Hans Grüning – Antifaschistischer Widerstandskämpfer
Hans Grüning (1917–1944) war ein junger deutscher Kommunist, ein unbeugsamer Gegner des faschistischen Hitler-Regimes und ein Vorbild proletarischer Aufrichtigkeit. Früh politisiert durch seine Herkunft, den Klassenkampf und die Ungerechtigkeiten seiner Zeit, stellte er sich unbeirrt der braunen Diktatur entgegen. Er wählte nicht den Weg des Schweigens oder der Anpassung, sondern trat mit klarer Haltung und fester Überzeugung in die Reihen des antifaschistischen Widerstands. Mit Mut, Konsequenz und Hingabe setzte er seinen Kampf gegen Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung bis zu seinem gewaltsamen Tod fort.
Sein Lebensweg steht exemplarisch für das Bündnis von Theorie und Praxis in der Arbeiterbewegung: Er verband das Erlernen politischer Zusammenhänge mit konkretem Handeln – ob als Kurier, Organisator oder als agitatorischer Motor der Widerstandsarbeit, also als jemand, der durch Überzeugungskraft, politische Klarheit und strategisches Denken andere zum Handeln motivierte und organisierte. Als Kommunist war er ein Internationalist: Die Zusammenarbeit mit sowjetischen Kriegsgefangenen in seinem letzten Widerstandsjahr zeigte seine tiefe Überzeugung, dass der Sieg über den Faschismus nur durch gemeinsame, internationale Anstrengungen errungen werden kann.
Hans Grüning gehört zu jenen, deren Namen oft nicht in den Geschichtsbüchern der Herrschenden stehen – aber tief eingebrannt sind in das Gedächtnis derjenigen, die für Gerechtigkeit, Frieden und Sozialismus kämpfen. Im Angesicht von Verfolgung, Zwangsarbeit, Folter und Tod hielt er an seinem Ziel fest: einer Welt ohne Faschismus und Krieg. Mit seinen Taten schrieb er sich in die Geschichte des deutschen und internationalen Widerstands ein – nicht als Märtyrer, sondern als Kämpfer, als Genosse, als Mensch mit Haltung.
Frühe Jahre und politischer Werdegang
Hans Grüning wurde am 29. Januar 1917 in Dortmund-Klein-Barop als Sohn einer einfachen Arbeiterfamilie geboren. Die soziale Lage seiner Familie war von den wirtschaftlichen Verwerfungen der Nachkriegszeit, Inflation und Massenarbeitslosigkeit geprägt. Seine Mutter versuchte mit aller Kraft, durch Gartenarbeit und den Verkauf der Ernte auf dem Wochenmarkt das Überleben der Familie zu sichern. Sein Vater, ein überzeugter Arbeiter mit internationaler Erfahrung, war durch politische Repression und Arbeitsplatzverlust schwer getroffen. All dies machte auf den jungen Hans einen prägenden Eindruck und ließ ihn schon früh die Ursachen sozialer Ungerechtigkeit hinterfragen. Besonders die Hilflosigkeit seiner Mutter auf dem Markt und die immer wiederkehrenden Kündigungen und Demütigungen, die sein Vater als engagierter Arbeiter erlitt, hinterließen bei ihm eine tiefe Wut und führten zu der Einsicht, dass gesellschaftliche Verhältnisse nicht gottgegeben, sondern politisch veränderbar sind.
Er besuchte die örtliche Volksschule in Klein-Barop, deren bescheidene Ausstattung ihm aber nicht hinderte, sich selbst politisch zu bilden. Die „Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“ (AIZ), die im Hause Grüning regelmäßig gelesen wurde, öffnete ihm die Augen für die Realität des Klassenkampfes. Besonders die eindrucksvollen Bildmontagen von John Heartfield, die den Faschismus entlarvten, sowie Reportagen über die Lage der Arbeiter in Deutschland und über internationale Kämpfe, etwa in Spanien oder China, beeindruckten ihn tief und weckten sein politisches Interesse. Die Bilder, Berichte und Analysen über Ausbeutung, Kolonialismus, Kriegshetze und internationale Solidarität prägten ihn tief. Bereits als 14-Jähriger trat er im November 1931 dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei. Er war voller Tatendrang und übernahm bald als Kassierer Verantwortung in der Ortsgruppe Barop, die eng mit der KPD zusammenarbeitete.
In dieser Zeit entwickelte sich auch sein kämpferischer Charakter. Die theoretischen Einsichten, die er durch politische Lektüre und Diskussionen im KJVD gewann, verband er zunehmend mit praktischem Handeln. Er sah im Faschismus nicht nur ein politisches Übel, sondern ein System, das mit Gewalt, Ausbeutung und Krieg gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung gerichtet war – und dem man sich widersetzen musste. Sein politisches Bewusstsein mündete in konkrete Aktionen: das Verteilen von Flugblättern, die Organisation von Treffen, die direkte Konfrontation mit SA-Schlägern. Für Hans war Widerstand kein abstrakter Begriff, sondern Ausdruck gelebter Verantwortung – im Alltag, auf der Straße, im Gespräch mit anderen Jugendlichen. In einem politischen Klima, das zunehmend von Gewalt und Repression gegen die Arbeiterbewegung geprägt war, stellte sich Hans zusammen mit anderen mutigen Jugendlichen der faschistischen SA entgegen. Bei Flugblattaktionen und in handfesten Auseinandersetzungen zeigte er Furchtlosigkeit und Solidarität. Die faschistische Machtergreifung 1933 war für ihn ein Schock – aber auch ein Fanal. Besonders tief traf ihn die Verhaftung seines Vaters durch die Gestapo. Dieser wurde nach 16 Monaten Haft als Staatenloser abgeschoben. Dieses Unrecht entfachte in Hans den entschiedenen Willen, Widerstand zu leisten – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Pflichtgefühl gegenüber der Klasse, seiner Familie und der Wahrheit.
Da ihm der Zugang zu einer regulären Ausbildung verwehrt blieb, wurde er 1932 als billige Arbeitskraft in die ostdeutsche Provinz geschickt. In Pommern und Mecklenburg arbeitete er als Landarbeiter unter elenden Bedingungen. Dort erlebte er nicht nur die rücksichtslose Ausbeutung durch Großgrundbesitzer, sondern auch die politische Ohnmacht der dortigen Landarbeiter, denen jede Möglichkeit zur Organisation genommen worden war. Immer wieder kehrte er in kurzen Abständen nach Dortmund zurück, um sich mit Gleichgesinnten zu besprechen und weiterhin im Widerstand aktiv zu bleiben. Der Widerspruch zwischen seiner Erfahrung auf dem Land und den Idealen von Gerechtigkeit und Solidarität bestärkte seinen Hass gegen das kapitalistische System und die faschistische Ausbeutungsordnung. Er wusste: Nur durch bewusste Organisation, durch gegenseitige Unterstützung und politischen Kampf konnte die Macht der Unterdrücker gebrochen werden.
Widerstand gegen das faschistische Regime
Trotz zunehmender Repression blieb Hans Grüning politisch aktiv. Sein Mut, seine Konsequenz und seine Fähigkeit zur konspirativen Arbeit machten ihn zu einem unersetzlichen Teil der illegalen Organisationen in Dortmund. Als Kurier der verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) schmuggelte er 1935 wichtige Unterlagen von der Parteileitung in Amsterdam nach Dortmund. Der Weg dorthin war lang und gefährlich, durchzogen von Zollposten, Zivilstreifen und Spitzeln. Ein falsches Wort, ein misstrauischer Blick hätte genügt, um ihn auffliegen zu lassen. Doch Hans zeigte Einfallsreichtum und Nervenstärke: Um das belastende Material zu verstecken, zerlegte er sein Fahrrad, rollte die Drucksachen in Ölpapier und versenkte sie in das hohle Sattelrohr. Bei Wind und Regen durchquerte er die grüne Grenze zu Fuß, das Rad neben sich herschiebend, stets bereit, die Flucht zu ergreifen oder eine Ausrede parat zu haben.
In Amsterdam hatte er zuvor vor einer Kommission der Auslandskader – darunter auch Wilhelm Knöchel – Rede und Antwort gestanden. Erst nach einem intensiven Gespräch, in dem er seine Standhaftigkeit und politische Klarsicht unter Beweis stellte, vertraute man ihm die Unterlagen an: Resolutionen der Brüsseler Konferenz, Berichte zur Lage der Partei, Materialien für die Agitation. Mit diesen Dokumenten kehrte er an Heiligabend 1935 zurück nach Dortmund. Die Gruppe in Barop erhielt damit frühzeitig Informationen, noch bevor die übergeordnete Bezirksleitung versorgt werden konnte.
Diese Kurierfahrt war eine Heldentat – nicht nur wegen der Gefahr, sondern wegen des politischen Gewichts der Mission. Sie bewies sein Verantwortungsgefühl, seine Disziplin und seine tiefe Bindung an die Bewegung. Hans Grüning zeigte damit, dass auch ein junger Arbeiter im Herzen des faschistischen Deutschlands in der Lage war, mutig, klug und entschlossen für die kommunistische Sache einzustehen.
Nach seiner Rückkehr organisierte Hans zusammen mit Genossen aus der KPD, der SPD und sogar Teilen der katholischen Arbeiterjugend den antifaschistischen Widerstand in Dortmund neu. In einer Zeit, in der viele frühere Genossen bereits verhaftet oder zur Emigration gezwungen worden waren, hielt diese Gruppe an der Überzeugung fest, dass die faschistische Herrschaft nicht ewig dauern könne. Auch ohne zentrale Leitung hielten sie den Kontakt untereinander aufrecht, entwickelten Informationsketten, warnten vor Spitzeln, verteilten verbotene Schriften wie das „Ruhr-Echo“ und sorgten für die Angehörigen politischer Gefangener. Die Informationsketten funktionierten über ein enges Netz von persönlichen Boten, verschlüsselten Botschaften, festgelegten Treffpunkten und konspirativen Wohnungen. Man nutzte Decknamen und Codes, um Inhalte zu übermitteln, und häufig dienten harmlose Notizzettel oder Bücher als Tarnmittel für Mitteilungen. Der antifaschistische Geist lebte weiter – nicht mehr auf Demonstrationen und in Parteiversammlungen, sondern im Flüstern, in der handschriftlichen Notiz, in der loyalen Geste unter Genossen.
Besonderen Einsatz zeigte Hans in der politischen Schulung der Jugend. Er versuchte, trotz aller Umstände die nächste Generation auf den Kampf vorzubereiten. In heimlichen Treffen mit jungen Arbeitern erklärte er die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, vermittelte marxistische Grundkenntnisse und ermutigte zum Widerstand. Dabei griff er auf Materialien der KPD zurück, darunter antifaschistische Broschüren, zusammengetragene Zitate von Marx, Engels und Lenin sowie Berichte aus dem illegalen Rundfunk. Themen wie Klassenanalyse, Faschismustheorie, internationale Solidarität und revolutionäre Geschichte standen im Mittelpunkt der Gespräche. Die Schulungen fanden in konspirativen Wohnungen oder bei Waldspaziergängen statt – immer unter der ständigen Gefahr der Entdeckung. Doch diese Arbeit wurde zunehmend durch die Einberufungen zur Wehrmacht, den Reichsarbeitsdienst und die faschistische Durchdringung der Gesellschaft erschwert. Viele seiner Mitstreiter wurden zwangsrekrutiert oder durch die faschistische Propaganda demoralisiert.
Um mehr Freiraum für politische Arbeit zu erlangen und sich den Zugriffen der Arbeitsämter zu entziehen, entschloss sich Hans 1939, eine Fahrschule zu besuchen. Mit dem Beruf des Kraftfahrers erlangte er größere Mobilität und ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Nun konnte er nicht nur besser zwischen Orten und Kontakten pendeln, sondern auch seine Einsätze im Widerstand besser koordinieren – ein taktischer Schritt im Überlebenskampf der illegalen Bewegung. Es war ein weiterer Ausdruck seiner Entschlossenheit, trotz aller Umstände weiterzumachen und den antifaschistischen Kampf mit Intelligenz und Weitsicht fortzuführen.
Internationale Solidarität: Zusammenarbeit mit sowjetischen Patrioten
Mit dem Beginn des imperialistischen Krieges 1939 begann ein neues Kapitel des Widerstands: die Zusammenarbeit deutscher Antifaschisten mit verschleppten Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. Hans Grüning erkannte die Bedeutung dieser internationalen Solidarität früh. Anders als viele oppositionelle Gruppen, die Kontakte zu ausländischen Zwangsarbeitern mieden oder als zu gefährlich betrachteten, erkannte er den strategischen und menschlichen Wert dieser Verbindung: Der gemeinsame Kampf gegen das faschistische System konnte nur gelingen, wenn die Solidarität über nationale Grenzen hinweg reichte. In Barop war ein Lager für sowjetische Gefangene eingerichtet worden – mitten im Dorf, doch hinter Stacheldraht, von der Bevölkerung abgeschirmt. Die Nazis hatten bewusst solche Lager abgeschottet angelegt, um jegliche menschliche Begegnung zwischen deutschen Arbeitern und sowjetischen Gefangenen zu unterbinden. Doch Grüning durchschaute diese Taktik und widersetzte sich ihr.
Grüning und seine Mitstreiter nahmen mutig und planvoll Kontakt auf. Es begann mit kleinen Gesten: ein Stück Brot, ein kurzer Blick, ein geflüstertes Wort. Doch daraus entstand ein echtes Vertrauensverhältnis. Bald beteiligten sich zwei sowjetische Kameraden regelmäßig an konspirativen Treffen. Sie waren gebildete, politisch erfahrene Männer – ehemalige Offiziere oder Kader der KPdSU, darunter der Rotarmist Alexei Nikrassow, der bereits in seinem Lager politische Gespräche geführt hatte, die durch Krieg und Gefangenschaft nach Dortmund verschleppt worden waren. Im Bunker, den Hans in seinem Garten gebaut hatte – offiziell ein Luftschutzbunker, in Wahrheit ein Ort des Widerstands – entwickelten sie gemeinsam eine politische Strategie. Sie hörten verbotene Radiosender wie Radio Moskau, diskutierten über den Krieg, analysierten die militärische Lage und fertigten gemeinsam das legendäre Flugblatt „Kumpel an Ruhr und Rhein“ an:
„Kumpel, wie lange willst du noch helfen, den Krieg in die Länge zu ziehen? Mit jeder Tonne Kohle, die du lieferst, forderst du unzählige Menschenleben. Spürst du nicht, wie die Kriegsgewinnler dir das Mark aus den Knochen ziehen? [...] Du bist ein moderner Sklave. Ohne Kohle läuft kein Rad. Du hast es in der Hand!“
Die Sprache war klar, verständlich und kämpferisch. Sie appellierte an das Klassenbewusstsein der deutschen Bergarbeiter, verband ökonomische Ausbeutung mit imperialistischer Kriegspolitik und forderte zum passiven Widerstand auf: Sabotage durch Verlangsamung der Arbeit. Dieses Flugblatt war mehr als nur ein Stück Papier – es war Ausdruck der praktischen Völkerfreundschaft zwischen Deutschen und Sowjetmenschen. Es wurde heimlich vervielfältigt, in Umkleidekabinen, Werkskantinen und Grubenstollen ausgelegt – unter Lebensgefahr. Die Verteilung erfolgte oft im Schutz der Dunkelheit, durch Vertrauenspersonen in den Betrieben oder während Schichtwechseln, wenn die Aufmerksamkeit der Werksleitung abgelenkt war. Einige Exemplare wurden auch gezielt in Brotbeuteln oder Werkzeugtaschen hinterlegt, um sie so unauffällig weiterzugeben. Die Reaktionen reichten von heimlicher Zustimmung über Weitergabe bis hin zur Denunziation – jeder Handgriff war mit größtem Risiko verbunden, doch das Flugblatt wirkte wie ein Fanal: Es sagte den Arbeiterinnen und Arbeitern, dass sie nicht allein waren. – es war Ausdruck der praktischen Völkerfreundschaft zwischen Deutschen und Sowjetmenschen. Es wurde heimlich vervielfältigt, in Umkleidekabinen, Werkskantinen und Grubenstollen ausgelegt – unter Lebensgefahr.
Diese Schrift, gemeinsam mit sowjetischen Patrioten verfasst, war ein Höhepunkt der internationalen Solidarität. Die sowjetischen Genossen – klassenbewusste Kämpfer mit strategischem Verstand – brachten ihren politischen Weitblick ein. Sie trugen dazu bei, dass die zersplitterten Widerstandsgruppen im Ruhrgebiet neue Orientierung erhielten. Anders als oft dargestellt, waren sie nicht nur Empfänger von Hilfe, sondern aktive Träger des Widerstands. Gemeinsam mit Hans riefen sie zur Arbeitssabotage auf, forderten die Gründung von Komitees, organisierten Informationen, schulten politische Inhalte – und brachten den Widerstand in die Betriebe. Es war ein gelebter Internationalismus, in dem Menschen verschiedener Herkunft und Sprache sich als Teil einer gemeinsamen Sache verstanden: dem Kampf gegen den Faschismus.
NS-Justiz und Mordurteil
Doch der Faschismus schlug zurück. Anfang 1944 wurde Hans Grüning verhaftet. Ein Nachbar, offenbar aus ideologischer Feindseligkeit oder Eigennutz, hatte ihn bei der Gestapo angezeigt. Die faschistische Polizei führte eine großangelegte Verhaftungsaktion durch: Neben Hans Grüning wurden auch seine Ehefrau Elfriede, die beiden sowjetischen Kameraden Nikrassow und Stuschka sowie mehrere deutsche Genossen festgenommen. Sie alle wurden getrennt voneinander verhört, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. In den Verhören übernahm Hans alle Schuld. Standhaft und solidarisch versuchte er, die Verantwortung auf sich zu nehmen, um seine Mitstreiter zu entlasten. Er schwieg über Namen, über Strukturen, über Zusammenhänge. Die Gestapo aber brauchte keinen Nachweis – allein seine Haltung, sein Engagement, sein Internationalismus genügten, um ihn dem Tode auszuliefern.
Am 9. Juni 1944 stand Hans Grüning vor dem berüchtigten Volksgerichtshof. Der Prozess war eine Farce. Der Senat unter Vorsitz von Dr. Löbmann verurteilte ihn wegen „Wehrkraftzersetzung“, „Verleitung zur Arbeitssabotage“ und „Verbreitung feindlicher Rundfunkhetze“ zum Tode. Die Anklage diente dem Regime zur Abschreckung: Ein Zeichen gegen Solidarität mit den sowjetischen Genossen, gegen Sabotageaufrufe, gegen proletarischen Internationalismus. Im Urteil findet sich der zynische Vermerk: „schwarzer Anzug erforderlich“ – ein bürokratischer Ausdruck für einen würdelosen Mord.
Am 24. Juli 1944 wurde Hans Grüning im Zuchthaus Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil hingerichtet. Die Hinrichtung geschah unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es gab keine Trauerfeier, keine öffentliche Bekanntmachung. Seiner Frau wurde später nur die Nachricht übermittelt, dass „die Strafe vollstreckt“ sei. Seine letzten Stunden verbrachte er in völliger Isolation. Sein Abschiedsbrief an seine Frau, in klarer Handschrift verfasst, zeugt von Mut, Liebe und unerschütterlicher Überzeugung.
Seine beiden sowjetischen Freunde, Nikrassow und Stuschka, wurden nicht vor Gericht gestellt. Sie wurden als „staatspolizeiliche Maßnahme“ heimlich ermordet – erschossen, erhängt oder zu Tode geschlagen, wie so viele andere sowjetische Kriegsgefangene, deren Widerstand im Verborgenen stattfand. Ihre Leichen verschwanden, ihre Namen sollten ausgelöscht werden. Erst Jahrzehnte später bemühten sich antifaschistische Initiativen darum, ihre Identität zu rekonstruieren und ihr Andenken zu bewahren – etwa durch Gedenkveranstaltungen, Dokumentationen und Recherchen zur Rolle sowjetischer Zwangsarbeiter im deutschen Widerstand. Aber ihr Mut, ihre Freundschaft, ihr Opfer gehören zur Geschichte unseres gemeinsamen antifaschistischen Kampfes. In der engen Verbindung zwischen Hans Grüning und diesen sowjetischen Patrioten zeigt sich der gelebte Internationalismus, der auch unter den barbarischsten Bedingungen nicht gebrochen werden konnte.
Nachkriegszeit und Vermächtnis
Mit der Befreiung vom Faschismus kehrte die Erinnerung an die Helden des Widerstands zurück. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde Hans Grüning als einer der aufrechten Vorkämpfer des antifaschistischen Deutschlands geehrt. Seine Biografie fand Eingang in Schulbücher, Gedenkschriften und politische Bildungsprogramme. Besonders hervorgehoben wurde die enge Zusammenarbeit mit den sowjetischen Kriegsgefangenen – ein gelebtes Beispiel proletarischer Völkerfreundschaft. In vielen Schulen wurde sein Name genannt, Wandzeitungen berichteten von seinem Kampf, Jugendbrigaden nahmen ihn sich zum Vorbild. In zahlreichen Brigaden und Jugendkollektiven wurde „Hans-Grüning“ als Namenspatron gewählt, insbesondere im Bergbau und in der metallverarbeitenden Industrie.
Auch in der politischen Kunst und Literatur der DDR wurde Grüning erinnert: in Gedichten, Theaterstücken, Wandbildern und in Erzählungen über die kommunistischen Widerstandskämpfer. In der antifaschistischen Traditionspflege der FDJ (Freie Deutsche Jugend) wurde sein Name regelmäßig genannt – nicht nur als Symbol der Standhaftigkeit, sondern auch als Ausdruck praktizierten Internationalismus'.
In Westdeutschland hingegen blieb die Erinnerung an Hans Grüning lange Zeit marginalisiert. Das Klima des Kalten Krieges, der grassierende Antikommunismus und die enge personelle Kontinuität in Polizei, Justiz und Verwaltung mit der NS-Zeit verhinderten eine ehrliche Auseinandersetzung. Erst in den 1970er Jahren – im Zuge der Neuen Ostpolitik und wachsender antifaschistischer Bildungsarbeit – begannen sich kleine Kreise und linke Initiativen systematisch mit seinem Leben zu beschäftigen. Die Dokumentation von Marlis Pawlak und Heinz Junge war ein Meilenstein: Sie sammelte Zeugnisse, Briefe, Erinnerungen und analysierte zugleich die politische Bedeutung seines Handelns. Sie erschien in mehreren Auflagen, wurde auf Veranstaltungen verteilt und fand Eingang in zahlreiche Gedenkinitiativen der späten Bundesrepublik.
In Dortmund trägt heute eine Straße seinen Namen, eine Gedenktafel am alten Amtshaus in Hombruch ruft ihn ins Gedächtnis. Initiativen wie die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) organisieren bis heute Gedenkveranstaltungen zu Ehren von Hans Grüning und seinen Kameraden. Dabei geht es nicht nur um Trauer oder Rückschau – sondern um ein politisches Erinnern, das die Kämpfe von damals mit den Herausforderungen von heute verknüpft: Gegen Rassismus, gegen Faschisierung, gegen soziale Spaltung und Kriegspolitik.
Auch im heutigen antifaschistischen Engagement lebt das Vermächtnis von Hans Grüning weiter. In Bündnissen gegen Rechts, in gewerkschaftlichen Jugendgruppen, in antifaschistischen Stadtrundgängen oder Bildungsprojekten wird seine Geschichte erzählt – oft verbunden mit der Warnung, dass Faschismus nicht aus dem Nichts kommt, sondern Ergebnis von Krisen, Ungleichheit und nationalistischer Hetze ist. Die Geschichte Hans Grünings macht Mut, weil sie zeigt: Auch ein einfacher junger Arbeiter kann Geschichte schreiben, wenn er sich organisiert, solidarisch handelt und dem Unrecht die Stirn bietet.
Sein Leben und Sterben sind Mahnung und Vorbild zugleich: für internationale Solidarität, für konsequenten Widerstand, für die Möglichkeit, selbst im tiefsten Terror menschlich zu handeln. Hans Grüning hat gezeigt, dass die Internationale nicht nur ein Lied ist – sondern ein Versprechen, das erfüllt werden kann. Sein Vermächtnis ist lebendig, überall dort, wo Menschen sich gegen Faschismus, Rassismus und Krieg erheben – im Geiste der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft.

Quellen und Literatur
Klotzbach, Kurt: Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933–1945, Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1970.
Dokumentation: Kumpel an Ruhr und Rhein, hrsg. von der VVN-BdA Dortmund, o. J.
FIR – Internationale Föderation der Widerstandskämpfer: Internationale Hefte der Widerstandsbewegung, Wien, diverse Ausgaben.
Dietz Verlag Berlin (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 5, Berlin 1966.
Bundesarchiv, Bestand R 58/1271: Prozessakte gegen Hans Grüning und Mitangeklagte, Volksgerichtshof 1944.
Gedenkstätte Steinwache Dortmund: Zeitzeugenberichte, Dokumentationsarchiv.
Zeitungsarchiv: Westfälische Landeszeitung Rote Erde, Ausgaben von 1943/44 (zitiert im Text mit konkreten Aussagen zur Zwangsarbeit und Repression).
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