Der Krieg in Syrien – Ein Krieg um geostrategische Interessen
Die Syrer – vergessen und geopfert
Der Krieg in Syrien ist einer der zerstörerischsten Konflikte der Gegenwart. Er hat Millionen Menschen das Leben gekostet, sie vertrieben, ihre Städte zerstört, ihre Hoffnung ausgelöscht. Doch trotz all des Leids stehen die Menschen Syriens im Mittelpunkt eines geopolitischen Machtkampfes, an dem sie nicht beteiligt sind – aber den sie mit dem höchsten Preis bezahlen. Die tatsächlichen Ursachen des Krieges, seine internationalen Dimensionen und die Interessen der beteiligten Staaten werden im Westen kaum beleuchtet. Stattdessen herrscht Schweigen, Propaganda oder selektives Mitgefühl. Diese Analyse will einen anderen Blick werfen – einen Blick auf die wahren Interessen, auf die imperialen Absichten und auf die Notwendigkeit einer echten, friedensorientierten Politik.
Vom Aufstand zur internationalen Intervention
Im März 2011 begannen in Syrien friedliche Proteste. Inspiriert vom sogenannten Arabischen Frühling, forderten Tausende Reformen, politische Öffnung und bessere Lebensbedingungen. Die soziale Lage war angespannt: hohe Jugendarbeitslosigkeit, Korruption, mangelnde Infrastruktur. Doch die Hoffnung auf Veränderung wurde zerstört, als ausländische Mächte begannen, die Unzufriedenheit zu instrumentalisieren. Bereits im Sommer 2011 sickerten bewaffnete Gruppen ein, Waffenlieferungen nahmen zu. Die NATO, Golfstaaten und Israel sahen ihre Chance, den „iranischen Einfluss“ über Damaskus zu brechen. Der innersyrische Konflikt wurde von außen entfacht, ausgeweitet und systematisch eskaliert.
Der Stellvertreterkrieg nimmt Fahrt auf
Der syrische Krieg wurde zu einem Magneten für dschihadistische Kämpfer aus aller Welt. Über 80 Staaten sind verzeichnet, aus denen Kämpfer einreisten. Über 700 kamen allein aus Deutschland. Sie gelangten über die Türkei, den Libanon, Jordanien und den Irak nach Syrien – offen, unbehelligt, mit logistischer Unterstützung. Internationale Geheimdienste beobachteten dies – und griffen nicht ein. Im Gegenteil: Waffenlieferungen aus Osteuropa, dem Balkan, aus Katar und Saudi-Arabien machten Syrien zu einem Schlachtfeld westlicher Interessen. Der damalige Premierminister von Katar bestätigte öffentlich, dass seine Regierung mit Saudi-Arabien zusammenarbeitete, um Aufständische mit Waffen und Geld zu versorgen.
## Regime Change – das gescheiterte Projekt des Westens
Der Sturz der syrischen Regierung war von Anfang an das erklärte Ziel der USA, der EU und ihrer regionalen Verbündeten. Präsident Assad wurde dämonisiert. Sanktionen wurden verhängt, Medien starteten systematische Propagandakampagnen. Doch der Westen verkalkulierte sich: Assad blieb. Die syrische Armee, unterstützt durch Russland, den Iran und die libanesische Hisbollah, behauptete sich. Die Bevölkerung – auch viele, die kritisch zur Regierung standen – wandte sich von der islamistischen Opposition ab. Heute ist Assad nicht nur an der Macht, sondern genießt wahrscheinlich mehr Rückhalt als vor dem Krieg. Der Westen ist mit seiner Strategie gescheitert.
Syrien als Schlachtfeld der Weltmächte
Der syrische Krieg wurde zum Ausdruck des neuen globalen Machtkampfes. Auf der einen Seite stehen die USA, Großbritannien, Frankreich, Israel und ihre Partner. Auf der anderen Seite Russland, China und der Iran. Im UN-Sicherheitsrat blockieren sich diese Lager seit Jahren. Es geht nicht nur um Syrien – es geht um die zukünftige Weltordnung. Die USA wollen ihre unipolare Vorherrschaft bewahren. Russland und China kämpfen für eine multipolare Welt mit gleichberechtigten Machtzentren. Syrien liegt geostrategisch am Schnittpunkt zwischen Europa, Asien und Afrika – mit Zugang zum Mittelmeer, zu Erdgas- und Ölfeldern. Wer Syrien kontrolliert, kontrolliert die Region.
Die militärische Lage und die Aufteilung Syriens
Die militärische Kontrolle Syriens ist zersplittert. Die Regierung kontrolliert weite Teile des Westens, Südens und zentrale Regionen. Unterstützt wird sie von russischen Luftwaffenstützpunkten und iranischen Milizen. Im Osten haben die USA gemeinsam mit kurdischen Kräften ein De-facto-Protektorat errichtet. Dort befinden sich zehn US-Militärbasen – völkerrechtswidrig, ohne Zustimmung der syrischen Regierung. Die Türkei hält Teile des Nordens besetzt, um kurdische Autonomie zu verhindern. Islamistische Gruppen wie die Nusra-Front oder Reste des IS sind weiterhin aktiv – vor allem in Idlib und den Grenzregionen. Das Land ist fragmentiert – und wird von ausländischen Mächten wie eine Beute behandelt.
## Die Rolle der Kurden – Hoffnungsträger oder Schachfiguren?
Die kurdischen Milizen, insbesondere die YPG (Volksverteidigungseinheiten) und die Frauenmiliz YPJ, haben sich mit US-Unterstützung als starke Kraft etabliert. Sie kontrollieren die Kornkammer Syriens im Nordosten, wichtige Wasserressourcen (Staudämme am Euphrat), Öl- und Gasfelder. Die USA nutzen die Kurden als Bodentruppen – ihre Präsenz dient zur Kontrolle dieser Ressourcen. Gleichzeitig werden die Kurden von der Türkei massiv bekämpft. Ankara sieht in der kurdischen Selbstverwaltung eine Gefahr für die eigene nationale Einheit. Die Kurden sind erneut Spielball imperialer Interessen. Ihre Hoffnungen auf Autonomie könnten erneut verraten werden – wie so oft in der Geschichte.
Die Türkei – von Regime Change zu Realpolitik
Die Türkei war zunächst einer der aggressivsten Gegner Assads. Über ihre Grenze gelangten zehntausende Kämpfer, Waffen, Dschihadisten nach Syrien. Doch als die kurdische Autonomiebestrebung zunahm, schwenkte Ankara um. Seit 2016 marschierte das türkische Militär mehrfach in Nordsyrien ein. Heute hält es ein Gebiet zwischen Jarabulus und Al-Bab besetzt. Der Grund: Ein durchgehender kurdischer Korridor entlang der türkischen Grenze soll verhindert werden. Erdogan verhandelt heute mit Russland und dem Iran – seine Position gegenüber Assad ist ambivalent geworden. Die Türkei nutzt Syrien zur Durchsetzung ihrer regionalen Machtinteressen – und spielt dabei ein doppeltes Spiel zwischen NATO und eurasischen Allianzen.
Astana- und Genfer Friedensprozesse
Während die Genfer Gespräche unter UN-Schirmherrschaft durch westliche Bedingungen (z. B. "Assad muss gehen") blockiert sind, entstanden unter russischer Führung die Astana-Gespräche. Dort verhandeln Russland, der Iran, die Türkei und syrische Vertreter über Deeskalation, Waffenstillstände und politische Lösungen. Vier Deeskalationszonen wurden geschaffen. Zwar sind viele Vereinbarungen brüchig, doch Astana ist die realistischere Friedensplattform. Genf dient eher als Bühne westlicher Symbolpolitik. Der syrische Frieden wird nicht in der Schweiz, sondern zwischen Damaskus, Moskau, Teheran und Ankara ausgehandelt.
Medienkrieg und Propaganda
Die Darstellung des Syrienkriegs in westlichen Medien ist einseitig, verkürzt und propagandistisch. Oppositionelle werden als "Rebellen" verherrlicht, obwohl viele Al-Qaida-nahe Gruppen sind. Die syrische Regierung wird dämonisiert. Medien wie RT, Al Mayadeen oder Press TV werden diffamiert. Es wird Medienkompetenz gefordert: Es reicht nicht, die Tagesschau zu sehen. Wer verstehen will, muss unterschiedliche Quellen nutzen, arabische Medien konsultieren, Bücher lesen, Geschichte kennen. Informationskrieg ist Teil des modernen Krieges. Wer nur eine Seite hört, wird zur Zielscheibe der Manipulation.
Wiederaufbau und Sanktionen – Doppelmoral des Westens
Syrien beginnt, sich zu erholen. In Aleppo, Damaskus, Homs wird gebaut, repariert, zurückgekehrt. Doch westliche Staaten verhindern den Wiederaufbau. Sanktionen treffen die Bevölkerung – nicht die Regierung. Medizin, Ersatzteile, Baumaterial – alles ist blockiert. Deutsche Hilfen fließen nur in oppositionelle Gebiete. Die UNO spricht von den "schlimmsten Sanktionen seit 1945". Eine Apotheke in Deir Ezzor wartete ein Jahr auf Gehhilfen. Viele Krankenhäuser, Schulen, Wasserwerke sind zerstört – aber Hilfe wird verweigert. Sanktionen sind ein Wirtschaftskrieg. Und dieser trifft die Zivilbevölkerung.
## Die Wurzeln des IS – ein Produkt des politischen Islam
Der sogenannte "Islamische Staat" ist kein Naturereignis. Er ist das Produkt einer politischen Entwicklung: des Missbrauchs der Religion für Machtinteressen. Von den Wahhabiten über die Muslimbruderschaft, über Al-Qaida bis zum IS reicht die Linie. Der Westen förderte diese Kräfte – im Kampf gegen säkulare Staaten wie Syrien, den Irak, Libyen. Der IS wurde mit Waffen versorgt, finanziert, ausgebildet – auch von westlichen Verbündeten. Seine Verbrechen richteten sich gegen die Bevölkerung: Terror, Hinrichtungen, Versklavung, Umweltzerstörung. Die Spuren sind noch sichtbar: verbrannte Ölraffinerien, verseuchtes Wasser, missgebildete Kinder.
Gesellschaftliche Zerstörung und Traumata
Millionen Syrer sind traumatisiert. Kinder wuchsen unter IS-Herrschaft auf – gehorsam, fanatisch, gewaltbereit. Frauen wurden versklavt, zwangsverheiratet, gefoltert. Männer verloren Angehörige, Häuser, Arbeit. Schulen, Kliniken, Fabriken wurden zerstört oder als militärische Stützpunkte missbraucht. Die Wiederherstellung einer funktionierenden Gesellschaft ist ein Jahrhundertprojekt. Es fehlt an Lehrern, Ärzten, Psychologen, Infrastruktur. Und es fehlt an internationaler Unterstützung – weil der Westen nur dort hilft, wo es politisch passt.
Die neue Seidenstraße – Chinas stille Offensive
China hat ein globales Projekt: die neue Seidenstraße. Handelsrouten über Land und Meer – von China bis nach Europa. Syrien liegt an einer Schlüsselstelle. Häfen wie Tripoli (Libanon), Städte wie Aleppo oder Deir Ezzor sind Teil dieser neuen Handelslogik. China will nicht bomben, sondern bauen. Russland sichert das politisch-militärisch ab. Der Wiederaufbau Syriens könnte Teil dieser multipolaren Ordnung werden. Das erklärt die Nervosität des Westens – er verliert die Kontrolle über ein Schlüsselgebiet.
Appell und Ausblick
Es wird zur Umkehr aufgerufen. Die deutsche Außenpolitik müsse ihre Haltung überdenken. Botschaft in Damaskus wiedereröffnen. Sanktionen beenden. Syrien beim Wiederaufbau unterstützen – im ganzen Land. Fachkräfte, die hier leben, sollten Rückkehrmöglichkeiten erhalten. Die Friedensbewegung in Deutschland muss aktiv werden – gegen die Lügen, gegen die Sanktionen, gegen die NATO-Besatzung. Jeder kann helfen: Spenden an das Internationale Rote Kreuz, an kirchliche Einrichtungen. Doch vor allem: Aufklärung betreiben, Diskussionen führen, den Widerstand gegen den Krieg wiederbeleben.
Ein Krieg gegen ein Volk – für die Neuordnung der Welt
Der Syrienkrieg ist ein imperialistischer Angriffskrieg gegen ein souveränes Land. Die Opfer sind die Menschen. Die Täter sitzen in Washington, Brüssel, Riad und Ankara. Die Friedensbewegung muss ihre Stimme erheben – gegen die Zerstörung, für den Wiederaufbau, für ein freies Syrien in einer multipolaren Weltordnung.