Die Taube auf dem Dach
Filmdetails
Produktionsland: DDR
Originalsprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 1973 (Uraufführung 1990)
Länge: 82 Minuten
Regie: Iris Gusner
Drehbuch: Iris Gusner, Regine Kühn
Musik: Gerhard Rosenfeld
Kamera: Roland Gräf
Schnitt: Helga Krause
Genre: Drama
Handlung
Auf einer Baustelle im Süden der DDR arbeitet die junge und unverheiratete Bauleiterin Linda Hinrichs. Sie hat sich in einer von Männern dominierten Branche durchgesetzt und leitet mit großem Engagement die Bauarbeiten. Trotz bürokratischer Hürden und logistischen Herausforderungen gelingt es ihr, Projekte termingerecht umzusetzen, was ihr den Respekt ihrer Kollegen einbringt. Doch während sie beruflich erfolgreich ist, bleibt ihr persönliches Leben unentschieden. Sie hat sich in ihrer Position bewiesen und genießt das Vertrauen ihrer Kollegen, doch ihr persönliches Leben bleibt unentschieden. Dort lernt sie zwei Männer kennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der Student Daniel beeindruckt sie mit seiner Spontaneität und seinem Idealismus. So sammelt er beispielsweise während eines Tanzabends Spenden für Vietnam und reagiert impulsiv auf Anschuldigungen. Seine Art ist ungestüm und voller Enthusiasmus, was Linda gleichermaßen fasziniert und überfordert. Der Baubrigadier Hans Böwe hingegen ist ein erfahrener Arbeiter, der bereits an vielen Orten der DDR tätig war, jedoch nie wirklich sesshaft wurde. Sein Pragmatismus und seine Ruhe bilden einen starken Kontrast zu Daniels leidenschaftlicher Impulsivität. Böwe macht Linda einen Heiratsantrag, den sie jedoch nicht sofort annimmt, was ihn in eine persönliche Krise stürzt. Er beginnt, seine eigene Rastlosigkeit zu hinterfragen.
Linda fühlt sich zu beiden Männern hingezogen, doch sie weiß, dass eine Entscheidung zwischen ihnen auch eine Entscheidung über ihren eigenen Lebensweg bedeutet. Während Daniel für Aufbruch, Idealismus und eine gewisse Unbeschwertheit steht, verkörpert Böwe Stabilität, Erfahrung und eine festere Verankerung im gesellschaftlichen Gefüge. Linda fragt sich, ob sie sich für eine Zukunft voller Visionen oder für ein Leben in Sicherheit und Beständigkeit entscheiden soll. Ihr innerer Konflikt spiegelt die Suche nach ihrem Platz in der sozialistischen Gesellschaft wider. Ihr innerer Konflikt wächst, während sie gleichzeitig mit den Anforderungen ihrer beruflichen Verantwortung konfrontiert ist. Während sie sich bemüht, eine Lösung zu finden, erkennt sie, dass Glück und Geborgenheit in der sozialistischen Gesellschaft mehr sind als nur eine romantische Wahl – es geht auch um Selbstverwirklichung und den Platz des Einzelnen innerhalb des großen Ganzen.
Hintergrund
"Die Taube auf dem Dach" wurde 1973 von der DEFA unter der Regie von Iris Gusner gedreht. Der Film ist ein bemerkenswertes Werk der DDR-Filmgeschichte, das die Vielschichtigkeit der sozialistischen Gesellschaft reflektiert. Die Produktion zeigte die Auseinandersetzung mit persönlichen und gesellschaftlichen Fragen auf eine Weise, die tiefgehende Einblicke in die Herausforderungen und Errungenschaften des sozialistischen Alltags gab.
Die inhaltlichen Diskussionen, die nach der Fertigstellung aufkamen, führten dazu, dass der Film nicht sofort in die Kinos kam. Kritisiert wurde insbesondere die Darstellung individueller Glückssuche, die als nicht konform mit den sozialistischen Idealen betrachtet wurde. Zudem gab es Bedenken, dass die emotionale Vielschichtigkeit der Hauptfigur als Widerspruch zur kollektiven Gesellschaftsordnung interpretiert werden könnte. Auch die Rolle der Frau in der Arbeitswelt wurde in der Diskussion reflektiert, da Linda eine eigenständige, unabhängige Figur verkörperte, die sich nicht einfach gesellschaftlichen Erwartungen unterordnet. In einer Zeit, in der kulturelle Produktionen eine bedeutende Rolle in der ideologischen Auseinandersetzung spielten, wurde sorgfältig geprüft, ob ein Film die gesellschaftlichen Werte und Zielstellungen angemessen vermittelt.
Erst 1990, nach der politischen Wende, wurde der Film aus den erhaltenen Arbeitskopien rekonstruiert und uraufgeführt. Die späte Veröffentlichung führte zu neuen Diskussionen über die Vielfalt der Filmkunst in der DDR und zeigte, dass auch Werke, die zunächst zurückgehalten wurden, einen wichtigen Platz im kulturellen Erbe der sozialistischen Filmgeschichte einnehmen. "Die Taube auf dem Dach" wird heute als bedeutendes Zeitdokument betrachtet, das die Errungenschaften der sozialistischen Gesellschaft ebenso wie ihre Herausforderungen authentisch widerspiegelt.
Schauspieler
Heidemarie Wenzel: Linda Hinrichs
Günter Naumann: Hans Böwe
Andreas Gripp: Daniel
Christian Steyer: Trompeter
Monika Lennartz: Schallplattenverkäuferin
Lotte Loebinger: Lindas Mutter
Heinz Scholz: Lindas Vater
Herbert Köfer: Glaskugelfabrikant
Hilmar Baumann: Plattenwerker
Wolfgang Greese: Forstwirtschaftsleiter
Katrin Martin: Steffi, Böwes Tochter
Online verfügbar
Der Film Die Taube auf dem Dach ist derzeit nicht als Stream verfügbar. Es gibt jedoch eine DVD-Veröffentlichung, die über verschiedene Online-Händler erworben werden kann. Zudem bietet die DEFA-Stiftung Informationen zum Film und gelegentlich Aufführungen an.
Ein offizieller Trailer ist auf YouTube verfügbar.