Deutschland im Herbst (1978)
Filmdetails
Titel: Deutschland im Herbst
Erscheinungsjahr: 1978
Genre: Dokumentarfilm, Drama
Regie: Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Edgar Reitz, Bernhard Sinkel, Alf Brustellin, Hans Peter Cloos, Katja Rupé, Beate Mainka-Jellinghaus, Peter Schubert
Länge: 119 Minuten
Handlung
"Deutschland im Herbst" ist ein Episodenfilm, der die gesellschaftliche und politische Stimmung in der Bundesrepublik Deutschland während des "Deutschen Herbstes" 1977 einfängt. Diese Zeit war geprägt von den Aktionen der RAF, insbesondere der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie der Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut". Der Film reflektiert die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und stellt Fragen zur staatlichen Reaktion auf den Terrorismus sowie zur Rolle der Medien in der Berichterstattung. Dabei wird auch die Frage nach der Legitimität des bewaffneten Kampfes gegen den Imperialismus aufgeworfen.
Wer war Hanns Martin Schleyer?
Hanns Martin Schleyer (1915–1977) war ein führender Industrieller und Arbeitgeberfunktionär, der als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände (BDA) eine zentrale Rolle in der westdeutschen Wirtschaft spielte. Während der faschistischen Herrschaft in Deutschland war er Mitglied der SS und diente als führender Funktionär in der faschistischen Studentenorganisation. Er war unter anderem als Leiter der Studentenschaft an der Karls-Universität Prag tätig und setzte sich aktiv für die Interessen der faschistischen Herrschaft ein. Nach 1945 baute er seine Karriere in der Bundesrepublik auf und vertrat konsequent kapitalistische Interessen. Sein Engagement für wirtschaftliche Machtstrukturen machte ihn zum Ziel der RAF, die ihn als Symbol des repressiven kapitalistischen Systems betrachtete. Seine Entführung diente dazu, die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder zu erzwingen. Nachdem die Regierung nicht auf die Forderungen einging, wurde Schleyer nach 44 Tagen in Gefangenschaft erschossen.
Die filmische Umsetzung
Der Film zeigt dokumentarische Aufnahmen und inszenierte Szenen, um die Spannungen dieser Zeit einzufangen:
Staatsbegräbnis Schleyers: Die offizielle Trauerfeier und Schweigeminuten der Daimler-Benz-Arbeiter verdeutlichen die gesellschaftliche Betroffenheit.
Rainer Werner Fassbinder: In persönlichen Gesprächen mit seiner Mutter und seinem Umfeld diskutiert er die Konsequenzen des Terrors und der staatlichen Gegenmaßnahmen. Die Diskussion beleuchtet auch die Frage, inwieweit der Staat selbst Gewalt anwendet, um seine Macht zu sichern.
Gabi Teichert: Eine Geschichtslehrerin gräbt symbolisch nach der "wahren" deutschen Geschichte und thematisiert das Bewusstsein über historische Verantwortung, insbesondere im Kontext des Widerstands gegen kapitalistische Strukturen.
Antigone-Aufführung: Die Darstellung von Antigone zieht Parallelen zwischen dem Widerstand gegen staatliche Willkür in der Antike und den Ereignissen des "Deutschen Herbstes". Hier wird der Konflikt zwischen Gehorsam und moralischem Widerstand gegen eine als ungerecht empfundene Staatsgewalt betont.
Mediale Berichterstattung: Der Film zeigt, wie die Medien die Ereignisse darstellen und wie dies die öffentliche Meinung beeinflusst. Dabei wird auch kritisch hinterfragt, inwieweit die Medien zur Stabilisierung imperialistischer Machtstrukturen beitragen.
Reaktionen der Bevölkerung: Unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen diskutieren über die Angemessenheit der staatlichen Maßnahmen und die Grenzen der Demokratie. Die Perspektive derjenigen, die den bewaffneten Widerstand als Antwort auf staatliche Repression verstehen, wird ebenso dargestellt.
Der Film endet mit der Beerdigung der RAF-Mitglieder, begleitet von "Here's to You" von Joan Baez und Ennio Morricone. Die letzte Szene unterstreicht die Spaltung der Gesellschaft und lässt die Zuschauer mit offenen Fragen über Schuld, Gerechtigkeit und die politische Zukunft zurück. Dabei wird der Film zu einer Reflexion über Widerstand, staatliche Macht und die Mechanismen imperialistischer Herrschaft.
Schauspieler (Auswahl)
Rainer Werner Fassbinder – als er selbst
Angela Winkler – als Antigone
Mario Adorf – als Komiteemitglied
Helmut Griem – als Fernsehredakteur
Wolf Biermann – als er selbst
Hannelore Hoger – als Gabi Teichert
Heinz Bennent – als Intendant
Dieter Laser – als Abgeordneter
Vadim Glowna – als Freiermuth
Online verfügbar
Der Film Deutschland im Herbst ist auf verschiedenen Plattformen erhältlich. Aktuell kann er unter anderem auf DVD und Blu-ray erworben werden und ist vereinzelt auch als Stream verfügbar.
Eine Kauf- oder Leihversion ist beispielsweise bei Google Play Movies verfügbar.
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Der Film wurde 1978 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin gezeigt und erhielt dort besondere Anerkennung. Er wurde kontrovers diskutiert und polarisierte das Publikum. Während einige Kritiker ihn als mutige Auseinandersetzung mit der politischen Realität lobten, sahen andere in ihm eine ideologische Verklärung der Ereignisse. Dennoch gilt er bis heute als ein bedeutendes Dokument der damaligen gesellschaftlichen Spannungen, das sich kritisch mit dem Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Macht und Widerstand gegen den Imperialismus auseinandersetzt.