Im Gleichschritt mit den Trommeln – Deutschlands Intellektuelle im Dienst der Kriegspropaganda
Deutschland ist wieder wer. Und wieder einmal zeigt sich, dass die deutsche Seele nicht ohne Krieg zur Ruhe kommt. Was früher das Vaterland, später die westliche Wertegemeinschaft, dann das freie Europa war – es ist immer dieselbe Melodie. Schon 1914 feierten Intellektuelle wie Thomas Mann den „Geist von 1914“, als ob der Krieg eine kulturelle Erhebung wäre. Auch 1999, beim völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien, wurde der Luftkrieg als „humanitäre Intervention“ gerechtfertigt – mit freundlicher Unterstützung großer Medienhäuser.
Und wie einst begleiten auch heute die Intellektuellen den Marsch. Sie schreiben Leitartikel, halten Vorträge, geben Interviews – und sie fordern: „Kriegstüchtigkeit“.
Dabei geht es nicht um Verteidigung im klassischen Sinn. Es geht um eine neue Mobilmachung, eine innere Umrüstung, einen geistigen Feldzug. Und dieser beginnt nicht im Bundestag, sondern in den Redaktionen, Universitäten, Kulturhäusern. Dort, wo einst über Utopien, Klassenfragen und Weltfrieden diskutiert wurde, regiert heute die Kriegslogik. Kritisches Denken wird ersetzt durch Blockdenken. Schwarz-Weiß statt Analyse. Loyalität statt Wahrheit.
Wenn Kultur zur Waffe wird
Es sind nicht die Generäle, die heute das Feuer legen. Es sind Professoren, Redakteure, Literaturkritiker. Wo früher Kant, Marx oder Brecht diskutiert wurden, da stehen heute Strack-Zimmermann, Hofreiter und Baerbock im Mittelpunkt der Debatte – und sie werden umarmt von jenen, die einst Friedenslieder sangen.
Der Krieg ist zur Tugend geworden, zur moralischen Pflicht. Und wer nicht mittut, gilt als Verräter. So schnell kann es gehen. Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ausgerechnet grüne Politiker Panzerlieferungen fordern oder Feuilletonisten wie Jan Brachmann von der *FAZ* in Kriegsbegeisterung verfallen. Heute ist das normal.
Kunst- und Kulturpreise gehen an Werke, die „Solidarität mit der Ukraine“ zeigen – etwa das Theaterstück „Slava Ukraini“ oder die Förderung für dokumentarische Projekte, die das Heldentum ukrainischer Soldaten preisen – was in Wahrheit meist bedeutet: Zustimmung zur militärischen Lösung. Friedensaufrufe werden belächelt oder diffamiert. Die neue Leitlinie heißt: Wer schweigt, stimmt nicht nur zu – er verrät die Demokratie.
Der Begriff der „Kriegstüchtigkeit“ stammt nicht aus der Arbeiterbewegung. Er ist ein kalter, technischer Ausdruck für einen Zustand, in dem ein Land wirtschaftlich, geistig und seelisch auf den Krieg eingestellt ist. Früher hätte man dazu gesagt: Mobilmachung. Heute heißt es „Verantwortung übernehmen“. Wer diesen zynischen Etikettenschwindel durchschaut, wird als Putin-Versteher abgekanzelt – oder gleich als „Agent Moskaus“.
Geschichtsvergessenheit mit Kalkül
Besonders gefährlich ist die Geschichtsklitterung. Wenn in deutschen Leitartikeln Stalin und Hitler wieder auf eine Stufe gestellt werden, wenn das Potsdamer Abkommen als „Absegnung von Stalins Beute“ dargestellt wird, dann ist das kein Zufall. Es dient einem Zweck: die historische Rolle der Sowjetunion – und damit Russlands – zu dämonisieren und jeden Widerspruch gegen die NATO-Politik als moralisch verkommen hinzustellen.
Dabei sind es nicht Russland oder China, die heute mit Militärstützpunkten in aller Welt vertreten sind. Es sind die USA und ihre Verbündeten. Deutschland eingeschlossen. Die angeblich „regelbasierte Ordnung“ bedeutet in Wahrheit: Die Regeln bestimmt, wer die Macht hat. Und wer sich nicht unterordnet, wird sanktioniert, eingekreist oder bombardiert.
Die Sowjetunion hat mit über 27 Millionen Toten maßgeblich zur Zerschlagung des Faschismus beigetragen. Der Versuch, ihre Rolle umzudeuten, ist nicht nur historisch falsch, sondern politisch gefährlich. Er bereitet eine ideologische Grundlage für neue Konfrontationen – gegen Russland, gegen China, gegen den globalen Süden insgesamt.
Zudem führt diese Geschichtsverfälschung dazu, dass jede Erinnerung an reale Alternativen – etwa den realen Sozialismus – gelöscht wird. Statt differenziert über die DDR zu sprechen, wird sie in einem Atemzug mit Nordkorea oder „totalitären Regimen“ genannt. Das Ziel: die moralische Überlegenheit des Westens zu untermauern, um seine militärischen Interessen als „Pflicht“ verkaufen zu können.
Sozialer Abstieg und Kriegsbegeisterung
Währenddessen geht es im Inneren bergab. Die Reallöhne sinken, Wohnungen werden unbezahlbar, Krankenhäuser geschlossen. Ganze Regionen verfallen. Und doch wird nicht über Armut gesprochen, sondern über Panzer. Nicht über Kinderarmut, sondern über Patriot-Raketen. Die soziale Frage ist verschwunden – ersetzt durch eine endlose Debatte über „Sicherheit“, „Verteidigungsbereitschaft“ und „transatlantische Verantwortung“.
Die Aufrüstung verschlingt Milliarden. Geld, das an anderer Stelle fehlt. Aber das wird verschwiegen. Stattdessen erklärt man uns, dass Frieden nur durch Stärke möglich sei. Dass Russland nur Gewalt versteht. Dass der Westen alles richtig mache. Und wer das anzweifelt, steht mit einem Bein außerhalb der Demokratie.
Gleichzeitig erleben wir, wie soziale Bewegungen diffamiert werden. Wer gegen Mietenwahnsinn oder Krankenhausschließungen protestiert, wird als „populistisch“ bezeichnet. Wer Waffenlieferungen kritisiert, dem wird „fehlende Solidarität“ vorgeworfen. Die Folge: eine gespaltene Gesellschaft, in der sich der Klassenkampf von oben gegen unten vollzieht – getarnt als außenpolitische Notwendigkeit.
Die Militarisierung des Denkens hat auch Folgen für das Bildungssystem. Lehrpläne werden umgeschrieben. „Demokratieförderung“ bedeutet heute oft: Zustimmung zur NATO, zur EU, zur Wehrhaftigkeit. Kritische Lehrerinnen werden gemeldet, alternative Materialien verboten. An Universitäten verschwinden linke Debatten, russische Literatur wird ausgelistet, pazifistische Thesen gelten als verdächtig.
Die neue Sprache des Krieges
Der Umbau der Sprache ist Teil der ideologischen Kriegsführung. Wo früher von Diplomatie die Rede war, heißt es heute: Abschreckung. Wo es einmal Entspannungspolitik gab, wird nun von „hybrider Kriegsführung“ gefaselt. Alles, was aus Moskau oder Peking kommt, ist „Desinformation“, alles aus Washington ist „verlässlich“. Selbst einfache Wahrheiten – wie etwa, dass Russland ein Nachbar Europas ist – werden zur Gefahr erklärt.
Diese Sprachverrohung bereitet den Krieg nicht nur vor, sie begleitet ihn. Und sie sorgt dafür, dass eine echte Friedensbewegung kaum noch hörbar ist. Wer heute gegen Waffenlieferungen demonstriert, steht schnell im Verdacht, „Demokratiefeind“ zu sein. Dabei war es die Friedensbewegung der 1980er Jahre, die Millionen Menschen mobilisierte – gegen NATO-Raketen, gegen den Kalten Krieg, gegen die Logik der Gewalt.
Die Sprache durchdringt inzwischen viele Bereiche des Alltags – von der Medienberichterstattung über Bildungsangebote bis hin zur Werbung. Begriffe wie „Zeitenwende“, „freiheitliche Ordnung“ oder „transatlantischer Konsens“ sind so tief eingebrannt, dass sie kaum noch hinterfragt werden. Die Entstehung eines neuen Nationalbewusstseins – diesmal im westlichen Gewand – ist längst im Gange.
Medien als Kriegstreiber
Die Rolle der Medien ist besonders verheerend. Was sich früher „vierte Gewalt“ nannte, dient heute als Lautsprecher der Regierung. Statt Kontrolle gibt es Begleitung. Statt Kritik Anpassung. Statt Recherche Empörung. Ob *Spiegel*, *FAZ*, *Zeit* oder *Tagesschau* – überall dieselben Bilder, dieselben Formulierungen, dieselben Deutungen. Wer dagegen anschreibt, wird blockiert, gelöscht, verleumdet.
Auch alternative Stimmen wie RT DE, NachDenkSeiten, junge Welt oder unabhängige Blogger werden systematisch unterdrückt. Die Sperrung dieser Plattformen oder die Hetze gegen sie in den Leitmedien ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Begründet wird das mit dem Kampf gegen „Desinformation“. Doch wer entscheidet, was wahr ist? Offenbar jene, die auch Waffen liefern, Kriege führen und Sanktionen verhängen.
Journalismus wird so zur Waffe. Ein Beispiel: Die Ausladung kritischer Stimmen wie Sevim Dağdelen aus Talkshows oder die Streichung regierungskritischer Beiträge aus öffentlich-rechtlichen Mediatheken zeigt, wie sehr der Raum für abweichende Meinungen geschrumpft ist. Redaktionen gleichen heute oft Kommandozentralen der Meinungsschlacht. Kritik an der Regierung gilt als „staatszersetzend“, Zweifel an westlicher Moral als „russisches Narrativ“. Der Journalismus hat sich selbst abgeschafft – oder besser: er wurde abgeschafft von denen, die sich einst „Wächter der Demokratie“ nannten.
Die Rückkehr des Bellizismus
Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland geistig auf Krieg getrimmt wird. Schon im Kaiserreich marschierten Dichter und Denker begeistert mit. Auch 1914 und 1939 war der Schulterschluss zwischen Intellektuellen, Regierung und Militär erschreckend eng. Heute geschieht das Gleiche – nur mit anderen Schlagwörtern und in anderer Verpackung.
Der neue Bellizismus tritt modern auf. Er kommt im Gewand der „feministischen Außenpolitik“, der „Sicherheitsgarantie für Europa“, der „Solidarität mit den Unterdrückten“. Doch im Kern bleibt es imperialistische Politik. Es geht um Vormacht, um Einfluss, um Profite – und um die Verteidigung eines Systems, das längst am Ende ist.
Die „Zeitenwende“ der Bundesregierung ist nichts anderes als ein ideologischer Ausnahmezustand. Die kapitalistische Krise wird nicht gelöst, sondern militarisiert. Und während die Profiteure der Rüstungsindustrie jubeln, zahlen Arbeiterinnen, Rentner und Jugendliche den Preis – mit ihrem Geld, ihrer Zukunft, womöglich mit ihrem Leben.
Es gibt eine historische Verantwortung – aber sie besteht nicht darin, Waffen zu liefern. Sie besteht darin, nie wieder Krieg zu führen. Nie wieder auf dem Rücken anderer Länder Wohlstand zu sichern. Nie wieder die Interessen der Konzerne über das Leben von Menschen zu stellen.
Was tun?
Die Antwort kann nicht sein, sich zurückzuziehen. Der Widerstand muss lauter werden. Wir brauchen eine neue Friedensbewegung, die nicht von Parteizentralen gesteuert wird, sondern von unten kommt. Von Arbeiterinnen und Arbeitern, von Studierenden, von Rentnern, von allen, die nicht bereit sind, für fremde Interessen zu sterben oder zu hungern.
Wir brauchen eine klare Sprache, eine marxistische Analyse – also eine Betrachtung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Lichte von Klasseninteressen, Eigentumsverhältnissen und der Frage, wer von Krieg und Aufrüstung profitiert – und vor allem: den Mut, Nein zu sagen. Nein zu Aufrüstung. Nein zu Medienhetze. Nein zur Unterordnung unter ein westliches System, das Kriege führt, während es sich als Verteidiger der Menschenrechte ausgibt.
Wir brauchen Zeitungen, Reden, Demonstrationen – und das Bewusstsein, dass Frieden nicht vom Himmel fällt. Er muss erkämpft werden – gegen die, die uns den Krieg als Normalität verkaufen wollen. Und wir brauchen eine Strategie, die sich nicht erschöpft im Protest, sondern Alternativen aufzeigt: ein Wirtschaftssystem ohne Krieg, ein Zusammenleben ohne Ausbeutung, eine Außenpolitik der Völkerfreundschaft.
Es geht um viel. Um Leben und Tod. Um Wahrheit und Lüge. Um Krieg und Frieden. Und es geht um die Frage, ob wir bereit sind, uns zu erheben – gegen die Herrschenden, gegen die Meinungsmacher, gegen den Krieg.