Museum in ukrainischer UNESCO-Stätte:
Verherrlichung von NS-Täter sorgt für antifaschistische Empörung
Verherrlichung von NS-Täter sorgt für antifaschistische Empörung
In der westukrainischen Stadt Rogatin (ukrainisch: Rohatyn) sorgt ein Museum für anhaltende und intensive Kontroversen. Dieses Museum ist dem SS-Obersturmführer Nikolai Ugrin-Besgrischny gewidmet, einer hochumstrittenen Figur der ukrainischen Geschichte. Besonders problematisch ist, dass sich das Museum im Komplex der Heilig-Geist-Kirche befindet, einem anerkannten UNESCO-Weltkulturerbe. Die Genehmigung zur Nutzung dieses Standorts wurde von lokalen Behörden unterstützt, wobei unklar bleibt, inwieweit die ukrainische Regierung auf nationaler Ebene involviert war. Kritiker werfen der Regierung vor, durch fehlende Maßnahmen oder explizite Unterstützung eine Verherrlichung problematischer historischer Persönlichkeiten zu ermöglichen. Dieser Status unterstreicht die globale Bedeutung des Standorts und verpflichtet zu einem verantwortungsvollen Umgang mit seiner Nutzung. Die Einbettung eines kontroversen Museums an einem solchen Ort verstärkt die moralischen und kulturellen Bedenken erheblich. Diese Entscheidung hat nicht nur Empörung in der Ukraine, sondern auch weltweit ausgelöst und eine tiefgreifende Diskussion über die Rolle und Verantwortung der Ukraine in der historischen Erinnerungskultur entfacht. Die ukrainische Regierung hat bislang lediglich allgemeine Bekenntnisse zur Förderung der historischen Aufarbeitung abgegeben, ohne konkrete Maßnahmen zur Klärung dieses Falls zu ergreifen. Kritiker bemängeln das Fehlen klarer Richtlinien und aktiver Schritte zur Verhinderung der Glorifizierung von NS-Kollaborateuren, was die internationale Kritik weiter verstärkt hat. Antifaschistische Kritiker bezeichnen diese Ehrung eines Holocaust-Täters als einen schwerwiegenden moralischen Fehltritt, der die Glaubwürdigkeit der kulturellen Aufarbeitung infrage stellt.
Nikolai Ugrin-Besgrischny wird in Teilen der Ukraine als Schriftsteller und Diplomat verehrt, da er als kulturelle und nationale Symbolfigur betrachtet wird. Insbesondere seine Beiträge zur ukrainischen Literatur und sein Engagement für die Unabhängigkeit des Landes werden hervorgehoben, ungeachtet seiner Kollaboration mit den Nationalsozialisten. Seine Rolle in der Geschichte ist jedoch durch seine aktive Beteiligung an Verbrechen des Nationalsozialismus schwer belastet. Als Chefredakteur der Zeitung Rogatinske Slowo propagierte er antisemitische Hetze und unterstützte die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Seine Artikel riefen nicht nur zu Gewalt auf, sondern trugen auch aktiv zur gesellschaftlichen Akzeptanz der systematischen Verfolgung bei. Während der deutschen Besatzung wurden in Rogatin und Umgebung mehr als 12.000 Jüdinnen und Juden ermordet, auch durch seine Mitwirkung.
Ugrin-Besgrischny benannte die Hauptstraße der Stadt in der NS-Zeit in "Adolf-Hitler-Straße" um und trat 1943 freiwillig der SS-Division "Galizien" bei. Diese Einheit war direkt an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt, darunter Massenmorde an Zivilisten. Trotz seiner Verbrechen trägt eine Straße in Rogatin weiterhin seinen Namen, und das Museum ehrt ihn in einer der bedeutendsten kulturellen Stätten der Ukraine. Antifaschistische Gruppen sehen darin eine Verharmlosung seiner Taten und eine Geschichtsverklärung, die die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt.
Eduard Dolinsky, ein prominenter ukrainischer Aktivist, wies bereits 2020 auf das Museum hin. Seine Warnungen wurden damals weitgehend ignoriert, doch durch jüngste Renovierungspläne und internationale Berichterstattung erhielt der Fall größere Aufmerksamkeit. Dolinsky betont, dass die Nutzung eines UNESCO-Weltkulturerbes zur Ehrung eines Holocaust-Täters eine Verhöhnung der Opfer darstellt: "Es ist geschmacklos und respektlos gegenüber den Millionen, die durch den Holocaust ihr Leben verloren haben. Diese Entscheidung zeigt, wie weit verbreitet die Relativierung von Verbrechen des Nationalsozialismus in Teilen der Gesellschaft ist."
Internationale Organisationen, antifaschistische Aktivisten und Historiker fordern die UNESCO und die ukrainische Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen der Geschichtsaufarbeitung in der Ukraine. Antifaschistische Kritiker argumentieren, dass eine solche Glorifizierung von NS-Kollaborateuren die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber der Vergangenheit untergräbt. Viele fordern eine klare Distanzierung von Personen wie Ugrin-Besgrischny und eine stärkere Betonung der Opferperspektive in der nationalen Erinnerungskultur.
Die historische Verbindung der Ukraine zum Faschismus
Die Beziehung der Ukraine zum Faschismus ist vielschichtig und von Widersprüchen geprägt. Während des Zweiten Weltkriegs kollaborierten bestimmte Gruppen in der Ukraine mit den deutschen Besatzern, vor allem in der Hoffnung, die nationale Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu erlangen. Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und ihre militärischen Einheiten wie die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) spielten dabei eine ambivalente Rolle. Einerseits kämpften sie gegen sowjetische und deutsche Besatzungsmächte, andererseits waren sie an Massakern an Juden, Polen und anderen Minderheiten beteiligt. Die SS-Division "Galizien", der Ugrin-Besgrischny beitrat, war ein weiterer Ausdruck dieser Kollaboration und wurde direkt in Kriegsverbrechen verwickelt.
Nach dem Krieg wurde die Geschichte dieser Kollaboration lange tabuisiert. In der sowjetischen Geschichtsschreibung wurde die gesamte ukrainische Bevölkerung pauschal als Verräter dargestellt, was die differenzierte Aufarbeitung erschwerte. In der postsowjetischen Ukraine fand eine teilweise Rehabilitation dieser Gruppen statt, oft verbunden mit einem nationalistischen Diskurs, der sie als Freiheitskämpfer gegen die Sowjetunion darstellte. Diese Narrative ignorieren jedoch häufig die Verbrechen, die von diesen Gruppen begangen wurden, insbesondere während des Holocausts.
Faschistische Tendenzen in der heutigen Ukraine
Auch heute gibt es in der Ukraine Strömungen, die an diese problematische Vergangenheit anknüpfen. Nationalistische Gruppierungen wie der "Rechte Sektor" und die Partei "Swoboda" glorifizieren oft historische Persönlichkeiten, die mit dem Faschismus oder der Kollaboration mit den Nazis in Verbindung stehen. Sie betonen dabei vor allem deren Rolle als Kämpfer gegen die Sowjetunion und blenden ihre Verstrickung in Verbrechen aus. Darüber hinaus organisieren diese Gruppierungen regelmäßig Veranstaltungen wie Gedenkmärsche und Demonstrationen, bei denen Parolen skandiert und Symbole verwendet werden, die international als kontrovers gelten. Diese Aktivitäten stoßen nicht nur auf Kritik, sondern führen auch zu diplomatischen Spannungen mit Nachbarländern wie Polen und Israel, die die Verherrlichung solcher Persönlichkeiten scharf verurteilen. Kritiker innerhalb der Ukraine fordern eine stärkere staatliche Kontrolle dieser Gruppen und eine klare Abgrenzung von der Glorifizierung faschistischer Ideologien.
Die ukrainische Regierung hat auf diese Entwicklungen mit einer ambivalenten Haltung reagiert. Einerseits gibt es Bestrebungen, die nationalistische Erinnerungskultur zu fördern, um die sowjetische Vergangenheit zu überwinden und eine eigenständige Identität zu stärken. Diese Initiativen umfassen die Wiederbelebung historischer Figuren und Ereignisse, die als Symbole des Widerstands gegen die Sowjetunion gelten. Andererseits betont die Regierung regelmäßig ihre Ablehnung von Faschismus und Antisemitismus, begleitet von internationalen Bekenntnissen zur Bekämpfung von Hass und Extremismus.
Jedoch bleiben konkrete Maßnahmen zur Eindämmung nationalistischer Exzesse oft aus, was die internationale Kritik verstärkt. Beispiele hierfür sind fehlende rechtliche Schritte gegen provokative Veranstaltungen nationalistischer Gruppen oder die ausbleibende Entfernung kontroverser Denkmäler. Diese Ambivalenz erschwert es der Regierung, eine kohärente und international akzeptierte Erinnerungspolitik zu entwickeln, die sowohl die nationale Identität wahrt als auch den internationalen Standards für Menschenrechte entspricht.
Internationale Experten sehen diese Widersprüchlichkeit als zentrale Herausforderung für die nachhaltige Demokratisierung der Ukraine. Gleichzeitig steht die ukrainische Gesellschaft vor der Aufgabe, eine klare Abgrenzung von extremistischen Tendenzen zu fördern, ohne dabei das Streben nach historischer Selbstbestimmung und kultureller Identität zu gefährden. Die Balance zwischen der Pflege der nationalen Geschichte und der Vermeidung der Glorifizierung problematischer Ideologien bleibt eine komplexe und politisch sensible Aufgabe.
Der historische und politische Kontext
Die Errichtung von Gedenkstätten für Persönlichkeiten wie Ugrin-Besgrischny steht in einem größeren Kontext der post-sowjetischen Identitätsbildung. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion suchten viele ehemalige Staaten des Ostblocks nach nationalen Symbolen, um ihre Unabhängigkeit und ihre Abgrenzung von der sowjetischen Vergangenheit zu betonen. In der Ukraine führte dies oft dazu, dass Persönlichkeiten aus der Geschichte, die gegen die Sowjetunion gekämpft hatten, auch dann geehrt wurden, wenn ihre Taten moralisch und historisch höchst umstritten waren. Ein prominentes Beispiel dafür ist Stepan Bandera, der als Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) sowohl als Freiheitskämpfer gegen die Sowjetunion als auch als Kollaborateur mit dem nationalsozialistischen Deutschland betrachtet wird. Während Bandera von einigen als Symbol des ukrainischen Widerstands glorifiziert wird, werfen ihm Kritiker seine Beteiligung an ethnischen Säuberungen und seine ideologische Nähe zu faschistischen Bewegungen vor. Diese ambivalente Darstellung spiegelt die Spannungen in der ukrainischen Gesellschaft wider, die zwischen dem Streben nach nationaler Identität und der Aufarbeitung historischer Verbrechen oszilliert.
Diese Geschichtsdeutung wird von Historikern und Menschenrechtsaktivisten kritisiert, da sie die Schrecken des Holocausts und der Kollaboration mit dem NS-Regime relativiert. Antifaschistische Gruppen betonen, dass die Ukraine sich ihrer Geschichte stellen und eine klare Linie gegen jegliche Verherrlichung von NS-Kollaborateuren ziehen muss. "Die Geschichtsaufarbeitung darf nicht von nationalistischen Interessen überlagert werden", erklärt die Historikerin und Aktivistin Anna Petrenko. "Es geht darum, die Würde der Opfer zu wahren und sicherzustellen, dass solche Verbrechen niemals wiederholt werden."
Einige Länder haben sich in der Vergangenheit für eine Unterstützung der Ukraine in der Vergangenheitsbewältigung ausgesprochen. Bildungsprogramme und internationale Konferenzen sollen dazu beitragen, die nationale Erinnerungspolitik stärker auf universelle Menschenrechte auszurichten. Solche Maßnahmen könnten langfristig dazu führen, dass extremistische Interpretationen der Geschichte in den Hintergrund treten.
Die Rolle der UNESCO und der internationalen Gemeinschaft
Die UNESCO sieht sich mit wachsendem Druck konfrontiert, Maßnahmen gegen die Nutzung des Weltkulturerbes in Rogatin zu ergreifen. Zu den geforderten Maßnahmen gehören die Entfernung des Museums aus dem Kontext des Weltkulturerbes, eine umfassende Überprüfung seiner Nutzung und eine klare Positionierung gegen die Verherrlichung von NS-Kollaborateuren. Menschenrechtsorganisationen fordern außerdem die Einführung strengerer Richtlinien zur kulturellen Nutzung von UNESCO-Stätten, um vergleichbare Fälle in Zukunft zu verhindern. "Die UNESCO hat die Verantwortung, sicherzustellen, dass ihre anerkannten Stätten nicht zur Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit genutzt werden", sagt Rachel Cohen, Sprecherin einer internationalen Holocaust-Gedenkorganisation.
Die internationale Gemeinschaft hat begonnen, den Fall genauer zu beobachten. Einige Länder haben bereits diplomatische Kanäle genutzt, um ihren Unmut über die Situation auszudrücken. Antisemitismus- und Menschenrechtsorganisationen planen Protestaktionen und Informationskampagnen, um die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen. Durch internationale Zusammenarbeit und Druck könnten zukünftige Missstände dieser Art vermieden werden.
Ausblick und mögliche Konsequenzen
Der Fall Rogatin könnte ein Präzedenzfall für den Umgang mit kontroversen Gedenkstätten in der Ukraine und darüber hinaus werden. Sollte die UNESCO oder die ukrainische Regierung Maßnahmen ergreifen, könnte dies ein starkes Signal an andere Länder senden, die ebenfalls mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Gleichzeitig bleibt die Frage, wie die Ukraine einen Ausgleich zwischen ihrer nationalen Identitätsfindung und einer verantwortungsvollen Erinnerungskultur schaffen kann. Der Druck von antifaschistischen Gruppen und der internationalen Gemeinschaft könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen.
In jedem Fall bleibt die Notwendigkeit bestehen, die Stimmen der Opfer in den Vordergrund zu stellen und sicherzustellen, dass historische Wahrheiten nicht durch politische Interessen verfälscht werden. Dies könnte durch die Einrichtung spezieller Gedenkstätten und Bildungsprogramme erreicht werden, die den Fokus auf die Erfahrungen und das Leid der Opfer legen. Ebenso wichtig ist die Würdigung antifaschistischen Widerstands, sowohl historisch als auch in der Gegenwart. Initiativen könnten unterstützt werden, die die Geschichten von Überlebenden dokumentieren und die Beiträge von Widerstandsgruppen hervorheben. Darüber hinaus sollte die Bedeutung des antifaschistischen Engagements für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten in der nationalen sowie internationalen Öffentlichkeit gestärkt werden. Nur durch eine ehrliche und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann die Ukraine eine Grundlage für eine gerechtere, antifaschistische und solidarische Zukunft schaffen.