Neue „Sicherheits- und Verteidigungsstrategie“ beschert die Rüstungskonzerne
Panzer-Milliarden unterm Baum
|Welch Gleichklang: Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) schlägt „ein neues Kapitel in denBeziehungen zwischen Staat und Industrie auf, ganz im Sinne der Zeitenwende“. Ihm zurSeite steht Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der vor seinem Abgang dieGelegenheit nutzt, das innige Band zwischen ihm und der Rüstungsindustrie zubeschwören: Rheinmetall und Co. bräuchten nun endlich „mehr eigene Kapazitäten,Unabhängigkeit und Resilienz“. So klingt das, wenn vorzeitige Weihnachtsgeschenke fürdie Waff enschmieden angekündigt werden.
Die verbliebenen Reste des Bundeskabinetts haben am vergangenen Mittwoch die„Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“ beschlossen. Zielsetzung:Schnellstmögliche Erhöhung der Waff enproduktion zur bestmöglichen Ausstattung derBundeswehr, twitterte das Pistorius-Ministerium zeitgleich. Das hat natürlich Vorrangvor der Kindergrundsicherung, seit drei Jahren angekündigt, mittlerweile von derAgenda gestrichen. Die unter der Armutsgrenze lebenden 2,1 Millionen Kinder werdendie Vorfahrt für die Produktion von Tötungsmaschinerie zu schätzen wissen.
Als hätte die vergangenen drei Jahre nicht genug auf dem Gabentisch derWaff enschmieden gelegen. Der Rheinmetall-Geschäftsbericht für 2023 wusste schon imVoraus von zukünftigen Umsatzrekorden: „Der Konzernumsatz soll auf ein Niveau vonrund 10 Milliarden Euro ansteigen“, heißt es da. Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sichmit Beginn der ersten Waff enlieferungen an die Ukraine von 83,06 Euro auf aktuell651,80 Euro pro Aktie hochkatapultiert.
Kernpunkte der Strategie „Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI)“ sind derAusbau der militärischen IT- und Kommunikationstechnologien, die Erleichterung vonAuftragsvergaben an die Rüstungsindustrie, die Rationalisierung der Waff enlieferketten,Marineschiff bau, Panzerbau, Drohnenproduktion und „elektromagnetischer Kampf“. MitGenugtuung wird festgestellt, dass sich bürokratische Hürden schneller als erwartetabbauen ließen – davon hat man in anderen Bereichen nichts gehört. Hier geht derDank insbesondere an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das im Dezember des
vergangenen Jahres beschlossen hatte, dass Beschaff ung Vorrang hat, wenn ein„Sicherheitsinteresse“ an der „Erzeugung von Waff en, Munition und Kriegsmaterial oderden Handel damit“ besteht.
Das Strategiepapier fordert darüber hinaus, dass „fi nanzielle Rahmenbedingungen fürdie Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärker in den Blick“ zu nehmen sind. DieAnschubfi nanzierung für die Profi tmaximierung der Rüstungskonzerne ist – wiegewohnt – Aufgabe des Steuerzahlers. Der Rest der Fördermittel kommt aus demEuropäischen Verteidigungsfonds (EDF), der für laufende Kooperationsprojekte der SVIbis zum Jahr 2027 einen Betrag von fast 8 Milliarden Euro beisteuert.
Das Wirtschaftsministerium stellt derweil seine Strukturen um, allerorten wird jetzt von„Wehrwirtschaft“ geredet. Zum Goldstandard der neuen Ausrichtung auf Krieg passtauch, dass ausländische Investoren, die sich mit mehr als 10 Prozent an deutschenRüstungskonzernen beteiligen, vom Wirtschaftsministerium geprüft werden, um jedeGefährdung „wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland“auszuschließen. Alles in allem ein weiterer „unverzichtbarer Beitrag für dieWehrhaftigkeit Deutschlands“, wie der Deutsche Bundeswehrverband resümiert.