Ernst Thälmann –
Kommunistischer Parteiführer und antifaschistischer Kämpfer
Kommunistischer Parteiführer und antifaschistischer Kämpfer
Ernst Thälmann (1886–1944) war einer der prominentesten kommunistischen Politiker Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) prägte er in der Weimarer Republik den Kampf der Arbeiterbewegung gegen Kapitalismus und Faschismus, bevor er 1933 von den Faschisten verhaftet und 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet wurde. Thälmanns Leben steht exemplarisch für das politische Ringen jener Zeit – vom sozialistischen Milieu in Hamburg über die Barrikadenkämpfe der Weimarer Jahre bis zum Märtyrertod im Widerstand gegen Hitler. Sein Name wurde zu einem Symbol für Opferbereitschaft, Treue zur Sache des Sozialismus und den Kampf gegen den Faschismus – insbesondere durch die internationale Solidaritätskampagne "Free Thälmann" in den 1930er Jahren sowie die intensive Gedenkkultur in der DDR nach 1945.
Frühe Jahre und Erster Weltkrieg
Ernst Johannes Fritz Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren. Er entstammte einer einfachen Arbeiterfamilie; sein Vater war Kutscher und engagiertes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Die Mutter arbeitete als Wäscherin. Schon in seiner Jugend kam Thälmann mit der Arbeiterbewegung in Berührung. Seine Eltern diskutierten politische Fragen offen, was ihn früh für soziale Gerechtigkeit sensibilisierte. Mit 16 Jahren trat er 1903 selbst in die SPD ein und schloss sich der Gewerkschaft der Transportarbeiter an. In seiner Ausbildung als Fuhrmann und durch die Arbeit im Hamburger Hafen gewann er tiefe Einblicke in die soziale Lage der Arbeiterklasse, die häufig von Ausbeutung, Armut und Wohnungsnot geprägt war. Thälmann engagierte sich schon früh in gewerkschaftlichen Kämpfen, unterstützte Streiks und beteiligte sich aktiv an Versammlungen, wo er schnell als wortgewaltiger Redner bekannt wurde.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 stellte Thälmann vor eine Gewissensprobe. Wie viele sozialistische Arbeiter lehnte er den Krieg ab, wurde aber 1915 als Soldat eingezogen und an der Westfront eingesetzt. Die grausamen Fronterlebnisse bestärkten ihn in seinem antimilitaristischen Gefühl. Er musste erleben, wie Kameraden durch Giftgas starben, wie Hunger und Elend zum Alltag wurden und wie sinnlos Tausende auf den Schlachtfeldern ihr Leben verloren. Im Herbst 1918 kehrte Thälmann von einem Fronturlaub in Hamburg nicht mehr zu seiner Einheit zurück – faktisch eine Desertion in den Wirren der zusammenbrechenden Monarchie. Stattdessen beteiligte er sich in seiner Heimatstadt aktiv an der Novemberrevolution 1918, die den Krieg beendete und zur Abdankung des Kaisers führte. Als Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats nahm er direkten Einfluss auf das revolutionäre Geschehen. In dieser Zeit trat er öffentlich für eine Räterepublik ein, verurteilte die Kriegspolitik der alten Eliten und forderte eine sozialistische Neugestaltung Deutschlands, die sich an den Errungenschaften der Russischen Revolution orientieren sollte.
Revolution und Eintritt in die KPD
Nach dem Krieg radikalisierte sich Thälmann politisch weiter. Er schloss sich der neu gegründeten Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an, einer linken Abspaltung der SPD. 1919 wurde er für die USPD in die Hamburger Bürgerschaft (das Stadtparlament) gewählt. Thälmann gehörte zum linken, revolutionären Flügel der USPD, der im Gegensatz zum reformistischen Flügel eine sofortige sozialistische Umwälzung befürwortete und für einen Zusammenschluss mit der kommunistischen Bewegung eintrat. Im Oktober 1920 nahm er als Delegierter am Vereinigungsparteitag der USPD und der Kommunistischen Internationale (Komintern) in Halle teil. Kurz darauf vereinigte sich der linke USPD-Flügel mit der Kommunistischen Partei Deutschlands – Thälmann war eine treibende Kraft dieser Fusion. Ende 1920 wurde er ins Zentralkomitee (ZK) der KPD gewählt, was den Beginn seines Aufstiegs in der kommunistischen Partei markierte. Besonders für seine mitreißenden Reden, seine Bodenständigkeit und sein unermüdliches Engagement genoss er großes Vertrauen unter den Werktätigen.
KPD-Vorsitz in der Weimarer Republik
In den folgenden Jahren profilierte sich Thälmann als kommunistischer Führungsfunktionär auf regionaler und nationaler Ebene. Ab 1921 leitete er den KPD-Bezirk Wasserkante (Hamburg/Nordwestdeutschland) und fungierte als hauptamtlicher Parteisekretär in Hamburg. Zugleich behielt er bis 1933 sein Mandat in der Hamburger Bürgerschaft und erarbeitete sich den Ruf eines populären Interessenvertreters der Arbeiterklasse. Nach der Reichstagswahl 1924 zog Thälmann als Abgeordneter in den Reichstag in Berlin ein. Dort beeindruckte er viele durch seine mitreißenden Reden und seine unverrückbare Parteinahme für die Belange der Arbeiter und Erwerbslosen. In seinen Reden prangerte er immer wieder die politischen und wirtschaftlichen Missstände der Weimarer Republik an und machte sich für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft stark.
Im Oktober 1925 übernahm Thälmann den Parteivorsitz der KPD. Diese Funktion übte er bis zu seiner Verhaftung 1933 ununterbrochen aus. Unter seiner Führung entwickelte sich die KPD zur mitgliederstärksten kommunistischen Partei außerhalb der Sowjetunion, mit über 300.000 Mitgliedern zu Beginn der 1930er Jahre. Thälmann kandidierte sowohl 1925 als auch 1932 als Präsidentschaftskandidat der KPD bei den Reichspräsidentenwahlen. Zwar konnte er die Wahlen nicht gewinnen – beide Male unterlag er dem konservativen Paul von Hindenburg – doch demonstrierten seine Kandidaturen den politischen Anspruch der Kommunisten in der Weimarer Republik. Parallel zum Parteivorsitz übernahm Thälmann auch die Leitung des Roten Frontkämpferbundes (RFB), der paramilitärischen Kampf- und Schutzorganisation der KPD. Von 1925 bis zu deren Verbot 1929 führte er den RFB an, der in den politisch aufgeheizten Straßenkämpfen jener Zeit mit der SA der Faschisten und anderen Gegnern aneinandergeriet. Der RFB war zugleich ein Instrument der Selbstverteidigung gegen reaktionäre Angriffe und Ausdruck proletarischer Kampfgemeinschaft.
Marxistisch-leninistische Überzeugung und
Konflikt mit der SPD
Konflikt mit der SPD
Thälmanns Politik war geprägt von einer konsequent marxistisch-leninistischen Überzeugung und einer kompromisslosen Haltung im Klassenkampf. Er betrachtete die Sowjetunion als „Vaterland des Proletariats“ und folgte den Weisungen aus Moskau und der Komintern treu. Unter Thälmanns Ägide wurde die KPD nach dem Vorbild der russischen Bolschewiki zu einer straff zentralisierten „Partei neuen Typus“ umgebaut. Innerparteiliche Gegner oder Abweichler wurden ausgeschlossen, insbesondere nachdem Thälmann sich in der sogenannten Wittorf-Affäre 1928 mit Stalins Hilfe gegen Kritiker durchgesetzt hatte. Diese Festigung der Parteidisziplin sollte die Kampfbereitschaft der Partei erhöhen.
Im politischen Kampf der Weimarer Jahre trat Thälmanns KPD mit besonderer Schärfe gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) auf, die sie als Verräter der Arbeiterklasse betrachtete. Aufbauend auf der von Stalin vorgegebenen Sozialfaschismus-Theorie bekämpfte die KPD unter Thälmann die SPD als ihren Hauptfeind. Sozialdemokraten wurden als „sozialfaschistisch“ diffamiert – womit die Kommunisten ihnen unterstellten, im Grunde den Faschismus der Nazis zu begünstigen. In Reden und Flugblättern jener Zeit hieß es etwa, die SPD sei der "linke Arm des Kapitals". Diese Feindschaft führte dazu, dass SPD und KPD trotz der gemeinsamen Bedrohung durch den aufkommenden Faschismus nicht zusammenarbeiteten. Historiker machen mitverantwortlich, dass diese Spaltung der Arbeiterbewegung eine einheitliche Front gegen Hitler verhinderte. Erst in letzter Minute, im Januar 1933, versuchte Thälmann vergeblich, SPD und KPD doch noch zu einem Generalstreik gegen Hitler zusammenzubringen. Doch zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät – die Weimarer Republik stand vor ihrem Untergang.
Verfolgung durch die Faschisten
Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers im Januar 1933 geriet Thälmann sofort ins Visier der neuen Machthaber. Die Faschisten setzten umgehend auf Terror gegen Kommunisten: In einer Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wurden hunderte KPD-Funktionäre festgenommen und die Organisationsstrukturen der Partei zerschlagen. Die Parteizeitung „Die Rote Fahne“ wurde verboten, Büros gestürmt, Druckereien zerstört und Mitglieder brutal misshandelt. Die politische Führung der KPD wurde systematisch ausgeschaltet. Thälmann selbst wurde am 3. März 1933 in seiner Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg von der Gestapo verhaftet. Damit hatte die KPD ihren Vorsitzenden und prominentesten Kopf verloren. Sein Festhalten an der marxistischen Weltanschauung, seine Popularität unter der Arbeiterschaft und seine entschiedene Gegnerschaft zum Faschismus machten ihn für die Faschisten zu einem besonders gefährlichen Gegner.
Die faschistischen Behörden hielten Ernst Thälmann über elf Jahre lang in Haft – ohne Prozess, ohne Urteil und meist in strenger Isolationshaft. Zunächst war er im Berliner Gefängnis Moabit eingesperrt, später in den Zuchthäusern Hannover und Bautzen. Er wurde streng überwacht, durfte kaum Besuch empfangen, und sein Schriftverkehr war eingeschränkt oder wurde ganz unterbunden. Kontakt zur Außenwelt erhielt er kaum; lediglich spärlich konnten Botschaften hinausgeschmuggelt werden, die Mut und Entschlossenheit ausdrückten. Weltweit forderten Kommunisten, Sozialisten und Antifaschisten in den 1930er Jahren Thälmanns Freilassung. Eine von der Kommunistischen Internationale orchestrierte Solidaritätskampagne unter dem Motto „Free Thälmann!“ machte sein Schicksal international bekannt. Kundgebungen, Flugblätter, Lieder und Wandbilder zeigten sein Konterfei und prangerten das NS-Regime an. Auch Künstler, Schriftsteller und Politiker setzten sich für seine Freilassung ein. Doch alle Bemühungen – auch diplomatische – blieben erfolglos. Selbst während des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts 1939 unternahm Stalins Regierung keinen ernsthaften Versuch, eine Freilassung Thälmanns zu erwirken. Diese Passivität bleibt bis heute umstritten. Thälmann blieb standhaft, trotz psychischer und physischer Isolierung, trotz Krankheit und Folterandrohung. Seine Gefangenschaft wurde zu einem Symbol für den unbeugsamen Willen im Kampf gegen den Faschismus, für revolutionäre Treue und unerschütterliche Solidarität mit den leidenden Massen in Deutschland und der Welt.
Ermordung im KZ Buchenwald
Im August 1944, als die Niederlage des faschistischen Regimes bereits absehbar war, ereilte Ernst Thälmann das tödliche Schicksal. Auf direkten Befehl Adolf Hitlers wurde der 58-Jährige im Konzentrationslager Buchenwald von der SS erschossen. Die Ermordung erfolgte unter strengster Geheimhaltung und war Teil eines gezielten Vorgehens gegen bekannte Antifaschisten, deren bloße Existenz dem Regime als Bedrohung galt. Über elf Jahre Kerkerhaft hatten seinem unbeugsamen Willen nichts anhaben können – bis die Faschisten ihn schließlich kaltblütig beseitigten. Thälmann hatte bis zuletzt gehofft, dass sich der antifaschistische Widerstand in Europa durchsetzen würde, und weigerte sich, ein Gnadengesuch zu stellen oder von seinen politischen Überzeugungen abzurücken.
Um die Tat zu vertuschen, behauptete die faschistische Propaganda anschließend wahrheitswidrig, Thälmann sei bei einem alliierten Luftangriff ums Leben gekommen. Diese Lüge wurde bewusst in Umlauf gebracht, um das internationale Aufsehen zu minimieren und die Aufmerksamkeit von der tatsächlichen Ermordung abzulenken. Tatsächlich jedoch war er gezielt ermordet worden, nur wenige Monate bevor US-Truppen Buchenwald befreiten. Späteren Untersuchungen zufolge wurde Thälmann im Geheimen zur Exekution aus seiner Zelle geholt und in einem abgelegenen Bereich des Lagers erschossen. Sein Tod war ein letzter, feiger Versuch des Regimes, eine unerschütterliche Symbolfigur der Arbeiterbewegung zu vernichten, deren Lebensweg Mut, Treue und revolutionäre Standhaftigkeit verkörperte. Die Nachricht von seinem Tod löste bei Antifaschisten weltweit Trauer und Empörung aus, aber auch den festen Entschluss, den Kampf gegen Faschismus und Unterdrückung fortzusetzen.
Nachwirkung und Gedenken
Das 1986 enthüllte Ernst-Thälmann-Denkmal im Berliner Ernst-Thälmann-Park steht exemplarisch für die umfangreichen Ehrungen, die Thälmann in der DDR erhielt. Nach 1945 wurde Ernst Thälmann insbesondere in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Held des antifaschistischen Widerstands verehrt. In Ostdeutschland entstanden Gedenkstätten und Denkmäler, und zahlreiche Straßen, Plätze, Schulen und Betriebe wurden nach ihm benannt. Die Freie Deutsche Jugend gründete die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, in der Kinder im Sinne Thälmanns erzogen werden sollten. Thälmanns Name und Bildnis waren allgegenwärtig auf Orden, Briefmarken und in Geschichtsbüchern. Im Berliner Bezirk Friedrichsfelde errichtete man ihm zu Ehren eine Gedenkstätte mit symbolischem Grabmal neben den Gräbern anderer Arbeiterführer wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die DDR verstand sich als Erbin seines Kampfes und pflegte sein Andenken mit großer Hingabe.
Auch international lebt Thälmanns Andenken fort. Für Linke in aller Welt wurde er zum Sinnbild des opferbereiten Antifaschisten. Bereits im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) kämpfte ein nach ihm benanntes „Thälmann-Bataillon“ deutscher Freiwilliger in den Internationalen Brigaden gegen den Faschismus. In zahlreichen Ländern des Ostblocks und darüber hinaus trugen in der Nachkriegszeit Orte, Straßen oder Institutionen zeitweise seinen Namen – von der ukrainischen Ortschaft Telmanowe über eine Hauptstraße in Riga bis zu einer Schule in Vietnam. Sogar in der Karibik findet sich sein Vermächtnis: 1972 benannte das sozialistische Kuba eine kleine Insel zu seinen Ehren Ernst-Thälmann-Insel – ein symbolischer Akt der internationalen Solidarität, der die enge Verbundenheit zwischen der DDR und Kuba zum Ausdruck brachte. Ernst Thälmann bleibt somit über Deutschland hinaus eine symbolträchtige Figur. Sein Lebensweg – vom Hamburger Arbeiterführer zum Märtyrer im Kampf gegen den Faschismus – steht stellvertretend für den unbeugsamen Widerstandsgeist jener Generation. Auch heute noch erinnert sein Wirken daran, dass der Kampf für soziale Gerechtigkeit, Frieden und internationale Solidarität nie abgeschlossen ist. In einer Zeit, in der rechte Bewegungen und reaktionäre Kräfte erneut an Einfluss gewinnen, bleibt Thälmanns unbeugsames Beispiel ein Aufruf an alle fortschrittlichen Kräfte, wachsam zu bleiben. Sein Mut, seine Klarheit und sein lebenslanger Einsatz für die Rechte der Arbeiter mahnen uns, auch unter schwierigen Bedingungen nicht zu resignieren. Besonders in Zeiten sozialer Spaltung, wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsender Kriegsgefahr bietet seine Lebensgeschichte eine Quelle der Orientierung und Ermutigung für alle, die für eine gerechte und solidarische Gesellschaft eintreten. Das Vermächtnis Ernst Thälmanns fordert uns auf, das Erbe des antifaschistischen Widerstands lebendig zu halten und im Geiste der internationalen Solidarität für eine friedliche Welt zu wirken.