Warum die Papenburger Meyer Werft durch den Staat gerettet wurde
Kreuzfahrt- oder Kriegsschiffe?
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UZ vom 6. Dezember 2024
|Jan Boerma
Die Frage drängt sich auf: Warum haben der Bund und das Land Niedersachsen indiesem Sommer mit Hunderten Millionen Euro die Meyer Werft gerettet, nicht aber dasLand Schleswig-Holstein in Kooperation mit dem Bund die FSG Nobiskrug-Werften inFlensburg und Rendsburg?
Zum einen spielt die Papenburger Werft für die Wirtschaft in der Region Emsland-Ostfriesland eine wichtige Rolle. Bis zu 20.000 Arbeitsplätze hängen an der Werft undihren zahlreichen Zulieferbetrieben. Andererseits könnte Meyer im Zusammenhang mitder weiteren Aufrüstung der BRD zukünftig an Bedeutung gewinnen. Zu diesemErgebnis kommt ein Gutachten der Strategieberatungsgesellschaft EY-Parthenon, überdas die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) am 29. November berichtete.
Statt Kreuzfahrtschiff e zu bauen, wäre es in Papenburg auch möglich, Kriegsschiff e vomStapel zu lassen: „Die Analysten schreiben, die Werft könnte jährlich bis zu fünfFregatten oder andere große Marineschiff e bauen. Im Hafen von Papenburg könnteeine Art Fließbandfertigung etabliert werden. Keine andere Werft in Deutschlandverfüge über derart große Kapazitäten wie Meyer mit den Trockendocks in Papenburg“,so die NOZ.
Meyer verfüge über große Werkshallen, in denen unter Ausschluss der Öff entlichkeitKriegsschiff e gebaut werden könnten. Und anders als die Werften an der Ostseeküsteliege die Werft außerhalb der Reichweite russischer Mittelstreckenraketen. DieseSchlussfolgerungen der EY-Parthenon-Analysten fi nden sich zumindest in einer Vorlagedes Bundesfi nanzministeriums zur Genehmigung der Bundesbeteiligung bei Meyerwieder. Dort heißt es: „Außerdem könnte die Meyer Werft bei einer Verschärfung dergeopolitischen Lage potenziell eine bedeutende Rolle im deutschen militärischenSchiff bau einnehmen.“ Eine ähnliche Argumentation vertritt auch dasVerteidigungsministerium.
Willkommen, rei.simon!
−
Inwieweit sind die Ergebnisse der Analysten realistisch? Die Meyer Werft wäre sicherlich
in der Lage, langfristig Kriegsschiffe in Papenburg zu fertigen, wie sie es bereits auf der
Rostocker Neptun-Werft in Kooperation mit der Bremer Lürssen-Werft tut. Hier werden
zwei Tankschiffe für die Bundesmarine mit einem Gesamtvolumen von 870 Millionen
Euro gebaut. In Papenburg allerdings sind die Auftragsbücher bis 2031 gefüllt, so dass
für den Bau von Marineschiffen nach derzeitiger Lage keine Kapazitäten frei sind.
Allerdings ist die Kreuzfahrtbranche immer abhängig von der weltpolitischen Lage. Die
Terroranschläge vom 11. September 2001, die Finanzkrise von 2008 und Corona führten
zu rapiden Einbrüchen bei den Kreuzfahrten, vor allem in den USA. Weltweit gab es
zahlreiche Stornierungen von bereits georderten Schiffen, die viele Werften – so auch
Meyer – an den Rand des Ruins brachten.
Die ins Spiel gebrachten russischen Mittelstreckenraketen könnten Papenburg vielleicht
nicht erreichen, aber Russland verfügt auch über Hyperschallraketen, die innerhalb von
10 Minuten das Ziel im Emsland treffen könnten.
Die Zustimmung des Bundes und des Landes Niedersachsen zum Einstieg bei Meyer,
auch unter den genannten militärischen Gesichtspunkten, widerspiegelt die sogenannte
„Zeitenwende“, die sich in Richtung eines Krieges mit Russland bewegt und das Ziel hat,
nicht nur die Bevölkerung „kriegstüchtig“ zu machen, sondern auch die zivile Produktion
möglichst schnell für militärische Zwecke umzugestalten.
Während sich in den 1980er Jahren viele Gewerkschaften mit dem Thema
Rüstungskonversion beschäftigten, können wir momentan das Gegenteil beobachten.
Der für den Schiffbau verantwortliche Bezirkssekretär der IG Metall Küste, Heiko
Messerschmidt, wird von der NOZ wie folgt zitiert: „Grundsätzlich halten wir es für
richtig, dass die Bundesregierung mit dem Einstieg bei der Meyer Werft schiffbauliche
Kapazitäten sichert, die in Deutschland insbesondere auch für die Sicherung der
Energieversorgung und die Verteidigung benötigt werden.”
Es wird dringend Zeit, dass wieder ein Umdenken stattfindet. Dazu braucht es eine
starke Friedensbewegung, auch in den Gewerkschaften und an den Arbeitsplätzen, die
den entsprechenden Druck auf die Funktionärsebene
ausüben muss.
Kreuzfahrt- oder Kriegsschiffe?
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UZ vom 6. Dezember 2024
|Jan Boerma
Die Frage drängt sich auf: Warum haben der Bund und das Land Niedersachsen indiesem Sommer mit Hunderten Millionen Euro die Meyer Werft gerettet, nicht aber dasLand Schleswig-Holstein in Kooperation mit dem Bund die FSG Nobiskrug-Werften inFlensburg und Rendsburg?
Zum einen spielt die Papenburger Werft für die Wirtschaft in der Region Emsland-Ostfriesland eine wichtige Rolle. Bis zu 20.000 Arbeitsplätze hängen an der Werft undihren zahlreichen Zulieferbetrieben. Andererseits könnte Meyer im Zusammenhang mitder weiteren Aufrüstung der BRD zukünftig an Bedeutung gewinnen. Zu diesemErgebnis kommt ein Gutachten der Strategieberatungsgesellschaft EY-Parthenon, überdas die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) am 29. November berichtete.
Statt Kreuzfahrtschiff e zu bauen, wäre es in Papenburg auch möglich, Kriegsschiff e vomStapel zu lassen: „Die Analysten schreiben, die Werft könnte jährlich bis zu fünfFregatten oder andere große Marineschiff e bauen. Im Hafen von Papenburg könnteeine Art Fließbandfertigung etabliert werden. Keine andere Werft in Deutschlandverfüge über derart große Kapazitäten wie Meyer mit den Trockendocks in Papenburg“,so die NOZ.
Meyer verfüge über große Werkshallen, in denen unter Ausschluss der Öff entlichkeitKriegsschiff e gebaut werden könnten. Und anders als die Werften an der Ostseeküsteliege die Werft außerhalb der Reichweite russischer Mittelstreckenraketen. DieseSchlussfolgerungen der EY-Parthenon-Analysten fi nden sich zumindest in einer Vorlagedes Bundesfi nanzministeriums zur Genehmigung der Bundesbeteiligung bei Meyerwieder. Dort heißt es: „Außerdem könnte die Meyer Werft bei einer Verschärfung dergeopolitischen Lage potenziell eine bedeutende Rolle im deutschen militärischenSchiff bau einnehmen.“ Eine ähnliche Argumentation vertritt auch dasVerteidigungsministerium.
Willkommen, rei.simon!
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Inwieweit sind die Ergebnisse der Analysten realistisch? Die Meyer Werft wäre sicherlich
in der Lage, langfristig Kriegsschiffe in Papenburg zu fertigen, wie sie es bereits auf der
Rostocker Neptun-Werft in Kooperation mit der Bremer Lürssen-Werft tut. Hier werden
zwei Tankschiffe für die Bundesmarine mit einem Gesamtvolumen von 870 Millionen
Euro gebaut. In Papenburg allerdings sind die Auftragsbücher bis 2031 gefüllt, so dass
für den Bau von Marineschiffen nach derzeitiger Lage keine Kapazitäten frei sind.
Allerdings ist die Kreuzfahrtbranche immer abhängig von der weltpolitischen Lage. Die
Terroranschläge vom 11. September 2001, die Finanzkrise von 2008 und Corona führten
zu rapiden Einbrüchen bei den Kreuzfahrten, vor allem in den USA. Weltweit gab es
zahlreiche Stornierungen von bereits georderten Schiffen, die viele Werften – so auch
Meyer – an den Rand des Ruins brachten.
Die ins Spiel gebrachten russischen Mittelstreckenraketen könnten Papenburg vielleicht
nicht erreichen, aber Russland verfügt auch über Hyperschallraketen, die innerhalb von
10 Minuten das Ziel im Emsland treffen könnten.
Die Zustimmung des Bundes und des Landes Niedersachsen zum Einstieg bei Meyer,
auch unter den genannten militärischen Gesichtspunkten, widerspiegelt die sogenannte
„Zeitenwende“, die sich in Richtung eines Krieges mit Russland bewegt und das Ziel hat,
nicht nur die Bevölkerung „kriegstüchtig“ zu machen, sondern auch die zivile Produktion
möglichst schnell für militärische Zwecke umzugestalten.
Während sich in den 1980er Jahren viele Gewerkschaften mit dem Thema
Rüstungskonversion beschäftigten, können wir momentan das Gegenteil beobachten.
Der für den Schiffbau verantwortliche Bezirkssekretär der IG Metall Küste, Heiko
Messerschmidt, wird von der NOZ wie folgt zitiert: „Grundsätzlich halten wir es für
richtig, dass die Bundesregierung mit dem Einstieg bei der Meyer Werft schiffbauliche
Kapazitäten sichert, die in Deutschland insbesondere auch für die Sicherung der
Energieversorgung und die Verteidigung benötigt werden.”
Es wird dringend Zeit, dass wieder ein Umdenken stattfindet. Dazu braucht es eine
starke Friedensbewegung, auch in den Gewerkschaften und an den Arbeitsplätzen, die
den entsprechenden Druck auf die Funktionärsebene
ausüben muss.