Sudan: Der vergessene Krieg

Sudan: Der vergessene Krieg
Die gravierende humanitäre Krise im Sudan, die durch den anhaltenden Bürgerkrieg verursacht wird, bleibt weitgehend unbeachtet. Seit dem 15. April 2023 kämpfen die Rapid Support Forces (RSF), eine paramilitärische Gruppe, die aus den berüchtigten Janjaweed-Milizen des Darfur-Konflikts hervorgegangen ist, gegen die regulären Streitkräfte. Die RSF werden durch den Export von Gold, insbesondere in die Vereinigten Arabischen Emirate, sowie durch Landgrabbing finanziert. Der Goldhandel erfolgt oft über komplexe Netzwerke, die von Zwischenhändlern und internationalen Partnern unterstützt werden, wodurch eine effektive Rückverfolgung erschwert wird. Berichten zufolge profitieren Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten direkt von den Goldexporten, was die finanzielle Macht der RSF erheblich stärkt. Diese Einnahmen ermöglichen den Ankauf von Waffen und die Rekrutierung neuer Kämpfer, während gleichzeitig die wirtschaftliche Marginalisierung lokaler Gemeinschaften durch gewaltsame Landvertreibungen verstärkt wird. Diese Ressourcen stärken ihre militärische Kapazität und verschärfen den Konflikt. Dies hat zu immensem Leid, Vertreibungen und einer verschärfenden Hungersnot geführt. Millionen Menschen sind betroffen, während die internationale Gemeinschaft nur zögerlich reagiert.
Humanitäre Krise
Mehr als 1,7 Millionen Menschen leben in oder nahe an Hungersnot. Laut Berichten von Hilfsorganisationen sind allein in den letzten sechs Monaten die Fälle von Unterernährung um 25 % gestiegen, und die Anzahl der Betroffenen könnte aufgrund fehlender internationaler Hilfe weiter zunehmen. Fast die Hälfte der 50 Millionen Einwohner hat keinen sicheren Zugang zu Nahrung. Besonders betroffen sind Arbeiterfamilien, die ihre Lebensgrundlage durch die Zerstörung von Infrastruktur, Arbeitsplätzen und Märkten verloren haben. Viele Arbeiter aus der Landwirtschaft oder dem Bergbau sind gezwungen, unter prekären Bedingungen in Lagern oder anderen unsicheren Regionen zu überleben. Besonders betroffen sind ländliche Regionen wie Darfur und die Nuba-Berge, wo die Infrastruktur zerstört wurde und Hilfslieferungen kaum ankommen. Arbeiter in diesen Regionen, die zuvor in kleinen Betrieben oder auf Plantagen beschäftigt waren, leiden unter fehlender Beschäftigung und dem Zusammenbruch lokaler Wirtschaftszweige. Kinder und schwangere Frauen sind überproportional betroffen, da ihre Ernährungsbedürfnisse in der Krise oft nicht erfüllt werden können. Besonders betroffen sind Kinder und Frauen: 4,7 Millionen leiden an akuter Unterernährung. Lager wie Zamzam, in denen Vertriebene Zuflucht suchen, verzeichnen alarmierende Zahlen lebensbedrohlich unterernährter Kinder. Viele der Erwachsenen in diesen Lagern sind ehemalige Arbeiter, die durch den Konflikt entwurzelt wurden und keine Möglichkeit mehr haben, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Internationale Vernachlässigung
Trotz der Dramatik des Konflikts wird er von westlichen Medien und Regierungen kaum beachtet. Anders als beim Darfur-Konflikt 2003 fehlen heute strategische Interessen, die eine internationale Reaktion antreiben könnten. Die politische und mediale Gleichgültigkeit verschärft die Lage, insbesondere angesichts der Tatsache, dass wirtschaftliche und geopolitische Interessen oft über den Schutz von Menschenleben gestellt werden. So gibt es kaum nennenswerte Bemühungen, die Blockade von Hilfslieferungen durch Konfliktparteien zu durchbrechen, oder ernsthafte Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen. Gleichzeitig werden Berichte über systematische Gewalt, darunter Massenmorde und Vertreibungen, in politischen Entscheidungsgremien nur oberflächlich behandelt. Die fehlende Unterstützung für UN-Hilfsmissionen und die Untätigkeit westlicher Regierungen unterstreichen diese Ignoranz und tragen dazu bei, die humanitäre Katastrophe weiter zu verschärfen. Ein Beispiel hierfür ist die unzureichende Bereitstellung von finanziellen Mitteln für UN-geführte Hilfsoperationen, die seit Monaten mit Budgetkürzungen kämpfen. Ebenso haben westliche Regierungen wiederholt versäumt, Sanktionen gegen die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zu verhängen oder politische Druckmittel zu nutzen, um humanitäre Korridore zu ermöglichen.
Historische Parallelen und koloniale Wurzeln
Der aktuelle Konflikt erinnert an die Gräuel von Darfur, wo die Janjaweed-Miliz, Vorgänger der RSF, schon vor zwei Jahrzehnten ethnische Gewalt verübte. Diese Gewalt hat tief verwurzelte koloniale Wurzeln: Während der Kolonialzeit wurde der Sudan durch britisch-ägyptische Kontrolle politisch und wirtschaftlich ausgebeutet. Die kolonialen Verwaltungen förderten ethnische und regionale Spaltungen, indem sie bestimmte Gruppen privilegierten, während andere systematisch marginalisiert wurden. Diese Politik hat langfristige Spannungen geschaffen, die bis heute bestehen und immer wieder in Gewalt ausbrechen. Damals stand die Region im Fokus der Weltöffentlichkeit, da der Westen politische Interessen verfolgte, wie die Schwächung arabischer Regierungen und die Förderung westlich orientierter Regime. Heute fehlt eine vergleichbare internationale Mobilisierung, obwohl die RSF ähnliche Taktiken anwenden, darunter Massenmorde und Vertreibungen. Die marginalisierte Bevölkerung des Sudans wird weiterhin systematisch unterdrückt und ausgebeutet, eine Situation, die durch die kolonialen Machtstrukturen des 19. und 20. Jahrhunderts begünstigt wurde. Internationale Akteure zögern aus wirtschaftlichem Eigeninteresse, zu intervenieren, und ignorieren häufig die historischen Verantwortlichkeiten ihrer eigenen Länder.
Bodenschätze des Sudan und wirtschaftliche Interessen
Die Auseinandersetzung zwischen den RSF, angeführt von Mohammed Hamdan Dagalo (Hemedti), und den regulären Streitkräften unter General Abdel Fattah Al-Burhan ist auch ein Kampf um die Kontrolle der reichen Bodenschätze des Sudans und andere wirtschaftliche Interessen. Die RSF stehen unter der Führung von Mohammed Hamdan Dagalo, bekannt als Hemedti, und haben sich durch gewaltsame Kontrolle von Ressourcen wie Goldminen und Landgrabbing finanziert. Während die RSF Goldminen kontrollieren, die eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes darstellen, betreiben die Streitkräfte ein wirtschaftliches Imperium, das über 200 Unternehmen umfasst, darunter Handels- und Telekommunikationsfirmen sowie die einflussreiche Omdurman National Bank. Der Sudan verfügt über bedeutende Bodenschätze wie Erdöl, Kupfer, Uran, Eisen und Zink. Diese Ressourcen sind von globaler Bedeutung, da sie eine Schlüsselrolle in der Energie-, Technologie- und Bauindustrie spielen. Erdöl stellt eine wichtige Einnahmequelle für den internationalen Handel dar, während Kupfer und Uran in der Elektronikproduktion und bei der Energiegewinnung unverzichtbar sind. Der Zugang zu diesen Rohstoffen macht den Sudan zu einem strategisch wichtigen Akteur für globale Märkte, weckt jedoch auch Begehrlichkeiten internationaler Mächte und Unternehmen, die oft wirtschaftliche Interessen über humanitäre Bedürfnisse stellen. Diese Ressourcen sind nicht nur für die lokale Wirtschaft entscheidend, sondern wecken auch das Interesse internationaler Akteure. Die RSF finanzieren sich zusätzlich durch Landgrabbing und den Export von Gold, insbesondere in die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Abbau und Export dieser Bodenschätze ermöglichen es den Konfliktparteien, erhebliche finanzielle Ressourcen zu generieren. Gleichzeitig verstärken diese Aktivitäten die soziale und wirtschaftliche Marginalisierung lokaler Gemeinschaften, die oft gewaltsam vertrieben werden, um Zugang zu Minen oder landwirtschaftlich genutztem Boden zu schaffen. Die Gewinne aus diesen Aktivitäten werden genutzt, um Waffen zu kaufen und die militärische Stärke der RSF zu sichern, wodurch der Konflikt weiter angeheizt wird. Diese wirtschaftlichen Ressourcen tragen wesentlich zur Fähigkeit beider Seiten bei, den Krieg weiterzuführen. Internationale Akteure wie Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen unterschiedliche Seiten, wobei wirtschaftliche Beziehungen oft im Vordergrund stehen. Der Sudan bleibt ein Beispiel dafür, wie natürliche Ressourcen Konflikte anheizen können.
Die Rolle Deutschlands
Deutschland hat sich bisher nur begrenzt in den Konflikt im Sudan eingebracht. Trotz der gravierenden humanitären Lage beschränkt sich die deutsche Beteiligung vorwiegend auf diplomatische Appelle und finanzielle Unterstützung für internationale Hilfsorganisationen. Die neoliberale Ausrichtung der deutschen Außenpolitik zeigt sich auch hier, indem wirtschaftliche Interessen und die Kontrolle von Migrationsbewegungen oft Priorität vor konkreter humanitärer Hilfe haben. Ein Beispiel dafür ist die im Rahmen des Khartum-Prozesses bereitgestellte Unterstützung für sudanesische Grenzkontrollen, die primär auf die Verhinderung von Migration abzielt, während die humanitäre Hilfe vergleichsweise gering bleibt. So flossen von den geforderten 500 Millionen Euro an humanitärer Unterstützung im Jahr 2023 lediglich 20 % aus Deutschland, obwohl die humanitäre Krise im Sudan zu den schlimmsten weltweit zählt. Kritiker werfen Berlin vor, zu wenig Druck auf die Konfliktparteien auszuüben, etwa durch Sanktionen oder die Unterstützung internationaler Friedensverhandlungen, und den Fokus zu stark auf sicherheitspolitische Interessen zu legen. Angesichts der aktuellen Lage könnte Deutschland eine aktivere Rolle übernehmen, sei es durch verstärkte humanitäre Hilfe, gezielte politische Vermittlungsversuche oder durch eine klare und sichtbare Positionierung gegen systematische Menschenrechtsverletzungen.
Die Rolle der USA
Die Vereinigten Staaten spielen eine ambivalente Rolle im Sudan-Konflikt. Einerseits stellen sie bedeutende finanzielle Mittel für humanitäre Hilfe bereit und sind über Organisationen wie USAID ein wichtiger Akteur bei der Unterstützung von Geflüchteten. Laut offiziellen Zahlen stellten die USA 2023 rund 500 Millionen US-Dollar für humanitäre Maßnahmen bereit, was sie zu einem der größten Geber macht. Andererseits bleibt ihre diplomatische Einflussnahme begrenzt, da der Fokus der US-Außenpolitik auf anderen globalen Konflikten wie der Ukraine und dem Nahen Osten liegt. Historisch unterstützten die USA politische Prozesse, die 2011 zur Abspaltung des Südsudans führten, was jedoch die Instabilität im Norden des Landes verschärfte. Kritiker argumentieren, dass diese Politik weniger auf Frieden und Stabilität abzielt, sondern vielmehr wirtschaftliche und geopolitische Interessen verfolgt, etwa den Zugang zu Ressourcen und die strategische Kontrolle der Region. Aus linker Perspektive wird insbesondere kritisiert, dass die USA wenig unternommen haben, um die systematische Gewalt durch die Konfliktparteien zu stoppen, und stattdessen auf punktuelle Interventionen setzen, die langfristige Lösungen vernachlässigen.
Die Rolle der NATO
Die NATO hat bisher keine direkte Rolle im Sudan-Konflikt gespielt, da ihr Hauptfokus auf kollektiver Sicherheit im euro-atlantischen Raum liegt. Allerdings könnte das Bündnis potenziell Einfluss nehmen, insbesondere durch die Bereitstellung logistischer Unterstützung für UN-Missionen oder durch die Sicherung humanitärer Korridore. Dies könnte dazu beitragen, Hilfsgüter schneller und sicherer in die Krisenregion zu bringen. Kritiker sehen jedoch die Gefahr, dass die NATO durch solche Einsätze ihre primär geopolitischen Interessen in den Vordergrund stellt, statt auf echte humanitäre Bedürfnisse einzugehen. Historisch betrachtet war das Bündnis vor allem in Konflikten aktiv, die unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit ihrer Mitgliedsstaaten hatten, was im Fall des Sudan nicht gegeben ist. Dennoch könnte ein stärkerer NATO-Einsatz, etwa durch die Bereitstellung von Ressourcen und Expertise, dazu beitragen, die internationale Hilfe für die sudanesische Bevölkerung effektiver zu gestalten.
Eskalation und drohende Gräueltaten
In Darfur schüren die aggressiven Methoden der RSF – darunter gezielte Angriffe auf ethnische Gruppen – die Angst vor erneuten Massakern wie 2003. Belagerte Städte wie Al-Fashir könnten zum Schauplatz weiterer Gräueltaten werden. Die fortgesetzte Gewalt verdeutlicht, wie sehr internationale Untätigkeit die Lage verschärft. Beispiele für diese Passivität sind das Scheitern mehrerer Friedensgespräche, bei denen keine der Konfliktparteien verbindlich zu einem Waffenstillstand bewegt werden konnte, sowie die fehlende Umsetzung internationaler Sanktionen gegen die Führung der RSF. Hinzu kommt die mangelnde Bereitstellung von Ressourcen für humanitäre Korridore, die das Leid der Zivilbevölkerung lindern könnten.
Friedenspolitik und Appell an die Weltgemeinschaft
Der Krieg im Sudan fordert eine entschlossene internationale Antwort, die sich auf friedenspolitische Maßnahmen und humanitäre Verantwortung konzentriert, statt auf wirtschaftliche oder geopolitische Kalküle. Friedenspolitik sollte eine umfassende Strategie beinhalten, die auf Dialog und Vermittlung setzt, um die tief verwurzelten Konflikte zu lösen. Dazu gehört die langfristige Stärkung staatlicher Strukturen und die Förderung von Bildung und Infrastruktur, um die Wurzeln des Konflikts wie Armut und ethnische Spannungen anzugehen. Konkrete Maßnahmen könnten die Einrichtung eines unabhängigen internationalen Hilfsfonds zur Unterstützung der am stärksten betroffenen Regionen umfassen, die gezielte Förderung von zivilgesellschaftlichen Friedensinitiativen und Mediationsteams vor Ort, verstärkte diplomatische Bemühungen zur Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und die Stationierung einer robusten UN-Friedensmission mit starkem Mandat zum Schutz von Zivilisten. Darüber hinaus sollten verbindliche Verpflichtungen zur Verfolgung von Kriegsverbrechen geschaffen werden, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und die Opfer zu unterstützen. Die Vernachlässigung verschärft die humanitäre Katastrophe und verschließt den Weg zu Frieden. Eine konzertierte Anstrengung, die die Interessen der betroffenen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt, ist dringend notwendig, um Millionen von Menschenleben zu retten und eine nachhaltige Lösung des Konflikts zu finden.
Back to Top