Der Krieg der Türkei gegen die kurdische Befreiungsbewegung: Vertreibung, Besatzung und das Ringen um Frieden
Während westliche Medien sich in Schweigen üben und die Bundesregierung weiterhin Waffen an das Erdogan-Regime liefert, herrscht im Norden des Irak ein blutiger, zermürbender Krieg gegen das kurdische Volk. Die Ignoranz der Medien verdeckt die tatsächliche Komplizenschaft westlicher Staaten, die durch Waffenexporte und diplomatische Rückendeckung den Krieg faktisch mittragen. Die Türkei hat in den letzten Jahren unter dem Deckmantel des "Antiterrorkampfes" ein brutales Besatzungsregime errichtet. Ein besonders drastisches Beispiel ist die systematische Vertreibung von Dorfbewohnern in der Region um das Gare-Gebirge, wo laut Berichten der NGO Community Peacemaker Teams mittlerweile ganze Siedlungen entvölkert wurden und täglich Drohnen über die Felder kreisen. Auch der Angriff auf das Dorf Hiror am 23. Mai 2024, bei dem mehrere Zivilisten verletzt und landwirtschaftliche Geräte zerstört wurden, steht exemplarisch für die aggressive Kriegspolitik Ankaras. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International forderten nach dem Vorfall eine unabhängige Untersuchung, internationale Medien berichteten jedoch kaum darüber. Die Opfer: vor allem Zivilisten, Bauern, Hirten, Familien. Nach Angaben von Community Peacemaker Teams wurden allein im Jahr 2024 mindestens 89 Dörfer vollständig oder teilweise evakuiert. Laut der Organisation Christian Peacemaker Teams verloren in den letzten drei Jahren über 50 Menschen durch türkische Bombardierungen ihr Leben, Dutzende weitere wurden verletzt. Die wahren Ziele: Kontrolle, Vertreibung und die Zerschlagung der kurdischen Selbstbestimmung. Es handelt sich um einen Krieg niedriger Intensität, aber hoher Dauerhaftigkeit. Mit "niedriger Intensität" ist gemeint, dass keine offenen Fronten oder Großoffensiven stattfinden, sondern eine permanente Serie gezielter Angriffe, Drohnenangriffe und punktueller Operationen, die sich über Jahre erstrecken. "Hohe Dauerhaftigkeit" verweist auf den Umstand, dass dieser Krieg nicht endet, sondern sich als zermürbender Ausnahmezustand über Generationen erstreckt. Er dient der militärischen Absicherung eines autoritären Regimes und der imperialistischen Expansion unter dem Siegel von NATO und "Sicherheitsinteressen".
Die Eskalation: Von Friedensversprechen zum Bombenterror
2013 begann ein vorsichtiger Friedensprozess zwischen der PKK und dem türkischen Staat. Auf Drängen der Regierung zog sich die kurdische Guerilla hinter die Grenze in den Irak zurück. Damals hofften viele auf eine dauerhafte Lösung. Doch nach dem Scheitern des Prozesses 2015 setzte Ankara auf Krieg. Mit Drohnen, Spezialkräften und Luftschlägen wurde ein technologischer Vernichtungskrieg entfesselt. Seit 2017 dringt das türkische Militär systematisch in die Autonomieregion Kurdistan ein, errichtet über 100 Stützpunkte und vertreibt ganze Dörfer. Die völlige Missachtung von internationalem Recht wird von EU und USA stillschweigend geduldet.
Die völlige Zerstörung von 1.800 Quadratkilometern landwirtschaftlicher Fläche, gezielte Bombardierungen ziviler Fahrzeuge und Wohnhäuser sind Teil einer Vertreibungsstrategie: Das Ziel ist eine "Pufferzone" an der Grenze, ethnisch gesäubert und militärisch kontrolliert. Das ist Kolonialismus unter NATO-Schutz! Ganze Landstriche werden entvölkert, um sie militärisch auszubeuten. Besonders deutlich zeigt sich das im Dorf Bêdarkê bei Amêdî, das in den vergangenen zwei Jahren mehrfach bombardiert wurde. Im März 2025 zerstörte ein Drohnenschlag dort mehrere Höfe, Hühnerställe und Wasserzisternen. Die Bewohner flüchteten ins Tal, ihre Rückkehr ist bis heute unmöglich. Die Bevölkerung lebt in permanenter Angst. Die Bomben fallen oft nachts, mit präziser Tödlichkeit. Kinder, Alte, Frauen – niemand ist sicher.
Strategisches Ziel: Das Gare-Gebirge
Besonders im Fokus steht das Gare-Gebirge, da es in den letzten Monaten erneut Ziel intensiver türkischer Militäroperationen wurde und Ankara versucht, dort eine dauerhafte Kontrolle zu etablieren. Die aktuelle Eskalation verdeutlicht, dass dieses Gebiet nicht nur strategisch bedeutsam ist, sondern auch im Zentrum der geopolitischen Interessen der Türkei steht. Es ist logistischer Knotenpunkt der kurdischen Bewegung zwischen Erbil, Dohuk, Rojava und Südkurdistan. Ankara will dieses Gebiet nicht nur militärisch ausschalten, sondern über die geplante "Iraq Development Road" für kapitalistische Großprojekte und geopolitische Ambitionen nutzbar machen. Wer hier Widerstand leistet, wird bombardiert. So etwa am 6. Juni 2025, als ein mutmaßlicher türkischer Drohnenangriff auf eine Versorgungsroute in der Nähe von Deşta Hemrin mehrere PKK-nahe Kämpfer sowie einen zivilen Lastwagenfahrer tötete. Dieser Vorfall wurde von der Menschenrechtsorganisation CPT dokumentiert, blieb jedoch international weitgehend unbeachtet. Die Tunnelanlagen im Berg gelten als technisches Meisterwerk der Guerilla. Sie umfassen kilometerlange unterirdische Verbindungen, gut getarnte Eingänge, Lagerstätten und Kommandopunkte, die auch bei schwerstem Beschuss Schutz bieten. Ihre strategische Funktion liegt in der Mobilität, Kommunikation und Widerstandsfähigkeit der kurdischen Kämpfer in einem ansonsten von Drohnen dominierten Raum. Sie sind Symbol des Überlebenswillens eines Volkes, das seit Jahrzehnten Widerstand leistet gegen Auslöschung und Kolonisierung.
Die Türkei sieht in dieser Region ein Hindernis für ihre Kontrolle des Zugangs zum Persischen Golf. Der Ausbau dieser Route ist Teil der "Iraq Development Road", einem geopolitischen Prestigeprojekt, das als Alternative zum Suezkanal den Handel mit Asien und den Golfstaaten stärken und zugleich die wirtschaftliche Abhängigkeit von westlichen Transitrouten reduzieren soll. Es geht nicht nur um "Terrorismusbekämpfung", sondern um Ressourcen, Handelswege, Einflusszonen. Die türkischen Eliten verfolgen dabei das Ziel, sich als regionale Hegemonialmacht zu etablieren – auf dem Rücken der Kurden.
PKK-Initiative: Einseitiger Waffenstillstand trotz Bomben
Im Oktober 2024 kam Bewegung in den jahrzehntelangen Krieg. Nach über 40 Monaten Isolation durfte erstmals wieder ein Delegierter zu Abdullah Öcalan, dem inhaftierten PKK-Vorsitzenden auf der Gefängnisinsel Imrali. Öcalan rief zur politischen Lösung auf. Die PKK erklärte im Februar 2025 ihre Bereitschaft, den bewaffneten Kampf einzustellen und sich aufzulösen – wenn rechtliche Bedingungen geschaffen würden. Im Mai wurde dieser Beschluss trotz weiter laufender Angriffe formalisiert. Im Juli legten PKK-Kämpfer symbolisch ihre Waffen nieder. Sie kehrten danach in die Berge zurück – nicht aus Provokation, sondern aus Misstrauen gegen die türkischen Machthaber. Ankara schwieg, weil sich innerhalb der Machtelite keine Einigkeit über den Kurs abzeichnete. Während Teile der AKP Gespräche befürworten, blockiert der ultrarechte Koalitionspartner MHP systematisch jede Form von Zugeständnissen. Auch der sogenannte "tiefe Staat" aus Militär, Geheimdiensten und nationalistischen Netzwerken fürchtet eine politische Beteiligung der kurdischen Bewegung, weil sie die autoritären Machtstrukturen in Frage stellen könnte.
Doch Ankara schwieg. Erst nach Öcalans erneuter Intervention verkündete Erdogan eine Kommission zur Friedenslösung – ohne aber konkrete Schritte zur Demokratisierung oder Legalisierung der kurdischen Bewegung zu benennen. Währenddessen stiegen die Bombardierungen im Juni auf 515 – ein neuer Höchststand. Seit Beginn des angeblichen Dialogs wurden zwar weniger Zivilisten getötet, aber gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur halten an. Menschen, die in ihre Dörfer zurückkehren wollen, werden abgeschreckt.
Der einseitige Waffenstillstand war ein mutiger Schritt. Er zeigt die politische Reife der PKK. Doch ohne konkrete Garantien bleibt er einseitig. Die Zeichen stehen auf Hoffnung, aber auch auf Täuschung.
Chance oder Täuschung? Eine kritische Einschätzung
Kamaran Osman von der NGO Community Peacemaker Teams bringt es auf den Punkt: Seit 42 Jahren kann keine Seite die andere besiegen. Die PKK ist trotz aller Angriffe militärisch und politisch lebendig. Der türkische Staat ist repressiver denn je, aber läuft in eine Sackgasse. Jetzt müsste es zu einer echten politischen Lösung kommen. Doch Erdogan und Bahçeli, der ultrarechte MHP-Führer, betreiben Taktik statt Aufrichtigkeit. Der "tiefe Staat" der Türkei will die PKK schwächen, ohne ihr Rechte zuzugestehen. Das ist kein Frieden – das ist Erpressung.
Beide Seiten befinden sich in einer verfahrenen Lage. Die PKK kann nicht zurückkehren, solange sie keine Sicherheit hat. Der Staat fürchtet den politischen Einfluss der Bewegung. Ein wirklicher Ausweg ist nur über eine ehrliche Demokratisierung der Türkei möglich. Der Druck von außen fehlt. Die internationale Gemeinschaft schweigt, weil die Türkei NATO-Mitglied ist. Die Kurden bleiben allein.
Frieden erfordert Gerechtigkeit
Ein wirklicher Frieden beginnt mit dem Ende der Besatzung. Die PKK muss politisch agieren dürfen, ihre Gefangenen müssen freikommen, und Öcalan muss frei verhandeln können. Dazu bedarf es klarer gesetzlicher Schritte: Ein Amnestiegesetz für politische Aktivistinnen und Aktivisten, die Aufhebung des Verbots kurdischer Parteien, die Einleitung eines parlamentarischen Verfahrens zur Reform des Antiterrorgesetzes und die Zulassung kurdischer Sprache und Kultur in Verwaltung, Bildung und Medien. Zudem muss ein Verfassungskonvent einberufen werden, in dem auch Vertreterinnen der kurdischen Bewegung gleichberechtigt mitwirken. Ohne Anerkennung der legitimen Rechte des kurdischen Volkes bleibt jede Friedensrhetorik eine Farce.
Es braucht internationale Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf. Dazu gehört die aktive Unterstützung von Kampagnen wie "Freiheit für Öcalan" und die Teilnahme an internationalen Aktionstagen wie dem "Globalen Aktionstag für Kurdistan". Auch lokale Solidaritätsgruppen, etwa in Berlin, Wien oder Marseille, organisieren regelmäßig Demonstrationen, Infoveranstaltungen und Mahnwachen. Gewerkschaften, Studierendenvertretungen und antifaschistische Gruppen sind aufgerufen, sich zu vernetzen und konkrete Hilfe zu leisten: durch Spenden, Öffentlichkeitsarbeit, Druck auf Abgeordnete und das Sichtbarmachen kurdischer Anliegen in der eigenen Region. Es braucht Aufklärung über die Rolle Deutschlands, das Rüstungsgüter liefert, Waffenexporte genehmigt und Erdogan hofiert. Es braucht Druck auf die Bundesregierung, die sich als "wertegeleitete Außenpolitik" inszeniert, aber einen faschistischen Unterdrückungsstaat unterstützt.
• Sofortiger Abzug der türkischen Truppen aus dem Irak!
• Ende der Bombardierungen und Rückzug aller Drohnen!
• Freilassung Abdullah Öcalans und aller politischen Gefangenen!
• Legalisierung der kurdischen politischen Bewegungen in der Türkei!
• Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei!
• Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf!
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