlinien, Beraternetzwerke trieben Privatisierungen und Deregulierungen voran. Die politische Repression erhielt einen ökonomischen Schutzschirm – ein Exportmodell der kommenden Jahrzehnte.
Gegenmacht und Gegenrevolution: Medien, Geld und Militär
Die Machtfrage zeigte sich nicht erst am 11. September 1973. Sie durchzog die 1000 Tage. Mächtige Tageszeitungen und Radioketten trommelten gegen den Aufbruch, Unternehmerverbände koordinierten Investitionsstreiks, die Oberschicht mobilisierte die Straße, während Teile der Mittelstände – verunsichert durch Lieferschwierigkeiten und drohende Umstellungen – sich der Hetze anschlossen. Ausländische Konzerne mischten sich direkt ein: über Lobby, Banken, Versicherungen, internationale Schiedsgerichte und die Drohung, Chile vom Weltmarkt auszuschließen. In diesem Klima wurden Gerüchte zur Munition, Panik zum Instrument, Schlagzeilen zur Waffe.
Im Inneren bereitete die Armeeführung den Putsch vor. Parallel lief die Untergrabung über Sabotage und paramilitärische Netzwerke. Die Lastwagenunternehmer streikten nicht als spontane Laune. Sie waren logistisches Rückgrat einer geplanten Destabilisierung. Hinter den Kulissen flossen Gelder, Waffen, Anweisungen. Spätestens mit den offenen Putschproben – vom organisierten Transportstreik bis zu bewaffneten Provokationen – war klar: Die Gegner würden nicht ruhen, ehe der Aufbruch gebrochen war.
Bewegung von unten: Cordones, Betriebsräte, Volksmacht
Der vielleicht kreativste Teil der chilenischen Erfahrung lag in den Initiativen von unten. In den Betrieben entstanden Koordinationsstrukturen – die sogenannten Cordones industriales – als Gegenpol zur Unternehmermacht und als Organ der Selbstorganisation. Arbeiter bewachten Maschinen, organisierten Ersatzteile, planten Produktion, sorgten für Verteilung. In den Vierteln schufen Nachbarschaftskomitees Versorgung, Kultur, Sicherheit und politische Bildung. Diese Strukturen verbanden die konkrete Lösung praktischer Probleme – Mehl beschaffen, Transporte sichern, Ersatzteile fräsen – mit politischer Schulung, Rechenschaft und demokratischer Kontrolle.
Diese Formen waren Keimzellen einer neuen Demokratie, die über die Wahlurne hinausgeht: unmittelbare Teilnahme, kollektive Planung, Transparenz. Sie standen zugleich im Spannungsverhältnis mit der klassischen Staatsverwaltung, den ministeriellen Routinen und den juristischen Grenzen des alten Apparats. Die Lehre: Wer neue Macht schafft, muss sie institutionell absichern, bevor die alte Ordnung sie zerdrückt.
Fehler: Legalität ohne Machtwechsel?
Der chilenische Weg setzte bewusst auf die Legalität der bestehenden Verfassung. Das war seine moralische Stärke – und sein strategischer Schwachpunkt. Eine Gesellschaftsordnung lässt sich nicht bloß per Gesetz transformieren, wenn die alten Machtzentren – Medienmonopole, Großkapital, militärischer Apparat – unangetastet bleiben. Die Volksregierung schuf neue Rechte, erhöhte Löhne, vergesellschaftete Schlüsselindustrien. Doch die Gegenmacht blieb organisiert, international vernetzt und entschlossen. Die Illusion, der alte Staatsapparat sei neutral, rächte sich. Das Militär, von den Eliten über Jahrzehnte geprägt, entschied sich im kritischen Moment gegen die Republik.
In dieser Spannung lag eine strategische Frage: Wie weit kann man gehen, ohne die Brücken der Legalität zu sprengen, und wie lange kann man warten, ohne dass die Gegner die Initiative gewinnen? Der Prozess zeigte, dass bloße Appelle an Verfassungstreue nicht reichen, wenn die Gegenseite längst an der Beseitigung der Verfassung arbeitet.
11. September 1973: Bomben über La Moneda
Der Putsch war kein Augenblicksereignis. Er war das Resultat jahrelanger Vorbereitung. Am 11. September dröhnten die Düsenjäger über Santiago, Artillerie und Panzer nahmen den Präsidentenpalast unter Feuer. Allende blieb an seinem Ort, verteidigte die verfassungsmäßige Ordnung und verabschiedete sich in einer letzten Rundfunkansprache vom Volk. Dieser Abschied war nicht Kapitulation, sondern Vermächtnis: Vertrauen in die Zukunft, in die schöpferische Kraft des Volkes, in die Gewissheit, dass Gerechtigkeit nicht auf Dauer bombardiert werden kann.
Mit dem Putsch brach eine 17‑jährige Militärdiktatur herein, die mit Brutalität und Systematik folterte, mordete, verbannte, Gewerkschaften zerschlug, Parteien verbot und Universitäten säuberte. Zugleich setzte sie ein ökonomisches Programm durch, das später weltweit als Blaupause dienen sollte: Privatisierungen, Zerschlagung öffentlicher Dienste, Ausverkauf von Rohstoffen, Freihandelsdogma und Disziplinierung der Arbeit. Der Stacheldraht um die Gefängnisse war die Kehrseite der freien Fahrt für Renditen.
Die politische Ökonomie des Putsches: Hinter dem Bajonett die Bilanz
Wirtschaft war der Kern. Die Verstaatlichung des Kupfers nahm den Konzernen die direkten Zugriffe. Die Agrarreform brach die überkommenen Machtverhältnisse auf dem Land. Die Bankenregulierung schnitt den Renditekanälen zu. All das widersprach den Interessen des Monopolkapitals, das mit dem Militär paktierte. Der Putsch stellte das Eigentum wieder her, indem er das Volk entrechtete.
Die Diktatur setzte die „Schocktherapie“ durch: Preisliberalisierung, Lohnkürzungen, Entlassungen, Zerschlagung kollektiver Rechte. Dabei wurde der Staat nicht kleiner, sondern neu ausgerichtet: stark in Repression und Gläubigerschutz, schwach in sozialer Versorgung. Diese Konterrevolution war kein Rückfall ins 19. Jahrhundert, sondern eine modernisierte Klassenherrschaft unter neoliberaler Flagge. Das Ergebnis war eine Gesellschaft, in der Märkte heilig, Gewerkschaften verdächtig und soziale Rechte zur Almosenverwaltung degradiert wurden.
Internationale Dimension: Einmischung, Abhängigkeit, Solidarität
Chile war nie eine Insel. Der Rohstoffreichtum machte das Land begehrenswert, seine strategische Lage am Pazifik ebenso. Der Aufbruch der Unidad Popular inspirierte Bewegungen weltweit – von Rom bis Havanna, von Paris bis Moskau. Zugleich rief er jene Kräfte auf den Plan, die sich an einem selbstbestimmten Chile rieben: Konzerne, Geheimdienste, Vasallenregime. Der Wirtschaftskrieg – über Kredite, Ersatzteile, Versicherungen, Transport – lief parallel zum Medienkrieg und zur militärischen Verschwörung.
Solidarität kam aus vielen Ländern, aus Betrieben, Universitäten, Schriftstellerzirkeln, Kirchen und Friedenskomitees. Musiker sangen gegen den Putsch, Studenten sammelten Spenden, Hafenarbeiter weigerten sich, Waffenlieferungen für die Junta zu löschen. Diese internationale Volkssolidarität ist eine der schönsten Seiten jener Jahre – und ein Vorbild für heutige Kämpfe gegen Kriegspolitik und Ausbeutung. Wer heute Sanktionen, Erpressung und Informationskrieg erlebt, erkennt in Chile ein frühes Kapitel derselben Methode.
Medienkrieg: Meinungsmacht als Waffe
Die chilenische Erfahrung zeigt: Wer die Schlagzeilen besitzt, formt die Wirklichkeit. Große Blätter führten eine Kampagne, die von Gerüchten über Versorgungschaos bis zur Dämonisierung der Volksregierung reichte. Jedes leere Regal wurde politisch instrumentalisiert. Jede Panne diente als „Beweis“ für die angebliche Unfähigkeit eines anderen Wirtschaftsmodells. Fernsehnachrichten schnitten, übertrieben, dramatisierten – und verschwiegen die Sabotage, die hinter mancher Knappheit steckte.
Die Antwort darauf konnte nicht im Nachlaufen hinter Medienhypes liegen, sondern in der Stärkung eigener Kommunikationskanäle: Betriebszeitungen, Stadtteilradios, Kulturhäuser, Theater, Liedermacher. Kultur war ein Kampffeld – und ein Raum der Hoffnung. Wer heute um Deutungshoheit ringt, braucht diese Erfahrung: Medienfreiheit ist mehr als das Recht, Zeitungen zu kaufen. Sie ist das Recht, selbst zu sprechen, zu drucken, zu senden – und gehört zu werden.
Rolle der Gewerkschaften: Rückgrat und Streitfeld
Die Gewerkschaften Chiles waren eine der tragenden Säulen des Aufbruchs. Sie organisierten Lohnkämpfe, verteidigten Betriebe gegen Sabotage, schufen mit den Cordones koordinierte Gegenmacht. Zugleich gab es innerhalb der Arbeiterbewegung Debatten über Tempo, Taktik und Verhältnis zum Staat: Wie schnell vergesellschaften? Wie eng mit Regierungsministerien kooperieren? Wie die Selbstverwaltung institutionalisieren? Diese Debatten waren Ausdruck von Stärke, nicht von Schwäche – eine Bewegung, die denkt, streitet und daraus lernt.
Trotz aller Differenzen gilt: Ohne organisierte Arbeiterschaft wäre die Volksregierung isoliert geblieben. Dort, wo Gewerkschaften stark waren, hielt der Widerstand länger, und dort, wo sie geschwächt wurden, marschierte die Konterrevolution leichter durch. Lehre: Wer die Fabriktore verteidigen will, muss die Organisationen der Arbeiter stärken, demokratisieren und politisch schärfen. Tarifrechte, Streikfonds, rechtliche Immunität für Betriebsräte – das sind nicht nur soziale Forderungen, sondern Bausteine demokratischer Ordnung.
Mittelstand und Klassenkampf: Schwankende Schichten, feste Interessen
Ein Schlüssel in Chile war die Haltung der kleinen Unternehmer, Ladenbesitzer, selbständigen Fahrer. Sie sind in Krisen besonders anfällig für die Erzählungen der Besitzenden: Angst vor Steuern, vor neuer Regulierung, vor „Chaos“. In Chile wurden Teile des Mittelstands zum Rammbock gegen die Volksregierung – etwa im organisierten Transportstreik. Hier zeigte sich: Ohne konkrete Politik für Kredite, stabile Versorgung, kalkulierbare Übergänge und das Aufbrechen von Monopolketten, die den Mittelstand erpressen, bleibt diese Schicht verfügbar für die Strategie der Destabilisierung.
Wer einen sozialen Umbau will, muss den Mittelstand ansprechen, nicht beschwichtigen: mit fairen Einkaufskonditionen, mit Gemeinschaftseinkauf, mit Preisaufsicht gegen Großhändler, mit Steuererleichterungen für Produzenten statt für Spekulanten. So lassen sich Brücken schlagen und Panikgeschichten entkräften.
Sicherheit und Staat: Die Frage der Loyalität
Der chilenische Staat war formal demokratisch, sein Sicherheitsapparat aber jahrzehntelang im Geist der alten Ordnung geprägt. Wer die Gesellschaft neu ordnen will, muss die Streitkräfte an die Republik binden, die Polizei demokratisieren, den Geheimdienst auflösen und neu aufstellen – verfassungstreu, dem Volk rechenschaftspflichtig, dem Rechtsstaat verpflichtet. Loyalität zum Volk ist nicht angeboren, sie entsteht aus Ausbildung, Aufsicht, Recht und Kultur.
Chile hat diese Reformen nicht in der nötigen Tiefe vorgenommen. Die Folge ist bekannt. Die Lehre gilt bis heute: Friedenspolitik ist nicht naiv, wenn sie die Sicherheitsfrage realistisch beantwortet. Frieden braucht Verteidigungsfähigkeit der Republik gegen Putschisten und ausländische Einmischung – mit rechtlichen, organisatorischen und materiellen Mitteln. Wer die Demokratie schützen will, muss ihre Feinde benennen – und ihren Zugriff auf Waffen, Medien und Geld begrenzen.
Friedenspolitik und Selbstbestimmung: Kein Vorrang für die Profite
Der chilenische Weg war ein Weg des Friedens. Er setzte auf die Kraft der Überzeugung, auf Wahl, Parlament, Gesetz. Er vertraute auf die Fähigkeit des Volkes, die Gesellschaft ohne Bürgerkrieg zu erneuern. Dieser Ansatz verdient Respekt und Fortentwicklung. Aber er braucht Schutzmechanismen gegen jene, die Frieden nur als Pause zwischen zwei Angriffen betrachten. Wer Souveränität will, braucht Partner, die Verträge einhalten, Kredite ohne politische Erpressung gewähren, Rohstoffe fair tauschen und nicht mit Sanktionen drohen, wenn ein Land seinen eigenen Kurs wählt.
Friedenspolitik bedeutet heute, die Souveränität über Ressourcen zu verteidigen, die Manipulation durch Sanktionen, Finanzdruck und Medienkrieg zu durchschauen und internationale Partnerschaften aufzubauen, die nicht auf Erpressung beruhen. Das ist die Lehre Chiles in einer Zeit, in der ökonomische Kriegsführung wieder zum Alltag geworden ist.
Wirtschaftsdemokratie: Vom Betrieb aus denken
Fallbeispiel 1: Cordón Cerrillos/Maipú (Santiago)
Problem → Lieferkettenbruch durch Lkw‑Streiks und Investitionsstopp; Ersatzteile fehlten, Lagerbestände waren intransparent, Produktionsinseln arbeiteten aneinander vorbei.
Eingriff → Werkskomitees bündelten Transporte, richteten gemeinsame Lagerübersichten ein, frästen/rekonstruierten Ersatzteile in Nachbarbetrieben, koordinierten Schichten über Betriebsgrenzen hinweg und schufen direkte Abnahmeverträge mit Stadtteilkomitees.
Ergebnis → Stabilisierung kritischer Linien (Lebensmittel‑/Grundbedarf), sinkende Stillstandszeiten, sichtbare Produktivitätsgewinne durch geteilte Werkstätten und abgestimmte Beschaffung.
Eingriff → Werkskomitees bündelten Transporte, richteten gemeinsame Lagerübersichten ein, frästen/rekonstruierten Ersatzteile in Nachbarbetrieben, koordinierten Schichten über Betriebsgrenzen hinweg und schufen direkte Abnahmeverträge mit Stadtteilkomitees.
Ergebnis → Stabilisierung kritischer Linien (Lebensmittel‑/Grundbedarf), sinkende Stillstandszeiten, sichtbare Produktivitätsgewinne durch geteilte Werkstätten und abgestimmte Beschaffung.
Fallbeispiel 2: Textilkombinat Yarur
Problem → Eigentümerblockade, Lohnsenkungsdruck, Rückgang der Auslastung; daraus folgten Versorgungsengpässe bei einfachen Stoffen.
Eingriff → Betriebsbesetzung, anschließende Überführung in öffentliche Verantwortung; Einsetzung eines Arbeiter‑Verwaltungsrats, kurzfristige Investitionen in Wartung/Spulenpark, Umstellung auf Grundsortimente für den Massenbedarf.
Ergebnis → Wiederanlauf der Produktion, Preisdämpfung bei Basiskleidung, Qualifizierungsprogramme für junge Arbeiter; engere Kopplung an städtische Bedarfsplanung.
Eingriff → Betriebsbesetzung, anschließende Überführung in öffentliche Verantwortung; Einsetzung eines Arbeiter‑Verwaltungsrats, kurzfristige Investitionen in Wartung/Spulenpark, Umstellung auf Grundsortimente für den Massenbedarf.
Ergebnis → Wiederanlauf der Produktion, Preisdämpfung bei Basiskleidung, Qualifizierungsprogramme für junge Arbeiter; engere Kopplung an städtische Bedarfsplanung.
Produktionsdemokratie im Überblick
Betrieb → gewählte Betriebsversammlung beschließt Jahresziele; offene Bücher, Kostensicht, Bestandsliste.
Branchenrat → Abstimmung von Mengen, Preisen, Investitionsfenstern zwischen Betrieben einer Branche; Ausgleich bei Engpässen/Ersatzteilen.
Gesamtwirtschaftliche Planung → Prioritäten (Ernährung, Energie, Wohnen) setzen den Rahmen; Branchenpläne werden konsolidiert und finanziert.
Betrieb → gewählte Betriebsversammlung beschließt Jahresziele; offene Bücher, Kostensicht, Bestandsliste.
Branchenrat → Abstimmung von Mengen, Preisen, Investitionsfenstern zwischen Betrieben einer Branche; Ausgleich bei Engpässen/Ersatzteilen.
Gesamtwirtschaftliche Planung → Prioritäten (Ernährung, Energie, Wohnen) setzen den Rahmen; Branchenpläne werden konsolidiert und finanziert.
Daten‑Transparenz: Monatliche Offenlegung von Kostenstruktur, Lagerbeständen und Ausfallzeiten auf Betriebsebene; einheitliche, maschinenlesbare Berichtsformate für Branchenräte; unabhängige Prüfgruppen aus Belegschaft und Kommune sichern Verlässlichkeit und ermöglichen Korrekturen in Echtzeit.
Aus der chilenischen Erfahrung erwächst eine zentrale Einsicht: Ohne Mitbestimmung und Eigentumsordnung im Betrieb bleibt „Demokratie“ hohl. Wenn über Investitionen, Produkte, Preise und Löhne weiterhin eine Minderheit entscheidet, wird jeder soziale Fortschritt fragil. Die Cordones waren Laboratorien einer Ordnung, in der das Wissen der Arbeiter, die Bedürfnisse der Gemeinden und die Koordination auf Branchenebene zusammenfließen. Sie zeigten, wie Produktion nach gesellschaftlichem Bedarf und nicht nach maximaler Rendite organisiert werden kann.
Eine moderne Volkswirtschaft des 21. Jahrhunderts kann auf diesen Bausteinen aufbauen: öffentliche Kernsektoren, genossenschaftliche Netze, kommunale Wertschöpfung, strategische Planung, Vorrang der Grundversorgung, technologische Souveränität – und transparente Rechenschaft gegenüber der Bevölkerung. Dazu gehört ein Recht auf Offenlegung betriebsrelevanter Daten, ein Initiativrecht der Belegschaften bei Investitionsentscheidungen und die Verankerung von Branchenräten, in denen Produzenten, Beschäftigte und Verbraucher gemeinsam planen.
Internationale Lehren: Von Santiago nach Berlin, von 1973 bis heute
Wer heute in Europa gegen Kriegs‑ und Aufrüstungspolitik, gegen Privatisierungen und Lohnraub, gegen Sanktionen und Rohstoffplünderung antritt, steht vor ähnlichen Mechanismen wie einst Chile. Die Namen der Konzerne mögen wechseln, die Instrumente sind dieselben: Kreditdrossel, Ratings, Medienkampagnen, juristische Attacken, Einmischung der Nachrichtendienste. Die Antwort lautet: breite Bündnisse der Arbeit, eigene Medienmacht, internationale Kooperation jenseits imperialer Zentren, Souveränität über Energie und Rohstoffe, Investitionen in Industrie und Landwirtschaft, Schutz der Reallöhne und eine klare Priorität: die Bedürfnisse der Mehrheit vor den Renditen der Wenigen.
Dabei ist auch der Blick nach Lateinamerika lehrreich: Viele Länder haben aus Chile gelernt, ihre Bodenschätze neu bewertet, Staatsfonds gebildet, Industrialisierungsstufen erkämpft und die Rolle der öffentlichen Banken gestärkt. Kooperationen zwischen Ländern, die ihre Entwicklung selbst bestimmen wollen, schaffen Korridore für Technologietransfer, Energieversorgung und Handel ohne politische Vormundschaft.
Kultur und Erinnerung: Die Stimmen der Erschlagenen
Ohne Kultur verstummt der Aufbruch. Chile hat Dichtern, Sängern, Filmemachern Worte und Melodien gegeben, die bis heute tragen. Die Erinnerung an die Ermordeten, an die Gefangenen, an die Verschwundenen ist keine Nostalgie. Sie ist Verpflichtung, die Wahrheit gegen die „Versöhnung“ um den Preis des Vergessens zu verteidigen. Erinnerung ist politisch, weil sie benennt, wer Täter war und wer Opfer. Sie ist zugleich Zukunftspolitik: Wer die Vergangenheit vernebelt, bereitet die nächste Niederlage vor.
Deshalb braucht Erinnerung Orte, Archive, Lieder, Gedenktage, Schulunterricht, Filme, Prozesse und Entschädigungen. Und sie braucht internationale Zusammenarbeit, um Täterketten zu durchbrechen und Netzwerke der Straflosigkeit zu zerschlagen. Auch das gehört zur Friedenspolitik.
Was hätte anders sein können? Strategische Klarheiten
Rückblickend zeigen sich Punkte, an denen der Prozess eine andere Wendung hätte nehmen können: schnellere und entschlossenere Reform der Streitkräfte; stärkere Einbindung der Selbstorganisation in staatliche Planung; frühere Aufdeckung und Zerlegung der Putschlogistik; austarierte Politik gegenüber dem Mittelstand; Aufbau internationaler Kreditlinien jenseits der üblichen Zentren. Vor allem aber: die frühe und breite politische Bildung über die Mechanik der Konterrevolution – in Schulen, Betrieben, Kasernen.
Diese Überlegungen sind keine Belehrung im Nachhinein, sondern Bausteine für zukünftige Aufbrüche – in Lateinamerika, in Afrika, in Asien, in Europa. Eine Bewegung siegt nicht durch guten Willen, sondern durch Organisation, Disziplin, Lernfähigkeit und klare Prioritätensetzung.
Ein roter Faden: Eigentum, Macht, Demokratie
Der Kern bleibt: Eigentum ist Macht. Wer die Eigentumsfrage meidet, verliert die Machtfrage. Wer die Machtfrage scheut, verliert die Demokratie. Chile hat gezeigt, wie weit eine Volksregierung kommen kann – und wo sie scheitert, wenn die alte Ordnung unangetastet bleibt. Die Antwort ist, Demokratie materiell zu machen: öffentliche Kontrolle über die entscheidenden Hebel der Wirtschaft, soziale Rechte, starke Gewerkschaften, selbstverwaltete Betriebe, regionale Planung, souveräne Außenpolitik. Das ist kein Dogma, sondern Praxis – anpassbar an jede nationale Besonderheit, doch unvereinbar mit der Diktatur der Rendite.
Wer heute für eine Gesellschaft des Friedens arbeitet, wird an dieser Achse nicht vorbeikommen. Sie verbindet Löhne mit Energiepreisen, Mieten mit Bankenaufsicht, öffentlichen Verkehr mit Industriepolitik.
Für eine Politik des Friedens
Frieden ist mehr als Abwesenheit von Krieg. Frieden heißt: Brot, Wohnung, Arbeit, Kultur, medizinische Versorgung, freie Bildung, sichere Energie, öffentliche Mobilität. Frieden heißt internationale Verständigung, Respekt vor der Souveränität, Ende der Sanktions‑ und Erpressungspolitik. Frieden heißt, nie wieder Militär gegen die eigene Bevölkerung zu richten. Der chilenische Weg war ein Versuch, Frieden zu organisieren – in Fabriken, auf Feldern, in Schulen, in Parlamenten. Er wurde verraten. Aber sein Anspruch bleibt gültig. Die Aufgabe besteht darin, ihn zu aktualisieren: in Energiesouveränität, in industrieller Renaissance, in starken Kollektivverträgen, in öffentlicher Gesundheitsversorgung, in Wohnungsbauprogrammen, in einer Diplomatie der Verständigung statt der Aufrüstung.
Die großen Alleen werden sich öffnen
Am Ende seiner letzten Ansprache sprach Allende von den großen Alleen, die sich für freie Menschen öffnen werden. Dieser Satz ist kein Trostwort, sondern ein Programm: Demokratie braucht materielle Grundlagen, Schutz vor Putsch und Erpressung und die Kraft der organisierten Mehrheit. Niederlagen sind Wegmarken – sie zeigen, was fehlt: Klarheit in der Eigentumsfrage, Loyalität des Sicherheitsapparats zur Republik, Souveränität in Kredit und Technik, eigene Kommunikationsmacht und tragfähige Allianzen zwischen Arbeit und produktivem Mittelstand.
Wer heute einen Aufbruch will, muss ihn schützen: die Hebel der Wirtschaft in öffentliche Verantwortung holen, die Republik gegen Sabotage wehrhaft machen, Versorgung vor Rendite stellen, internationale Kooperation ohne Erpressung aufbauen und Kultur als Schule der Selbstbefreiung begreifen. Nur so öffnen sich die großen Alleen – nicht von selbst, sondern durch Organisation, Disziplin und Solidarität.
Lehren für heute: Eigentum offen thematisieren und Schlüsselbereiche in öffentliche Verantwortung überführen. Den Sicherheitsapparat demokratisieren, verfassungstreu ausrichten und zivil kontrollieren. Kredit‑ und Techniksouveränität aufbauen – von öffentlicher Finanzierung bis zu Ersatzteil‑/Software‑Autarkie. Medienmacht von unten stärken: eigene Produktions‑, Kultur‑ und Informationskanäle. Bündnisse zwischen Arbeit und Mittelstand stabilisieren, Monopolketten brechen und planbare Übergänge sichern.
Teaser (Startseite):
Anhang: Daten, Begriffe, Strukturen (zur Orientierung)
Unidad Popular (UP): Wahlbündnis linker Parteien in Chile, das 1970 die Präsidentschaft gewann und bis 1973 regierte.
Cordones industriales: Betriebliche Koordinationsstrukturen als Gegenmacht zu Unternehmerverbänden und zur Sicherung von Produktion und Versorgung.
Kupferverstaatlichung: Überführung der großen Kupferminen in öffentliche Hand; symbolisch und materiell zentral für nationale Souveränität.
Transportstreik 1972/73: Politisch orchestrierte Logistikblockade durch Unternehmerverbände; Teil der Destabilisierung.
Schocktherapie: In der Diktatur durchgesetztes neoliberales Programm: Privatisierungen, Deregulierung, Zerschlagung kollektiver Rechte.
Weiterführende Hinweise (Auswahl)
Diese Hinweise dienen der Vertiefung und Einordnung: Studien und Dokumente zu chilenischer Wirtschafts‑ und Sozialpolitik 1970–1973; Untersuchungen über internationale Einmischung in Chile und die Rolle transnationaler Konzerne; Analysen zu Cordones industriales, Betriebsdemokratie und Volksmacht; Literatur zu Kultur, Musik und Erinnerungskultur des chilenischen Aufbruchs.