Klassenkampf von oben – Der Koalitionsvertrag 2025
CDU/CSU und SPD verschärfen Sozialabbau und Militarisierung im Namen der „Staatsmodernisierung“
Von der Agenda 2010 zur Agenda Blackrock
Was mit den Hartz-Reformen unter Schröder begann, wird unter Merz vollendet: Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD markiert den nächsten großen Schritt im Abbau sozialer Rechte, im Ausbau des Repressionsstaates und in der bedingungslosen Unterordnung unter die Interessen des Kapitals. Die Parole der neuen alten Regierung lautet nicht mehr „Fördern und fordern“, sondern nur noch: Fordern – und zwar blinden Gehorsam gegenüber einem System, das für die Masse nichts mehr übrig hat.
Das Regierungsbündnis – von der jungen Welt treffend als »Kabinett Blackrock I« bezeichnet – setzt auf eine „Staatsmodernisierung“, die in Wahrheit eine Generaloffensive gegen die arbeitende Klasse bedeutet. Der Koalitionsvertrag liest sich wie ein Feldzug gegen die Schutzmechanismen, die nach Jahrzehnten des sozialen Kampfes mühsam erkämpft wurden. Alles, was dem Profit im Weg steht, wird nun zur Disposition gestellt: Arbeitsrecht, soziale Sicherung, demokratische Mitbestimmung. Die Ideologie dahinter ist altbekannt: Der Markt wird es richten – und wer nicht mitkommt, fliegt raus.
Wer sich dem nicht unterordnet, wird mit Sanktionen belegt – zum Beispiel mit einer Kürzung um 30 Prozent des Bürgergeldes, wenn ein Beratungstermin versäumt wird oder eine zumutbare Arbeitsgelegenheit abgelehnt wird. Wer protestiert, wird als realitätsfern diffamiert. Und wer sich noch Illusionen über die SPD gemacht hat, muss erkennen: Diese Partei ist endgültig Teil des Problems geworden. Sie ist zur Verwaltungskraft eines autoritären Kapitalismus verkommen, dem es um Ordnung, Disziplin und Standortkonkurrenz geht – nicht um soziale Gerechtigkeit.
Bürgergeld: Die Armen als Feindbild
Mit besonderer Härte trifft es Erwerbslose. Das Bürgergeld wird de facto wieder zum Hartz IV alten Zuschnitts gemacht – nur brutaler. Sanktionen sollen nicht nur schneller und unbürokratischer verhängt werden, sondern bis hin zum völligen Leistungsentzug reichen. Wer Termine nicht wahrnimmt oder aus Sicht der Behörde „nicht genug mitwirkt“, verliert das Nötigste zum Überleben. Im Jahr 2024 wurden bereits 370.000 Sanktionen verhängt – ein Plus von über 60 Prozent. Tendenz: steigend.
Die absurde Rhetorik der „Sozialschmarotzer“ ist zurück. Die neue Koalition will damit das klassische Feindbild reaktivieren: den faulen Armen. Nicht jene, die Wohnungen verkommen lassen, Löhne drücken oder Milliarden in Rüstung kassieren, sind das Problem – sondern die, die gar nichts mehr haben. Diese Umkehr der Realität dient nur einem Zweck: Spalten. Denn wer die Unterschicht gegeneinander hetzt, hat oben freie Bahn.
Statt gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, gießt diese Regierung Öl ins Feuer sozialer Spaltung. Sie setzt auf ein Narrativ der Leistung und Eigenverantwortung, während Millionen systematisch benachteiligt und ausgeschlossen werden. Gerade in Zeiten von Inflation, Energiekrise und Reallohnverlusten ist diese Politik ein Anschlag auf das soziale Gefüge der Gesellschaft.
Arbeitsschutz: Der Achtstundentag fällt
Ebenso alarmierend ist der Angriff auf das Arbeitszeitgesetz. Seit 1918 gilt in Deutschland der Achtstundentag – eine direkte Errungenschaft der Novemberrevolution. Nun soll er fallen. Die Koalition will künftig nur noch eine Wochenhöchstarbeitszeit festschreiben. Das klingt technisch, bedeutet aber: An einzelnen Tagen dürfen Beschäftigte deutlich länger arbeiten. Offiziell soll das „mehr Flexibilität“ schaffen – tatsächlich wird der Arbeitstag damit weiter aufgeweicht.
Verdi warnt zu Recht vor einem Dammbruch: Wer den täglichen Arbeitsschutz aufgibt, öffnet Missbrauch und Ausbeutung Tür und Tor. Besonders betroffen wären jene, die ohnehin schon unter prekären Bedingungen schuften – in Pflege, Logistik, Gastronomie. Es droht ein Rückfall in Arbeitsverhältnisse, die man im 19. Jahrhundert wähnte.
Und die Gewerkschaften? Der DGB mahnt halbherzig zur Vorsicht, während die IG Metall den Koalitionsvertrag in Teilen sogar lobt – offenbar blind für die Milliarden, die gleichzeitig an die Rüstungsindustrie fließen. Es ist der Schulterschluss zwischen Konzernmacht und Regierungsapparat – und der Preis wird von unten gezahlt.
Hinzu kommen staatlich forcierte Anreize zu Mehrarbeit und die Aushöhlung tariflicher Regelungen. Immer mehr Menschen müssen Überstunden leisten, um über die Runden zu kommen. Die viel beschworene Work-Life-Balance bleibt ein leeres Versprechen. Und all das geschieht unter dem Deckmantel der Wettbewerbsfähigkeit – ein Begriff, der längst zur Legitimation für Ausbeutung verkommen ist.
Aufrüstung ohne Ende
Wer dachte, dass mit der Aussetzung der Schuldenbremse soziale Investitionen bevorstehen, irrt gewaltig. Die Mittel fließen – wohin sonst – in die Militarisierung. Höhere Rüstungsausgaben sind ausdrücklich vorgesehen. Die „Zeitenwende“ wird zur Dauerideologie: Der neue Etat für Krieg und Waffen soll zur Stütze der Konjunktur werden. Die Bundesregierung verpasst keine Gelegenheit, neue Sondervermögen für Panzer und Raketen zu rechtfertigen. Die Industrie reibt sich die Hände.
Während Schulen verfallen und Pflegekräfte fehlen – allein im Bildungsbereich fehlen laut GEW rund 25.000 Lehrkräfte, in der Pflege sind es über 100.000 Fachkräfte –, werden Milliarden für Rüstung ausgegeben. Der Verteidigungsetat soll im Jahr 2025 auf über 80 Milliarden Euro anwachsen – ein historisches Hoch. und Abschreckung bereitgestellt. Der Kriegshaushalt kennt kein Limit – die sozialen Haushalte hingegen werden gekürzt. Diese Prioritätensetzung folgt einer geopolitischen Logik: Deutschland soll militärisch zur führenden Ordnungsmacht Europas aufsteigen. Friedenspolitik wird zur nostalgischen Randnotiz, Abrüstung zum Tabu. Wer das kritisiert, gilt schnell als naiv oder staatsfeindlich.
Migrationspolitik: Abschottung statt Solidarität
Auch in der Migrationspolitik kündigt sich ein Rechtsruck an. „Zurückweisungen“ sollen künftig „in Abstimmung mit den Nachbarländern“ erfolgen – was nichts anderes bedeutet als ein deutscher Alleingang, der die Schutzsuchenden als Problem betrachtet, nicht die Ursachen ihrer Flucht. Wer nicht zurückgenommen wird, dessen Heimatland soll wirtschaftlich bestraft werden – Visa-Entzug inklusive.
Diese Politik ist nichts anderes als eine Fortführung der Festung Europa. Humanität wird geopfert, um der Stimmung von rechts zu gefallen. Was bleibt, ist ein kaltes Grenzregime, das Abschottung über Solidarität stellt. Diese Verschärfungen betreffen nicht nur Geflüchtete – sie zeigen, welche Grundhaltung diese Koalition gegenüber Minderheiten und Marginalisierten einnimmt: Kontrolle statt Empathie, Abschreckung statt Integration. Menschenrechte werden zur taktischen Variable – abhängig vom wirtschaftlichen Nutzen und geopolitischen Kalkül.
Was tun? Aufstehen!
Dieser Koalitionsvertrag ist ein klares Bekenntnis zum autoritären Kapitalismus. Er zeigt: Die herrschende Klasse hat aus der Krise nichts gelernt – oder besser gesagt: Sie nutzt sie zur Verschärfung ihrer Herrschaft. Sozialabbau, Repression, Militarisierung – das ist ihr Rezept gegen sinkende Profitraten und wachsendes Elend. Die SPD spielt das Spiel bereitwillig mit, weil sie um jeden Preis mitregieren will – auch wenn sie dafür ihre letzten Prinzipien opfert.
Doch der Widerstand ist schwach. Gewerkschaften lavieren, linke Parteien sind zersplittert, soziale Bewegungen versanden in Symbolpolitik. Das muss sich ändern. Wer diesen Wahnsinn aufhalten will, muss aufrütteln, mobilisieren und kämpfen. Wir brauchen keine „Begleitung“ der Koalition, sondern entschlossene Opposition – auf der Straße, in den Betrieben, in den Stadtteilen.
Wir brauchen Bündnisse von unten: von Erwerbsloseninitiativen über radikale Klima- und Friedensbewegungen bis hin zu klassenkämpferischen Gewerkschaftsgruppen. Der Widerstand muss zusammenfinden – organisiert, laut und unbequem. Nur so lässt sich dieser Koalition der Spaltung und Zerstörung etwas entgegensetzen. Sonst wird die Verelendung der Vielen zur Grundlage des Reichtums von Wenigen – und die Rechte erntet die Wut.
Was es braucht, ist eine neue sozialistische Perspektive, die über reformistische Flickschusterei hinausgeht. Eine Bewegung, die nicht nur protestiert, sondern organisiert. Die sich nicht im Parlament verfängt, sondern in den Alltag eingreift. Die Betriebe, Schulen, Stadtteile und Medien erobert. Die den Kampf nicht scheut – auch wenn er unbequem ist.
Denn:
Der Kapitalismus hat keine Zukunft. Unsere Aufgabe ist es, das laut zu sagen – und zu handeln.
Es ist Zeit, aufzustehen. Jetzt.