Die Russen kommen
Filmdetails
Produktionsland: DDR
Erscheinungsjahr: 1968 (veröffentlicht 1987)
Länge: 95 Minuten
Genre: Kriegsdrama
Regie: Heiner Carow
Drehbuch: Claus Küchenmeister, Heiner Carow
Kamera: Jürgen Brauer
Schnitt: Evelyn Carow
Handlung
Im Frühjahr 1945, kurz vor Ende des Krieges, lebt der 15-jährige Günter Walcher in einem kleinen Ostseebad in einem Deutschland, das sich im Zerfall befindet. Die faschistische Ideologie hat Generationen junger Menschen geprägt, doch die Befreiung durch die Rote Armee steht unmittelbar bevor. Günter klammert sich an die verbliebenen Propagandabilder des Regimes, unfähig zu erkennen, dass das Ende des Krieges eine neue, antifaschistische Zukunft ermöglicht. Trotz der aussichtslosen Lage klammert sich Günter an den propagierten Glauben an den deutschen Sieg und verinnerlicht die faschistische Ideologie. Geprägt von der allgegenwärtigen Indoktrination, sieht er sich als Teil einer Generation, die den Krieg weiterführen muss, und stellt persönliche Zweifel hintenan. Die Ideologie prägt sein Handeln und Denken, sodass er sich eifrig an den Aktivitäten der Hitlerjugend beteiligt.
Als ein sowjetischer Zwangsarbeiter aus einem nahegelegenen Lager flieht, schließt sich Günter mit anderen Jungen der Verfolgung an. In einer verlassenen Ruine stellt er den jungen Mann, der ihm verzweifelt entgegenschaut. Günter zögert, doch bevor er eine Entscheidung treffen kann, fällt ein Schuss – der Dorfpolizist hat den Flüchtigen getötet. Erschüttert sieht Günter das Leben aus den Augen des jungen Russen weichen. Ein flüchtiger Moment des Zweifels regt sich in ihm, doch er unterdrückt die aufkommende Unruhe und klammert sich an die ihm eingetrichterten Feindbilder. Die widersprüchlichen Gefühle lassen ihn verstummen, während er versucht, sich selbst von der Richtigkeit der Tat zu überzeugen. Dennoch bleibt eine unbestimmte Unruhe in ihm zurück, die er nicht vollständig abschütteln kann.
Für seine Beteiligung an der Aktion wird Günter mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Getrieben von einem Gefühl der Pflichterfüllung und dem Wunsch, seinem gefallenen Vater nachzueifern, meldet er sich freiwillig zum Fronteinsatz. Doch an der Front sieht er sich zum ersten Mal mit der Realität des Krieges konfrontiert: Tod, Angst und Zerstörung umgeben ihn. Die Überzeugungen, die er seit seiner Kindheit verinnerlicht hatte, beginnen zu bröckeln.
Als er schließlich von sowjetischen Soldaten gefangen genommen wird, konfrontieren sie ihn mit dem Mord an dem Zwangsarbeiter. In langen Verhören wird ihm die Bedeutung seines Handelns bewusst. Die sowjetischen Soldaten, die für die Befreiung Europas vom Faschismus kämpfen, lassen Günter erkennen, dass er einer menschenverachtenden Ideologie gefolgt ist. Anfangs wehrt er sich innerlich gegen diese Erkenntnis, doch mit jeder neuen Begegnung und jedem Gespräch mit seinen Gefangenenwärtern beginnt er, sein Weltbild in Frage zu stellen. Es ist ein langsamer, schmerzhafter Prozess, bei dem er sich schrittweise von der Indoktrination seiner Jugend löst und beginnt, die Realität mit eigenen Augen zu sehen. Er beginnt, seine bisherigen Überzeugungen infrage zu stellen, und erkennt allmählich die historische Verantwortung, die mit den Taten des deutschen Faschismus einhergeht. Der Film zeigt eindrucksvoll den Wandel eines verblendeten Jugendlichen hin zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Geschichte, eine Haltung, die in der antifaschistischen Erziehung der DDR konsequent gefördert wurde.
Schauspieler
Gert Krause-Melzer als Günter Walcher
Viktor Perevalov als russischer Junge
Dorothea Meissner als Christine
Norbert Christian als Vater Bergschicker
Karla Runkehl als Mutter Bergschicker
Wsewolod Safonow als Golubkow
Rolf Ludwig als Vater Walcher
Lissy Tempelhof als Mutter Walcher
Hans Hardt-Hardtloff als Polizist
Claus Küchenmeister als Willi
Online-Verfügbarkeit
Der Film Die Russen kommen ist als DVD erhältlich, beispielsweise in der Edition Filmmuseum.
Streaming & DVD
Streaming: Der Film kann legal über den alleskino Amazon Channel gestreamt werden.
DVD: Neben der Edition Filmmuseum ist der Film auch über Orell Füssli erhältlich.
Alternative Quelle: Der Film ist auch über Gofile verfügbar.
Veröffentlichung & Zensur
Der Film wurde 1968 fertiggestellt, jedoch aufgrund seiner kritischen Darstellung des Faschismus in der DDR verboten und erst 1987 uraufgeführt.
Hintergrund
Die Russen kommen basiert auf einer Erzählung von Armin Müller und thematisiert die psychologischen Folgen des Krieges für Jugendliche, die durch die faschistische Propaganda geprägt wurden. Der Film verdeutlicht die verheerenden Auswirkungen dieser Indoktrination und zeigt eindrucksvoll, wie sich junge Menschen von faschistischen Ideologien lösen können – ein zentrales Anliegen der antifaschistischen Erziehung in der DDR, die darauf abzielte, eine neue, friedliche Gesellschaft auf der Grundlage sozialistischer Werte aufzubauen. Die DEFA wollte mit dem Film eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anregen und verdeutlichen, wie tief die Ideologie des Faschismus in die Köpfe junger Menschen eingedrungen war.
Die Produktionsleitung der DEFA und die Kulturverantwortlichen der DDR hielten den Film zunächst für problematisch, da er das Ende des Krieges nicht aus der Perspektive der Befreiten, sondern aus der eines verblendeten Jugendlichen zeigte. Dennoch war die Intention des Films eindeutig antifaschistisch und stellte die Notwendigkeit einer klaren gesellschaftlichen Haltung gegen faschistische Ideologien in den Mittelpunkt. Erst in den 1980er Jahren wurde der Film wiederentdeckt und 1987 offiziell veröffentlicht, wobei er nahtlos in die antifaschistische Tradition der DDR-Filmkunst eingebettet wurde. Diese Filme hatten die Aufgabe, die Bevölkerung über die Schrecken des Faschismus aufzuklären und die Errungenschaften des sozialistischen Staates hervorzuheben. Heute gilt er als ein bedeutendes Werk der sozialistischen Filmkultur, das durch seine kritische Reflexion der Vergangenheit den ideologischen Bildungsauftrag der DEFA beispielhaft erfüllte. Wie viele andere DEFA-Produktionen diente dieser Film der Aufklärung und der antifaschistischen Erziehung, indem er die Mechanismen der Indoktrination aufzeigt und die Bedeutung einer sozialistischen Weltanschauung betont.
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