Kurt Baumgarte ein Hannoverscher Kommunist,
Antifaschist und Widerstandskampfer
Kurt Baumgarte (* 22. April 1912 in Hannover; † 21. Juli 2006 ebenda) war ein deutscher Kommunist, antifaschistischer Widerstandskämpfer, langjähriger politischer Aktivist und aufrechter Kämpfer gegen Faschismus und soziale Ungleichheit. Er gehörte zu jenen unbeugsamen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, die trotz mehrfacher Verfolgung ihren Überzeugungen treu blieben. Schon in jungen Jahren erkannte er die gesellschaftliche Verantwortung, die mit politischem Engagement verbunden ist, und stellte sein Leben in den Dienst der arbeitenden Menschen. Sein Leben war geprägt von standhafter politischer Überzeugung, jahrzehntelangem Engagement für soziale Gerechtigkeit, internationaler Solidarität und dem unermüdlichen Einsatz für Frieden, Menschlichkeit und eine befreite Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg. Kurt Baumgarte verstand Politik stets als Verpflichtung gegenüber den Unterdrückten, den entrechteten Menschen und jenen, die keine Stimme in der Gesellschaft hatten. Er lebte ein Beispiel solidarischer Haltung und kompromissloser Konsequenz. Als unbeugsamer Antifaschist, früher Funktionär der kommunistischen Bewegung, erfahrener Widerstandskämpfer gegen den Hitlerfaschismus, leidenschaftlicher Aufklärer und Mitgestalter des demokratischen Neubeginns nach 1945 hat er in Hannover, Niedersachsen und darüber hinaus deutliche Spuren hinterlassen – sowohl organisatorisch durch seine politische Arbeit als auch im kollektiven Gedächtnis der deutschen Arbeiterbewegung. Seine Biografie steht sinnbildlich für eine Haltung, die sich niemals den jeweiligen Zeitläuften unterordnete, sondern unbeirrt für eine gerechtere Welt kämpfte.
Jugend und politische Prägung
Kurt Baumgarte wuchs in einer Arbeiterfamilie in Hannover auf, in einem Umfeld, das stark von den sozialen Kämpfen und wirtschaftlichen Unsicherheiten der Weimarer Republik geprägt war. Schon früh wurde er mit den alltäglichen Problemen der arbeitenden Bevölkerung konfrontiert, was sein Gerechtigkeitsempfinden und seine politische Sensibilität schärfte. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker und zeigte schon damals ein ausgeprägtes künstlerisches Talent, das er mit gesellschaftlichem Engagement verband. Von 1928 bis 1930 studierte er an der Kunstgewerbeschule Hannover, wo er sich mit anderen fortschrittlich gesinnten Jugendlichen austauschte und weiter politisierte. Bereits als Jugendlicher entwickelte er ein tiefes Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Klassenherrschaft. 1926, im Alter von 14 Jahren, trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei, was Ausdruck seines frühen politischen Erwachens war. Er engagierte sich nicht nur in der politischen Bildungsarbeit, sondern organisierte auch Veranstaltungen und Diskussionen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Seine Begabung zur klaren, überzeugenden Rede machte ihn bald zu einem Funktionär auf Bezirksebene. 1930 trat er der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und arbeitete dort im Bereich Agitation und Propaganda, wo er Broschüren verfasste, Wandzeitungen gestaltete und mit Flugblättern die Arbeiterjugend erreichte. Sein politisches Denken war stark vom Marxismus geprägt, insbesondere von den Schriften Lenins und Rosa Luxemburgs, und er setzte sich entschieden für die Rechte der Arbeiterklasse, die internationale Solidarität und den Kampf gegen Krieg und Faschismus ein.
Widerstand gegen den Faschismus
Nach der Machtübertragung an Hitler 1933 blieb Kurt Baumgarte standhaft und ließ sich weder einschüchtern noch von seiner politischen Überzeugung abbringen. In einer Zeit, in der viele aus Angst vor Repressionen ihre politische Arbeit einstellten oder sich anpassten, bereitete er sich bewusst auf den notwendigen illegalen Widerstand vor. Um seine Fähigkeiten zu vertiefen, reiste er 1933/34 in die Sowjetunion und besuchte die Internationale Leninschule in Moskau – eine bedeutende Kaderschule für kommunistische Funktionäre aus aller Welt. Dort vertiefte er seine Kenntnisse in marxistischer Theorie, Geschichte der Arbeiterbewegung, Fragen der politischen Strategie und der Organisation des revolutionären Kampfes. Der internationale Austausch mit Genossen aus verschiedenen Ländern prägte ihn nachhaltig und stärkte seine Entschlossenheit, dem Faschismus entgegenzutreten.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1934 ging Kurt Baumgarte unmittelbar in den Untergrund. Er übernahm Aufgaben in der illegalen Parteiorganisation der KPD, insbesondere in Hamburg, Hannover und anderen Teilen Norddeutschlands. Unter schwierigen Bedingungen koordinierte er die Verbreitung antifaschistischer Schriften, organisierte geheime Treffen und unterstützte weitere Aktivisten. Dabei war er ständig der Gefahr der Verhaftung ausgesetzt. 1935 wurde er schließlich von der Gestapo in Berlin verhaftet, gefoltert und nach monatelanger Untersuchungshaft dem berüchtigten Volksgerichtshof überstellt.
Im Jahr 1936 verurteilte ihn dieses politische Terrorgericht wegen seiner Überzeugung und seines Kampfes gegen das faschistische Regime zu 15 Jahren Zuchthaus – ein Urteil, das seine Zerstörung bezwecken sollte. Kurt Baumgarte wurde in mehrere Gefängnisse und Zuchthäuser verschleppt, unter anderem nach Brandenburg, Waldheim und Bautzen. Dort musste er unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten, litt unter permanenter Isolation, Hunger und Misshandlungen. Zwölf Jahre lang verbrachte er teils in Einzelhaft, wobei er zeitweise sogar in Ketten gelegt wurde – eine besonders grausame Form der Isolationshaft, die seiner Zermürbung dienen sollte. Dennoch blieb er standhaft, bewahrte seine politische Klarheit und nutzte jede Gelegenheit, um anderen Häftlingen Mut zuzusprechen. Während seiner Haftzeit lernte er andere politische Gefangene kennen, mit denen er heimlich Kontakte aufrechterhielt und Diskussionen führte. Für viele Mitgefangene war er ein moralischer Anker und eine Quelle der Hoffnung.
Trotz der jahrelangen Inhaftierung, der brutalen Haftbedingungen und der physischen wie psychischen Folter, gab Kurt Baumgarte seinen Glauben an eine bessere Welt nicht auf. Erst im Mai 1945, nach dem Sieg der Alliierten, wurde er aus dem Zuchthaus Waldheim befreit. Seine elf Jahre dauernde Haftzeit hatte ihn gezeichnet, aber nicht gebrochen. Im Gegenteil: Sie war für ihn Ansporn, nach dem Krieg mit noch größerem Einsatz für eine gerechte, antifaschistische Gesellschaft zu kämpfen.
Neubeginn nach 1945
Nach Kriegsende kehrte Kurt Baumgarte in seine Heimatstadt Hannover zurück und beteiligte sich aktiv am Wiederaufbau der politischen Strukturen. Er wurde Sekretär des KPD-Bezirks Hannover und half mit, die Partei neu zu organisieren und eine breite antifaschistische Volksbewegung aufzubauen. Er setzte sich dafür ein, ehemalige Widerstandskämpferinnen und -kämpfer politisch zu rehabilitieren und in den Aufbau eines neuen, friedlichen Deutschlands einzubinden. Mit großem Engagement trieb er den Ausbau lokaler Parteistrukturen voran, organisierte politische Versammlungen, Schulungen und setzte sich für eine konsequente Entnazifizierung ein.
Von 1946 bis 1947 war er Mitglied des ernannten Hannoverschen Landtags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der KPD. In dieser Funktion wirkte er an der Erarbeitung erster demokratischer Grundlagen in Niedersachsen mit. Kurt Baumgarte war ein entschiedener Verfechter einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, in der die Interessen der arbeitenden Bevölkerung im Mittelpunkt stehen sollten. Besonders wichtig war ihm die soziale Gerechtigkeit, insbesondere die Einführung einer umfassenden Bodenreform, die Umverteilung von Großgrundbesitz und der Aufbau einer sozialen Infrastruktur in den vom Krieg zerstörten Regionen.
Gleichzeitig lehnte er die Remilitarisierung entschieden ab und sprach sich vehement gegen die geplante Wiederbewaffnung Westdeutschlands aus, die er als Rückfall in alte militaristische Denkmuster ansah. Er warnte früh vor einer Restauration alter Machtstrukturen, vor der Rückkehr von NS-belasteten Funktionären in staatliche Ämter und der zunehmenden Ausgrenzung linker Kräfte aus dem öffentlichen Leben. Für Kurt Baumgarte war eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ein Garant für Frieden in Europa und ein Gegenmodell zur imperialistischen Konfrontationspolitik der westlichen Besatzungsmächte. Sein Wirken in der unmittelbaren Nachkriegszeit war geprägt von einem tiefen Glauben an den Aufbau einer gerechteren, antifaschistischen Ordnung auf deutschem Boden.
Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland
Nach dem Verbot der KPD im Jahr 1956 geriet Kurt Baumgarte erneut ins Visier der Staatsmacht, obwohl er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen außer seiner Überzeugung. Auch in der Bundesrepublik wurde sein konsequenter Antifaschismus, seine unerschütterliche Treue zu marxistischen Idealen sowie seine aktive Rolle im politischen Diskurs kriminalisiert. Der Zeitgeist des Kalten Krieges, in dem Kommunisten systematisch überwacht, diskreditiert und verfolgt wurden, traf auch ihn mit voller Härte. 1966 wurde er vom Landgericht Lüneburg wegen angeblicher illegaler Weiterbetätigung für die verbotene KPD zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zudem erhielt er ein dreijähriges Verbot, politische Ämter zu bekleiden. Die Gerichtsverhandlung war geprägt von Vorverurteilung und ideologischer Voreingenommenheit. Es war weniger ein juristischer Vorgang als ein politischer Akt der Einschüchterung gegen linke Opposition.
In der Öffentlichkeit wurden solche Prozesse von vielen kritischen Beobachtern als „kalte Rache der Reaktion“ verstanden – als Versuch, fortschrittliches Gedankengut aus dem demokratischen Diskurs zu verbannen. Kurt Baumgarte selbst blieb auch nach der erneuten Verurteilung standhaft. Die Haftstrafe verbüßte er mit demselben Mut und derselben Würde, die er schon im faschistischen Zuchthaus gezeigt hatte. Umso beschämender war es, dass ihm die Bundesrepublik später sogar die Opferrente verweigerte – mit der Begründung, er sei „ein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Dies geschah trotz der Tatsache, dass er nachweislich elf Jahre unter der Nazidiktatur eingekerkert und gefoltert worden war.
Diese politische Justiz des Kalten Krieges traf viele Kommunistinnen und Kommunisten, die wie Kurt Baumgarte doppelte Opfer waren: zuerst des Faschismus, dann der reaktionären Nachkriegspolitik in Westdeutschland. Ihr Widerstand, ihre Treue zur Wahrheit und ihre Rolle im Aufbau antifaschistischer Traditionen wurden geleugnet und delegitimiert. Kurt Baumgarte jedoch ließ sich nicht brechen. Sein Kampf für Gerechtigkeit, gegen Geschichtsverfälschung und für die Rehabilitierung der verfolgten Genossinnen und Genossen wurde zu einem festen Bestandteil seines politischen Lebenswerks.
Politisches und gesellschaftliches Wirken
Kurt Baumgarte ließ sich nicht einschüchtern. 1968 trat er der neu gegründeten Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) bei, die als legale Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD galt. Für ihn war diese neue Partei ein wichtiger Ort, um die Traditionen des Widerstands weiterzuführen und die Vision einer sozialistischen Gesellschaft lebendig zu halten. Er war viele Jahre Mitglied der Zentralen Schiedskommission der DKP, wo er politische Konflikte mit Klugheit, Gerechtigkeitssinn und unerschütterlicher Prinzipientreue behandelte. Seine Fähigkeit zur ruhigen, vermittelnden Auseinandersetzung machte ihn parteiintern zu einer respektierten Autorität.
Zugleich engagierte er sich leidenschaftlich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), deren Anliegen ihm zeitlebens ein Herzensanliegen war. In Hannover war er insbesondere im Stadtteil Ahlem aktiv, wo er früh auf das dortige ehemalige KZ-Außenlager hinwies und sich gegen das Vergessen stemmte. Er kämpfte für die Anbringung von Gedenktafeln und setzte sich für die Anerkennung der Opfer ein. Gemeinsam mit seiner Frau Emmy klärte er Schulklassen über den antifaschistischen Widerstand auf, berichtete über seine eigenen Erlebnisse im Zuchthaus und über die Notwendigkeit, sich niemals mit Unrecht abzufinden. Beide verstanden diese Arbeit als antifaschistische Erziehung im besten Sinne. Ihre Bildungsarbeit wurde zu einer wichtigen Quelle historischer Erinnerung und half dabei, eine neue Generation für das Thema politische Verfolgung zu sensibilisieren.
2002 brachte Kurt Baumgarte zusammen mit Historikern und Weggefährten Tagebuchaufzeichnungen ehemaliger politischer Häftlinge aus den 1950er Jahren heraus. Diese Dokumente, die unter schwierigen Bedingungen in der Haft entstanden waren, zeugen vom ungebrochenen Willen zur Menschlichkeit inmitten der Repression. Sie zeigen die Kontinuität der politischen Verfolgung in Westdeutschland und machten deutlich, wie Kommunisten auch nach 1945 systematisch entrechtet, isoliert und kriminalisiert wurden. Kurt Baumgarte trug mit diesem Projekt nicht nur zur historischen Aufarbeitung des Kalten Krieges in der Bundesrepublik bei, sondern gab zugleich jenen eine Stimme, die lange zum Schweigen verurteilt waren. Damit erfüllte er seine Überzeugung, dass Erinnerung nicht dem Vergessen, sondern der Zukunft dienen muss.
Vermächtnis
Kurt Kurt Baumgarte blieb bis zu seinem Tod ein unbeugsamer Kämpfer für Frieden, Sozialismus und eine gerechte Gesellschaft. Sein Leben war ein Beispiel für Haltung, Mut und Treue zu Überzeugungen in schwierigen Zeiten – geprägt von tiefem Mitgefühl mit den Unterdrückten, von einem klaren politischen Kompass und der Überzeugung, dass eine bessere Welt möglich ist. Kurt Baumgarte gehörte zu jenen, die nicht nur im Widerstand gegen den Faschismus eine herausragende Rolle spielten, sondern auch in der Nachkriegszeit nicht müde wurden, für demokratische und soziale Rechte einzutreten.
Die Stadt Hannover verdankt ihm viel: als aufrechten Antifaschisten, als politischen Aufklärer und als unermüdlichen Mahner für Gerechtigkeit. Er war nicht nur Symbolfigur für den kommunistischen Widerstand, sondern ein praktischer Organisator, Gesprächspartner, Zeitzeuge und Lehrer für Generationen von Jugendlichen, die durch seine Erzählungen einen lebendigen Zugang zur Geschichte des 20. Jahrhunderts erhielten.
Seine Biografie ist Teil der hannoverschen Stadtgeschichte, eingebettet in das reiche Erbe der antifaschistischen Bewegung und tief verwurzelt in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung. In einer Zeit, in der rechte Tendenzen erneut zunehmen, demokratische Errungenschaften infrage gestellt werden und historische Wahrheit unter Druck gerät, bleibt sein Leben ein Mahnmal für Wachsamkeit, Widerstand und die Kraft des Gewissens. Seine Standhaftigkeit lehrt uns, dass Fortschritt und Menschlichkeit nicht ohne Konflikte zu haben sind – und dass Erinnerung an die Vergangenheit Grundlage für eine gerechtere Zukunft sein muss.
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