Imperialismus heute:
Macht, Märkte, Kriege – und der Widerstand von links
Macht, Märkte, Kriege – und der Widerstand von links
Der Begriff ist kein Museumsexponat
Der Begriff „Imperialismus“ ist kein Relikt. Er ist der Schlüssel, um das Weltgeschehen zu verstehen: die Zerlegung ganzer Regionen durch Kriege, die Umverteilung von Reichtum nach oben, die Aushöhlung sozialer Rechte und die begleitende Propaganda, die all das als „Werte“ verkauft. Wer die Gegenwart begreifen will, braucht nur auf aktuelle Konflikte wie die Ukraine oder den Nahen Osten zu blicken. Entscheidend ist, die Verknüpfung von Akkumulation, Staatsgewalt und Raumaneignung klar zu analysieren. Das ist keine akademische Übung, sondern Handlungswissen – für alle, die sich gegen Ausplünderung und Krieg wehren wollen.
Drei Verhältnisse, die alles bestimmen
Imperialismus ist kein einzelner Akt, sondern ein Verhältnis aus drei Dimensionen: erstens Gewaltpolitik in offener oder latenter Form, zweitens die Dynamik der Kapitalakkumulation, drittens die räumliche (und damit geopolitische) Ausdehnung dieser Verhältnisse. Der Staat tritt – je nach Krisenlage – mit Filzpantoffeln oder mit Springerstiefeln auf: in Phasen hoher Prosperität tarnt er seine Eingriffe, in systemischen Krisen eskaliert er mit Sanktionen, Schuldenregimen, Putschen, Stellvertreterkriegen und direkter Intervention. Das Arsenal ist breit: Subventionen und Austerität, Zollpolitik und Verschuldung, Militärkeynesianismus bis hin zum offenen Krieg. Entscheidend ist die Funktion: externe Absicherung des inneren Akkumulationsregimes.
Historische Tiefenschärfe: Von 1870 bis 1945
Erster Weltkrieg
Die klassische Epoche des Imperialismus beginnt mit der zweiten industriellen Revolution. Deutschland drängt als neue Macht nach Kolonien und Weltmarktanteilen, Großbritannien verteidigt seine Seeherrschaft, die USA sichern Lateinamerika mit Kanonenbooten und Konzernen. Die Konkurrenz der Mächte, getrieben von Monopolbildung, Kapitalexport und Rohstoffhunger, führt in zwei Weltkriege. Ideologisch werden Nationalismus und Rassismus zu Mobilisierungsmaschinen, um die Massen von sozialen Forderungen abzubringen.
Der Erste Weltkrieg war Ausdruck dieser explosiven Konkurrenz. Millionen Menschen wurden in den Schützengräben geopfert, um Kolonien, Märkte und Rohstoffe neu aufzuteilen. Die russische Oktoberrevolution 1917 stellte den ersten erfolgreichen Gegenentwurf dar und erschütterte die Weltordnung nachhaltig. Der Versailler Vertrag band Deutschland an Reparationen und schuf ein explosives soziales Klima, in dem reaktionäre Kräfte mobilisieren konnten.
Zwischenkriegszeit
Die 1920er und 1930er Jahre waren von Krisen geprägt: Inflation, Arbeitslosigkeit und soziale Unruhen. In Italien und Deutschland formierte sich der Faschismus als Versuch des Kapitals, durch innere Disziplinierung und äußere Expansion die Profite zu sichern. Nationalismus und Rassismus dienten als ideologische Waffen. Hinzu kamen paramilitärische Organisationen, die mit Gewalt gegen Streiks und Arbeiterbewegungen vorgingen, während autoritäre Regierungen den Abbau demokratischer Rechte betrieben. Auch die Weltwirtschaftskrise von 1929 verstärkte die Instabilität: Millionen verloren ihre Arbeit, Hunger und Elend breiteten sich aus, und die Herrschenden nutzten diese Not, um aggressive Außenpolitik und Aufrüstung zu rechtfertigen. Die Zwischenkriegszeit war damit ein Laboratorium, in dem sich die mörderische Verbindung von ökonomischer Krise, autoritärem Staat und imperialer Expansion formierte.
Zweiter Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg war die barbarischste Eskalation der imperialistischen Logik: Vernichtungskrieg, Kolonialisierung Osteuropas, der Holocaust als Verbindung von Rassismus und ökonomischer Vernichtungslogik. Am Ende standen rund 60 Millionen Tote, zerstörte Städte und verwüstete Länder – von Leningrad bis Hiroshima, von Warschau bis Manila. Ganze Kontinente lagen in Trümmern, die industrielle Infrastruktur Europas war zu großen Teilen vernichtet, und Millionen Menschen wurden entwurzelt, vertrieben oder versklavt. Der Krieg brachte auch den Einsatz der ersten Atombomben und machte deutlich, dass technische Fortschritte im Kapitalismus nicht Befreiung, sondern immer neue Dimensionen der Zerstörung hervorbringen können. Die Einsicht war unausweichlich: die kapitalistische Konkurrenzlogik führt ohne Begrenzung in totale Barbarei und bedroht die Existenz der Menschheit selbst.
Nach 1945: Restrukturierung statt Ende
Mit dem Sieg über den Faschismus entsteht ein neues Machtgefüge. Bretton Woods macht den Dollar zur Leitwährung, IWF und Weltbank zementieren das Schuldenregime. Die USA entwickeln ein informelles Imperium, das auf Militärbasen, Stützpfeilern in Westeuropa, Panzern in Korea und Vietnam sowie einer Weltarchitektur aus Verträgen und Institutionen ruht. Zugleich stabilisiert der fordistische Klassenkompromiss die Zentren, bevor er in den 1970er Jahren an Überakkumulation, Ölpreisschocks und wachsender Konkurrenz erodiert. Der „Volcker-Schock“ mit extremen Zinsen treibt den globalen Süden in die Strukturanpassung: Privatisierungen, Liberalisierungen, Landnahmen. Eine transnationale Bourgeoisie etabliert die Vorherrschaft der Finanzmärkte.
Der Vietnamkrieg zeigte die Grenzen der US-Hegemonie: eine bäuerliche Gesellschaft, gestützt auf breite Solidarität, besiegte die mächtigste Militärmaschinerie der Welt. Auch der Koreakrieg, der „vergessene Krieg“, offenbarte, wie die USA ihre militärische Maschinerie einsetzten, um die Systemgrenzen gegen den Sozialismus zu sichern. Millionen Tote und ein bis heute geteiltes Land waren das Resultat. In Afrika brachten die Dekolonisationen der 1960er Jahre einen kurzen Aufbruch, der von neokolonialen Instrumenten wie Schuldenpolitik und westlich gesteuerten Putschen gebrochen wurde.
Finanzialisierung: Akkumulation durch Enteignung
In den 1980er Jahren stiegen die Auslandsschulden Lateinamerikas dramatisch an: Mexiko erreichte 1982 rund 80 Milliarden US-Dollar, Brasilien über 90 Milliarden und Argentinien knapp 45 Milliarden. Diese Schuldenkrise wurde zum Hebel für den IWF, um massive Strukturanpassungsprogramme durchzusetzen.
Was als „Reform“ etikettiert wird, ist in Wahrheit ein permanentes Programm der Enteignung: Löhne gedrückt, öffentliche Güter verkauft, Natur und Infrastruktur privatisiert, Millionen in Prekarität gedrängt. Akkumulation durch Enteignung setzt nach außen auf Rohstoff- und Landraub, nach innen auf die Demontage von Sozialstaat und Mitbestimmung. Die Reservearmee wächst – und damit die Erpressungsmacht des Kapitals. Das erklärt, warum Krisen so oft mit „Sparpaketen“ für die Mehrheit und „Rettungsschirmen“ für Banken beantwortet werden. Gewalt wirkt strukturell (Schuldenregime, Sanktionen) und physisch (Militär, Söldner, Drohnen).
Beispielhaft ist die Lateinamerika-Politik der 1980er Jahre: Mexiko, Argentinien, Brasilien – durch Schuldenkrisen gezwungen, ihre Volkswirtschaften für den Finanzmarkt zu öffnen. Privatisierungen, Landgrabbing, Zerschlagung von Gewerkschaften: der „Washington Consensus“ war ein globales Enteignungsprogramm. In Afrika wurde dasselbe durchgesetzt: Ghana, Nigeria, Tansania – Staaten, die ihre Entwicklungsträume an den IWF verkaufen mussten.
Ideologie: Hegemonie oder Krise der Hegemonie
Dauerhafte Herrschaft benötigt Zustimmung. In hegemonialen Phasen reicht ein Mix aus Wohlstandsversprechen, Mediensteuerung und „Werten“. In Hegemoniekrisen tritt die nackte Gewalt hervor: Ausnahmezustand, Notstandsgesetze, Polizei- und Geheimdienstaufrüstung, Kriegspropaganda. Entscheidend ist, dass die Form wechselt, die Funktion gleich bleibt: Absicherung von Profiten und Eigentumsordnung – nach innen wie nach außen.
Jugoslawien in den 1990er Jahren zeigt, wie sich diese Mechanismen verknüpfen: erst ökonomische Schocktherapie durch IWF und EU, dann das Anheizen ethnischer Konflikte, schließlich Bombardements der NATO – alles unter dem Banner der „Menschenrechte“. Doch das Ergebnis war die Zerschlagung eines unabhängigen Modells und die Eingliederung der Region in den kapitalistischen Weltmarkt.
Der „Krieg gegen den Terror“ nach 2001 war ein globales ideologisches Projekt: eine Dauerlegitimation für Kriege in Afghanistan und Irak, für Drohnenprogramme, Überwachung, Folterlager. Die Medien spielten die Rolle des permanenten Trommlers – alles im Namen der „Sicherheit“.
Zentren, Nebenzentren, Peripherie: Hierarchien im System
Die Weltordnung ist kein Nebeneinander gleichberechtigter Staaten, sondern eine Pyramide. Oben stehen die alten Zentren mit ihrem Militärbündnis und der Kontrolle über Finanzmärkte, Technologie und globale Institutionen. Darunter agieren Subimperialismen, die regional als Ordnungstruppen fungieren, ihre Nachbarschaft disziplinieren und zugleich Teilhabe am Weltsystem sichern. Unten befindet sich die Peripherie, die als Reserve an Rohstoffen, billiger Arbeitskraft und Absatzmärkten dient – und in Krisenzeiten als Stoßdämpfer herhalten muss. Wer in dieser Hierarchie aufsteigt oder eigenständig wird, wird mit Sanktionen, Medienkriegen, Wirtschaftskrieg und, wenn nötig, Militärmacht diszipliniert. Beispiele dafür sind die Sanktionen gegen Venezuela, die Versuche, den Iran wirtschaftlich zu strangulieren, oder die Handels- und Technologiekriege gegen China. Auch aufstrebende afrikanische Staaten werden durch Rohstoffabkommen, Kreditfallen und militärische Interventionen in Abhängigkeit gehalten.
Der „neue“ Imperialismus: alte Logik mit neuen Mitteln
Seit den 1990ern wurden ganze Räume durch Öffnungskuren aufgerissen. Der Abbau staatlicher Souveränität läuft über Handels- und Investitionsschutzabkommen, Schiedsgerichte, extraterritoriale Sanktionen und die Kontrolle von Zahlungsströmen. Militärische Gewalt fokussiert oft auf die Peripherie, wird aber durch mediale Operationen, NGO-Fronten und „Regimewechsel“-Taktiken vorbereitet. Der Begriff „humanitäre Intervention“ dient als Tarnkappe für Ressourcen- und Korridorpolitik. Hinzu kommen neue Instrumente wie Cyberangriffe, Finanzblockaden und die Nutzung von Big Data, um Staaten und Gesellschaften zu destabilisieren. Dadurch wird die Palette der Eingriffe ständig erweitert und verfeinert.
Beispiele: Irak 2003 – Vorwand „Massenvernichtungswaffen“, tatsächlich Öl und strategische Kontrolle. Libyen 2011 – Vorwand „Schutz der Zivilbevölkerung“, Ergebnis: zerfallener Staat, Bürgerkrieg, Sklavenmärkte. Syrien – Stellvertreterkrieg mit Hunderttausenden Toten. Afghanistan – zwanzig Jahre Besatzung, Milliardenprofite für private Sicherheitsfirmen, ein verwüstetes Land. Auch Venezuela, Iran oder Kuba zeigen, wie wirtschaftliche Blockaden, Informationskrieg und verdeckte Operationen miteinander verflochten werden, um Regierungen zu schwächen und Regimewechsel zu erzwingen.
Ökonomische Interessen: Energie, Logistik, Technologie
Krieg ist kein „Fehler“, sondern eine systemisch folgerichtige Option, wenn Wettbewerbsvorteile, Lieferketten, Rohstoffzugänge oder Währungsdominanz auf dem Spiel stehen. Energiekorridore, Seewege, Halbleiterketten, Datenkabel – wer die Infrastruktur kontrolliert, kontrolliert die Gegenwart und kassiert die Zukunft. Das erklärt die Hartnäckigkeit, mit der Pipelines gesprengt, Häfen militarisiert und Technologiekriege entfesselt werden.
Die Ukraine ist nicht nur ein Kriegsschauplatz, sondern ein Knotenpunkt: Energietransit, Agrarflächen, militärischer Vorposten. Für Russland: eine Frage der Sicherheit. Für die NATO: eine Frage der Expansion. Für die Konzerne: eine Frage der Profite. Ähnliches gilt für den Indopazifik: Hier bündeln sich Seewege, Halbleiterproduktion und Energieversorgung – deshalb die US-Strategie der Einkreisung Chinas.
Friedenspolitik heißt Bruch mit der Logik der Expansion
Eine echte Friedenspolitik kann sich nicht in Appellen erschöpfen. Sie setzt auf: Auflösung der Militärblöcke, Rückbau von Stützpunkten, Stopp von Rüstungsexporten, Schuldenstreichungen für den globalen Süden, Re-Kommunalisierung von Energie und Infrastruktur, Sicherung strategischer Versorgung unter demokratischer Kontrolle. Friedenspolitik ist untrennbar sozial: Löhne rauf, Preise runter, öffentliche Daseinsvorsorge ausbauen, Produktion am gesellschaftlichen Bedarf orientieren.
Russland, China und der Wandel der Weltordnung
Der Machtverlust des alten Westens äußert sich in hysterischer Eskalation. Russland steht – trotz aller Widersprüche – als militärischer und zivilisatorischer Gegenpol zur NATO. China stellt die ökonomische Achse in Frage, indem es Technologie, Kreditlinien und Infrastrukturprojekte anbietet, die nicht direkt an die Unterordnung unter Washington gebunden sind. Wer eine multipolare Ordnung will, muss Angriffe auf diese Gegenpole als das benennen, was sie sind: Versuche, die alte Dominanz mit allen Mitteln zu retten.
Auch andere Kräfte treten hervor: die BRICS-Staaten, regionale Bündnisse in Lateinamerika, die Afrikanische Union. Sie suchen nach Wegen, sich der Dominanz der westlichen Finanzmärkte und Militärbündnisse zu entziehen. Je stärker diese Blöcke werden, desto aggressiver die Reaktion des Westens.
Medienkrieg: Die Schlacht um die Köpfe
In den letzten Jahren wurde dies besonders sichtbar: Kampagnen gegen Russland, die mit Dämonisierung des politischen Gegners arbeiteten, oder die systematische Darstellung Chinas als Bedrohung für die „freie Welt“. Diese Beispiele zeigen, wie Medienkriege konkrete politische Eskalationen vorbereiten.
Die Materialschlachten werden von Propagandaschlachten begleitet. „Faktenchecker“ ersetzen Untersuchungsausschüsse, zensierende Plattformen ersetzen öffentliche Debatten. Das Ziel: Kriege als „Verteidigung“ und Sanktionen als „Rechtsstaat“ zu verkaufen. Friedenskräfte brauchen Gegenöffentlichkeit: eigene Medien, lokale Netzwerke, Bildungsarbeit in Betrieben, Schulen, Vereinen. Wer die Sprache zurückerobert, nimmt den Kriegen ihre Tarnkappe.
Die Manipulation reicht von Hollywood bis in Schulbücher, von Computerspielen bis in Talkshows. Die Dämonisierung von Gegnern – ob Russland, China, Iran oder Venezuela – folgt stets denselben Mustern. Deshalb muss Gegenöffentlichkeit internationalistisch sein und die Stimme der Unterdrückten hörbar machen.
Gewerkschaften: Zwischen Sozialpartnerschaft und Klassenkampf
Wo Sozialpartnerschaft regiert, werden Belegschaften stillgestellt, während Standortlogik und Rüstungskonjunktur die Arbeitsmärkte diktieren. Ein anderer Kurs ist möglich: antimilitaristische Tarifpolitik, Streiks gegen Entlassungen und Auslagerungen, Kampagnen gegen Privatisierung, für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Betriebe sind nicht nur Produktionsorte – sie sind Hebel der Gesellschaftsveränderung. Gerade in den Rüstungsindustrien könnte eine konsequente Gewerkschaftspolitik enorme Wirkung entfalten, indem sie die Produktion für Kriegszwecke verweigert und stattdessen auf zivile Konversion drängt.
In den 1980er Jahren führten britische Bergarbeiterkämpfe und italienische Metallarbeiterstreiks vor Augen, dass Klassenkampf auch gegen imperialistische Kriegslogik wirken kann. Beispiele aus Lateinamerika – etwa die Kämpfe der chilenischen Hafenarbeiter oder die Widerstandsaktionen brasilianischer Gewerkschaften – zeigen, wie internationale Solidarität organisiert werden kann. Heute könnte ein Stopp der Rüstungsproduktion in deutschen Werken oder französischen Werften enorme politische Wucht entfalten. Auch in den USA formieren sich Bewegungen in Gewerkschaften, die den Kriegskurs in Frage stellen, während in Asien und Afrika erste Netzwerke entstehen, die ähnliche Forderungen erheben und den Aufbau globaler Gegenmacht einleiten.
Widerstand von links: Programm und Praxis
1. Stoppt den Kriegskurs: Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, Austritt aus Interventionsbündnissen, Diplomatie statt Eskalationslogik.
2. Souveränität zurückholen: Energie, Verkehr, Gesundheit, Wohnen dem Markt entziehen; demokratische Kontrolle über Schlüsselbranchen.
3. Umverteilung von oben nach unten: Vermögensabgaben, progressive Besteuerung, Ende der Steuerflucht, Aufbau eines öffentlichen Investitionsprogramms für Pflege, Bildung, Klimaumbau – sozial gerecht und friedensorientiert.
4. Internationale Solidarität: Kooperation mit Ländern, die sich der Unterordnung entziehen, Unterstützung der Sanktionsopfer, Aufbau eines fairen Handels, der Entwicklung statt Extraktion fördert.
5. Medienreform: Transparente Finanzierung, Antikonzentrationsrecht, rechtliche Absicherung pluraler Gegenöffentlichkeit.
6. Kulturelle Offensive: Förderung kritischer Kunst und Kultur, die der Kriegspropaganda entgegentritt und alternative Zukunftsbilder entwickelt.
Historische Lehren: Krisenrhythmus und Eskalationsspirale
Krisen als Motor imperialer Eskalation
Jede große Krise – 1873, 1929, 1970er, 2008, die jüngsten Energie- und Lieferkettenkrisen – wurde mit einer Mischung aus innerer Disziplinierung und äußerer Expansion beantwortet. Das Muster bleibt unverändert: Wenn der Profit im Inneren stockt, wird im Äußeren die Landnahme intensiviert. Deshalb ist Friedenspolitik ohne soziale und ökonomische Neuordnung eine Illusion; und soziale Politik, die die globale Eskalationslogik ignoriert, bleibt hilflos.
Beispiele moderner Krisenpolitik
Die Coronapandemie zeigte, wie Krisenpolitik im 21. Jahrhundert funktioniert: Rettungsschirme für Konzerne, Abwälzung der Kosten auf Beschäftigte, neue Verschuldungsfallen für den Süden. Zugleich wurden die Rüstungsbudgets erhöht, während Kliniken und Pflegepersonal an der Grenze standen. Hier offenbart sich die Kontinuität: Krisen sind Hebel zur Reorganisation kapitalistischer Herrschaft.
Ähnliche Muster waren auch in der Bankenkrise 2008 zu beobachten: Milliarden flossen in Finanzhäuser, während Millionen Beschäftigte ihre Jobs und Wohnungen verloren. In Europa wurden Austeritätsprogramme durchgesetzt, die ganze Gesellschaften destabilisierten, wie in Griechenland, Spanien oder Portugal. Auch die Energiekrise infolge der Sanktionspolitik gegen Russland zeigte, wie schnell soziale Lasten nach unten durchgereicht werden, während Energiekonzerne Rekordgewinne verzeichnen. Diese Beispiele verdeutlichen: Krisen sind nicht Naturereignisse, sondern bewusst eingesetzte Werkzeuge der Umverteilung von unten nach oben.
Perspektive: Ein anderes Entwicklungsmodell
Ein Entwicklungsmodell jenseits der imperialen Logik setzt auf Bedürfnisse statt Renditen, Kooperation statt Plünderung, Planung entlang demokratischer Prioritäten statt kurzfristiger Bilanzen. Das heißt: Energie- und Ernährungssouveränität, öffentlicher Wohnungsbau, regionale Industriekreisläufe, Forschung für gesellschaftliche Nutzung, freie Bildung, Kultur und Wissenschaft. Das ist nicht Utopie, sondern die nüchterne Antwort auf die Schäden, die die alte Ordnung täglich produziert.
Ein solches Modell braucht internationale Kooperation: solidarische Handelsabkommen, Technologietransfer ohne Patentregime, gemeinsame Strategien für Klimaumbau und Ernährungssouveränität. Nur so lässt sich der zerstörerischen Logik des Imperialismus ein positives Projekt entgegensetzen.
Klarheit schafft Kraft
Imperialismus ist wandelbar in der Form, konstant in der Funktion. Wer die drei Verhältnisse – Gewaltpolitik, Akkumulation, Raum – zusammendenkt, erkennt das Muster hinter den Nachrichten. Friedenskräfte brauchen keine neuen Schlagworte, sondern neue Mehrheiten. Diese entstehen, wenn Gewerkschaften, Mieterinitiativen, Friedensbewegung, kritische Intellektuelle und internationale Partner den Schulterschluss wagen. Der Bruch mit der Logik der Expansion ist keine moralische Geste, sondern die Voraussetzung für sozialen Fortschritt.