Fritz Maiwald – Ein Leben im antifaschistischen Widerstand
Frühe Jahre und politisches Erwachen
Fritz Maiwald wurde am 24. August 1916 in Breslau (heutiges Wrocław) geboren. Seine Kindheit war geprägt von der sozialen Not der Nachkriegszeit und der politischen Radikalisierung der Weimarer Republik. Breslau war zu dieser Zeit eine industriell geprägte Großstadt mit starker Arbeiterbewegung, aber auch wachsendem Einfluss nationalistischer und reaktionärer Kräfte. In seiner Familie spielte politische Bildung eine wichtige Rolle: Sein Vater war Betriebsrat in einem städtischen Elektrizitätswerk und überzeugter Sozialdemokrat, der seinem Sohn früh die Grundwerte von Solidarität, Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung vermittelte. Fritz besuchte eine weltliche Schule, in der humanistische Ideale und demokratische Erziehung gelehrt wurden.
Schon als Lehrling zum Elektriker in Breslau engagierte er sich gewerkschaftlich. Früh erkannte er jedoch die Unentschlossenheit der SPD gegenüber dem aufkommenden Faschismus und suchte nach einem entschlosseneren politischen Weg. Er schloss sich der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) an – einer linken Abspaltung der SPD, die sich für die Einheitsfront gegen Hitler einsetzte und eine konsequente antimilitaristische Politik vertrat. Dort entwickelte er sich rasch zu einem aktiven jungen Kader im Kampf gegen die nationalsozialistische Gefahr.
Widerstand im Nationalsozialismus
Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde auch für Fritz Maiwald das Leben gefährlich. Der offene Widerstand gegen das Regime war nur noch im Untergrund möglich. Maiwald baute zusammen mit Genossen aus der SAP, der KPD und unabhängigen Antifaschisten ein illegales Netzwerk auf. Ihre Tätigkeiten reichten vom Verteilen von Flugblättern über das Organisieren konspirativer Treffen bis hin zur Hilfe für bedrohte Menschen. In nächtlichen Aktionen wurden antifaschistische Parolen an Hauswände gemalt und regimekritische Zeitungen in Briefkästen gesteckt – stets in der Gefahr, von Spitzeln oder Patrouillen entdeckt zu werden.
Eine besonders mutige Rolle spielte Maiwald im Aufbau einer Verbindung zur Tschechoslowakei (damals ČSR). Über geheime Wege und mit Hilfe von Schleusern und Genossen im Exil schleuste er Verfolgte – darunter Sozialisten, Kommunisten und Juden – über die Grenze, oftmals unter Lebensgefahr. Viele der Geretteten konnten dadurch ins sichere Ausland gelangen. Gleichzeitig brachte er illegale Schriften, politische Flugblätter und sogar verschlüsselte Botschaften zurück nach Deutschland, um über die wahren Zustände in Nazi-Deutschland aufzuklären und den Widerstand zu koordinieren. Er fungierte dabei als Kurier und Koordinator zwischen mehreren Zellen des Widerstandes, stets unter dem Damoklesschwert der Verhaftung durch die Gestapo. Besonders in den Jahren 1935 bis 1937 war sein Einsatz intensiv, als viele Netzwerke zerschlagen und wieder aufgebaut werden mussten.
Sein Engagement ging jedoch weit über organisatorische Aufgaben hinaus. Er war mitverantwortlich für die Erstellung illegaler Publikationen, beriet neue Mitglieder im Umgang mit Sicherheitstechniken und half mehrfach bei der Organisation sicherer Unterkünfte für Untergetauchte. Dabei bewegte er sich in einem Netz aus gegenseitigem Vertrauen und eiserner Disziplin – ein Versagen hätte für viele den Tod bedeutet.
Besonders tragisch wirkte sich der Widerstand auf seine Familie aus. Sein Vater wurde mehrfach von der Gestapo verhaftet, verhört und misshandelt. Die Wohnung der Familie wurde regelmäßig durchsucht, Bücher und Schriftstücke beschlagnahmt. Seine Schwester Ilse, die sich weigerte, ihren jüdischen Lehrherrn zu verlassen, wurde von den Behörden als „politisch unzuverlässig“ eingestuft, zur Zwangsarbeit in einem Schlachthof gezwungen und später in ein sogenanntes „Jugenderziehungslager“ verschleppt. Dort überlebte sie die unmenschlichen Bedingungen nicht. Trotz dieser persönlichen Verluste gaben Fritz und seine Familie den Widerstand nicht auf. Ihr Mut war Ausdruck einer tiefen moralischen Überzeugung: Niemals dem Unrecht weichen, sondern ihm entgegentreten – koste es, was es wolle. Für Maiwald bedeutete dies, Tag für Tag sein Leben zu riskieren – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus einer klaren Haltung gegen Unterdrückung, Rassismus und Krieg.
Verfolgung und Kriegsdienst
Als das Netz der Verfolgung enger wurde, fasste Fritz Maiwald gemeinsam mit seiner Gruppe einen kühnen Entschluss: Er ließ sich freiwillig zur Wehrmacht einziehen – mit dem Ziel, den Widerstand nun aus dem Inneren der faschistischen Armee heraus fortzusetzen. Diese Entscheidung war strategisch motiviert: Als Soldat würde er nicht nur mehr Bewegungsfreiheit haben, sondern auch Zugang zu Informationen und Einrichtungen, die dem Widerstand nützen konnten. Er wurde als Funker bei der Luftwaffe auf dem Fliegerhorst Wunstorf stationiert, einem wichtigen militärischen Standort im Westen Deutschlands.
Dort nutzte er seine Position gezielt, um Kontakte zu halten, Berichte weiterzuleiten und kleinere Sabotageakte zu planen. So sorgte er beispielsweise dafür, dass Geräte in der Funkzentrale zeitweise funktionsunfähig wurden, oder dass Materiallieferungen verzögert wurden. Diese Aktionen mussten äußerst vorsichtig durchgeführt werden, da selbst kleinste Verdachtsmomente mit drakonischen Strafen geahndet wurden.
Ein besonders waghalsiger Plan war der Versuch, mit einem Flugzeug zu desertieren und sich der Internationalen Brigade oder dem Widerstand im Ausland anzuschließen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an den Kriegsumständen – unter anderem wegen verschärfter militärischer Kontrollen, logistischer Schwierigkeiten und wachsender innerer Überwachung durch die Luftwaffe. Auch der Kreis der Mitwisser war klein, und es gab immer die Gefahr von Verrat.
Dennoch blieb Maiwald aktiv und hielt Verbindung zu anderen Widerständlern – selbst innerhalb der Truppe. Er versuchte, kritische Kameraden für den Gedanken des antifaschistischen Widerstands zu sensibilisieren, verteilte im Geheimen Informationen über Kriegsverbrechen der Wehrmacht und diskutierte über eine bessere Zukunft nach dem Ende des Hitler-Regimes. Seine Haltung war eindeutig: Auch in Uniform war er kein Soldat Hitlers, sondern ein Kämpfer gegen das faschistische System. Er betrachtete seinen Dienst nicht als Beitrag zum Krieg, sondern als taktische Tarnung, um im Innern der Diktatur das Licht des Widerstandes am Leben zu erhalten.
## Neuanfang in Hannover nach 1945
Nach der Befreiung 1945 blieb Maiwald in Hannover, wo er sofort am demokratischen Neuaufbau mitwirkte. Hannover war damals eine schwer zerstörte Stadt mit einer stark dezimierten Arbeiterbevölkerung und großer sozialer Not. Maiwald erkannte schnell, dass es nicht nur um den Wiederaufbau von Gebäuden, sondern um die Wiederherstellung einer gerechten Gesellschaft gehen musste. Er engagierte sich in der Entnazifizierungskommission und sorgte dafür, dass belastete NSDAP-Mitglieder aus verantwortlichen Positionen entfernt wurden. Er arbeitete mit an der Demokratisierung von Verwaltungen und Betrieben, organisierte öffentliche Versammlungen zur Aufklärung über das NS-Unrecht und setzte sich für eine gerechte Verteilung von Wohnraum, Lebensmitteln und Arbeitsplätzen ein.
Gleichzeitig knüpfte er Kontakte zu anderen Überlebenden und Widerstandskämpfern. Er setzte sich mit aller Kraft für die Rechte der Arbeiter ein und gehörte zu den ersten Betriebsräten der Nachkriegszeit, die den Kampf um Mitbestimmung und bessere Arbeitsbedingungen wieder aufnahmen. Zugleich war er Mitbegründer der IG Metall in der Britischen Besatzungszone, wo er mit Nachdruck für die Einheit der Arbeiterbewegung und für eine Wirtschaftsordnung im Sinne des demokratischen Sozialismus eintrat.
Sein konsequenter Einsatz brachte ihn jedoch bald in Konflikt mit den neuen politischen Verhältnissen der aufkommenden Bundesrepublik. Die Entnazifizierung wurde zunehmend verwässert, viele ehemalige Funktionäre kehrten in Verwaltung und Wirtschaft zurück, während Antifaschisten wie Maiwald unter Verdacht gerieten. Als bekennender Kommunist trat er in die KPD ein und kämpfte für die Rechte der Arbeiterklasse, gegen die Wiederbewaffnung und für ein antifaschistisches, friedliches Deutschland. Seine politischen Überzeugungen kosteten ihn jedoch mehrfach den Arbeitsplatz – 1951 wurde er aus der IG Metall ausgeschlossen, weil er sich weigerte, seine KPD-Mitgliedschaft zu widerrufen. Das damalige politische Klima war zunehmend geprägt von antikommunistischer Hetze und Kalter-Krieg-Rhetorik.
Trotz alledem ließ sich Maiwald nicht einschüchtern. Er arbeitete fortan als hauptamtlicher Parteisekretär in Hannover und baute dort die kommunistische Arbeit unter schwierigsten Bedingungen wieder auf. Er organisierte politische Schulungen, koordinierte Treffen mit anderen Kadern, kümmerte sich um die Unterstützung von Genossen, die unter Repression litten, und hielt Kontakt zu fortschrittlichen Kräften in Gewerkschaften, Jugendorganisationen und Friedensinitiativen. Seine Arbeit verstand er als Fortsetzung des antifaschistischen Widerstandes mit anderen Mitteln – nicht mit der Waffe, sondern mit dem Wort, der Tat und der solidarischen Organisation.
Konflikte im Kalten Krieg
Mit dem Verbot der KPD 1956 verschärfte sich die politische Repression gegen Maiwald und andere Linke. Er stand nun unter ständiger Beobachtung durch Polizei und Verfassungsschutz. In den Betrieben, in denen er danach tätig war, konnte er sich dennoch erneut das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen erarbeiten. Seine Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden zeigte, dass seine konsequente Haltung auch unter widrigen Umständen geschätzt wurde. Dennoch war das Klima geprägt von Misstrauen gegenüber Kommunisten. Betriebsleitungen und Behörden versuchten wiederholt, ihn durch Kündigungsdrohungen und Bespitzelung einzuschüchtern. Doch Maiwald blieb standhaft und ließ sich nicht beirren.
1961 kandidierte er als Unabhängiger zur Bundestagswahl, um der kommunistischen Sache weiterhin eine öffentliche Stimme zu geben – ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der jede Verbindung zur verbotenen KPD mit drakonischen Maßnahmen verfolgt wurde. Er trat für Abrüstung, ein Verbot der Atombombe, die Anerkennung der DDR und eine gerechte Sozialpolitik ein. Obwohl seine Kandidatur symbolischen Charakter hatte, betrachtete ihn die Justiz als Gesetzesbrecher. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn zu einem Jahr Haft. Sieben Monate verbrachte er im Gefängnis Oldenburg – als politischer Gefangener in einem Staat, der sich demokratisch nannte, aber politische Opposition unterdrückte.
Diese Verfolgung stärkte nur seine Überzeugung. Für Maiwald war klar: Wer unter Hitler gegen den Faschismus gekämpft hatte, durfte sich auch in der Bundesrepublik nicht mundtot machen lassen. Nach seiner Haft nahm er unverzüglich die politische Arbeit wieder auf. Er schloss sich der VVN-BdA an – der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – und fand dort eine neue politische Heimat. Die VVN-BdA wurde von ehemaligen Widerstandskämpfern, KZ-Überlebenden und Antifaschisten gegründet, um an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern, gegen das Wiederaufleben rechter Ideologien zu kämpfen und sich für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Maiwald wurde rasch zu einem der aktivsten Vertreter in Niedersachsen. Seine Erfahrungen und seine klare antifaschistische Haltung machten ihn zu einem gefragten Redner und Organisator in der Gedenk- und Aufklärungsarbeit.
Engagement in der VVN und späte Jahre
Zusammen mit seiner Partnerin Herta Dürrbeck, selbst Widerstandskämpferin, setzte sich Maiwald in der VVN-BdA für Erinnerung, Gerechtigkeit und Aufklärung ein. In Hannover übernahm er über viele Jahre die Leitung der Kreisvereinigung und war Mitglied in den Landes- und Bundesgremien.
Er gehörte zu den treibenden Kräften hinter der Öffnung der VVN zu einem breiten „Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“. Er setzte sich für die Einbindung junger Menschen ein, pflegte Kontakte zu Schulen und Jugendgruppen, hielt Vorträge über seine Erlebnisse und engagierte sich für lokale Gedenkstättenarbeit – insbesondere zur Geschichte von Zwangsarbeitern in Hannovers Industrie.
Seine internationale Solidarität zeigte sich auch in seinen Beziehungen zu Verfolgten in der damaligen ČSSR (Tschechoslowakei). Zudem engagierte er sich in Gremien wie dem Härtefonds für verarmte NS-Opfer, wo er mit klarem Blick für soziale Gerechtigkeit wirkte. So setzte er sich unter anderem für die schnelle Bewilligung von Unterstützungsleistungen für kranke und mittellose KZ-Überlebende ein, die keine gesetzliche Entschädigung erhalten hatten.
Im Jahr 2002 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Ehrenvorsitz der niedersächsischen VVN-BdA ausgezeichnet. Bis ins hohe Alter blieb er aktiv – als lebendiges Mahnmal gegen Faschismus, Krieg und das Vergessen.
In den letzten Jahren seines Lebens beobachtete Maiwald jedoch mit Sorge die politische Entwicklung innerhalb der VVN-BdA. Er äußerte wiederholt Zweifel an der wachsenden Orientierung auf bürgerliche Bündnisse und die Vernachlässigung marxistischer Grundpositionen. Besonders kritisch sah er die zunehmende Distanzierung von der DDR und die Abkehr von einem klar klassenbewussten Antifaschismus. Für ihn bedeutete Antifaschismus stets auch Antikapitalismus. Die Entpolitisierung antifaschistischer Arbeit war nicht in seinem Sinne.
Fritz Maiwald starb am 28. August 2007 in Hannover im Alter von 91 Jahren. Sein Leben ist ein Vermächtnis des antifaschistischen Kampfes, der politischen Standhaftigkeit und der Solidarität. In ihm lebte das Versprechen der Arbeiterbewegung weiter: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Einer seiner Weggefährten sagte einmal über ihn: „Fritz war kein Mann der großen Worte, aber wenn er sprach, hörte man das ganze Gewicht eines Lebens im Widerstand.“