Der Imperialismus gebiert den Krieg 
Als Wladimir Iljitsch Lenin im Jahr 1916, mitten im Weltbrand des Ersten Weltkriegs, sein grundlegendes Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ veröffentlichte, war seine Diagnose revolutionär und schonungslos zugleich: Der Imperialismus ist kein Zufallsprodukt, kein Auswuchs individueller Machtgier – er ist ein systemischer Zwang im Spätstadium des Kapitalismus. Die große Wahrheit, die Lenin damals formulierte, gilt bis heute: „Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialistischen Revolution.“ Der Kapitalismus strebt in seinem Endstadium unweigerlich zum Krieg. Nicht weil er es will – sondern weil er nicht anders kann.
Was ist Imperialismus
Lenin analysierte mit scharfer marxistischer Methodik die Verwandlung des freien Konkurrenzkapitalismus in ein Monopol- und Finanzkapital. In diesem Stadium dominieren riesige Bank- und Industriekonglomerate das ökonomische und politische Geschehen. Der Staat selbst verwandelt sich in ein Instrument dieser ökonomischen Eliten – in einen „Sachwalter der Monopole“, wie Lenin es nannte. Das Kapital muss sich stets verwerten, und wenn innerstaatliche Märkte gesättigt sind, beginnt die Suche nach Anlagemöglichkeiten, Ressourcen und Arbeitskräften jenseits der eigenen Grenzen.
Lenin beschreibt den Imperialismus als die Epoche des sterbenden Kapitalismus, als Übergangsphase zur sozialistischen Revolution. Die Konzentration des Kapitals führe zu einer Spaltung der Welt in unterdrückende und unterdrückte Nationen – ein Verhältnis, das nicht auf Dauer stabil bleiben könne. Die Folge sei eine Zunahme von Konflikten, die sich sowohl in offenen Kriegen als auch in wirtschaftlichen Erpressungen und diplomatischem Druck ausdrücken. Diese Dynamik verdeutlicht, dass der Imperialismus nicht zufällig mit Gewalt einhergeht – er beruht auf systemischem Zwang, Konkurrenzkampf und globaler Ungleichverteilung.
Lenin kritisierte nicht nur die wirtschaftliche Struktur des Imperialismus, sondern auch seine ideologische Begleitmusik. Nationalismus, Chauvinismus und koloniale Überlegenheitsideologien dienen laut Lenin als Mittel, um die arbeitenden Massen zu spalten und vom Klassenkampf abzulenken. Er betonte, dass der Imperialismus durch seine Natur unfähig sei, Frieden, Freiheit oder Demokratie hervorzubringen – im Gegenteil, er führe zur Reaktion nach innen und Aggression nach außen.
Imperialismus ist damit kein außenpolitischer Fehler, sondern der strukturelle Ausdruck des monopolistischen Kapitalismus. Krieg wird zur Methode der Neuaufteilung von Einflusszonen – ein wirtschaftlich begründetes, politisch organisiertes und militärisch vollstrecktes Projekt. Schon der Erste Weltkrieg war für Lenin ein „Raubkrieg“ der großen imperialistischen Mächte, bei dem die Arbeiter aller Länder verheizt wurden, um die Profite einiger weniger zu sichern. Dieses Muster wiederholte sich im gesamten 20. Jahrhundert – und es prägt auch die Konflikte des 21. Jahrhunderts.
Deutschlands Rolle im historischen und heutigen Imperialismus
Deutschland war Teil dieser imperialistischen Entwicklung. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag suchte das Land unter wechselnden politischen Regimen – von der Weimarer Republik bis zum Nationalsozialismus – gezielt nach Wegen, seine internationale Machtstellung wiederherzustellen. Schon im 19. Jahrhundert agierte Deutschland als kolonialer Spätstarter, schloss aber rasch auf: Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika wurden zu Kolonien, in denen wirtschaftliche Ausbeutung, rassistische Herrschaft und militärische Gewalt zur Norm gehörten. Der Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika gilt als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts und zeigt die brutale Logik kolonialer Machtausdehnung.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland zwar entkolonialisiert, doch der Drang nach imperialer Revanche blieb. Die Expansion nach Osten im Zweiten Weltkrieg unter nationalsozialistischem Banner – der sogenannte „Lebensraum im Osten“ – trug alle Züge eines gewaltsamen, rassistisch aufgeladenen Imperialismus. Die systematische Ermordung von Millionen Menschen, die Ausbeutung der Ressourcen und die Zerschlagung ganzer Staaten im Osten Europas waren Teil eines umfassenden imperialistischen Projekts unter ideologischer Tarnung.
Nach 1945 wurde Westdeutschland in die westliche Nachkriegsordnung eingebettet. Im Kontext des Kalten Krieges diente die Bundesrepublik zunächst als ökonomisches Bollwerk gegen den Ostblock. Doch mit dem Zerfall der Sowjetunion trat die Bundesrepublik selbstbewusst auf den Plan. Die aktive Rolle Berlins bei der Zerschlagung Jugoslawiens – beginnend mit der schnellen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens – und die Beteiligung an NATO-Einsätzen zeugen von einem neuen geopolitischen Selbstverständnis. Dabei trat Deutschland nicht mehr nur als Unterstützer, sondern zunehmend als Initiator von außenpolitischen Strategien auf.
Spätestens seit der sogenannten „Zeitenwende“, die 2022 vom damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufen wurde, ist Deutschland wieder vollwertiger Akteur der imperialistischen Politik. Mit massiven Aufrüstungsprogrammen, milliardenschweren Waffenlieferungen und wirtschaftlicher Kriegspolitik gegen Russland zeigt sich die Bundesrepublik als verlässlicher Partner des westlichen Hegemon – und als strategischer Motor der Eskalation in Osteuropa. Hinzu kommen militärische Ausbildungsmissionen, die Stationierung deutscher Truppen an der NATO-Ostflanke und die direkte Beteiligung an Sanktionsregimen. Deutschlands Rückkehr zur Machtpolitik erfolgt unter dem Mantel „wertegeleiteter Außenpolitik“ – doch faktisch handelt es sich um imperiale Interessensicherung im Gewand moralischer Rhetorik.
Historische Kontinuität imperialistischer Kriege
Die Geschichte kennt viele Beispiele, in denen sich Lenins Imperialismustheorie bewahrheitet hat. Der britische Opiumkrieg gegen China, die Kolonialisierung Indiens, der Aufstand der Sepoys, die Niederschlagung der Boxerbewegung – all diese Ereignisse waren wirtschaftlich motivierte Aggressionsakte. Sie dienten der Ausweitung von Absatzmärkten, dem Zugriff auf Rohstoffe und der Sicherung politischer Vorherrschaft. Lenin betonte, dass der Kapitalismus sich in dieser Phase über nationale Grenzen hinweg ausbreiten müsse – nicht um Frieden zu stiften, sondern um die Krise seiner eigenen Akkumulationslogik zu bewältigen. Dabei verwandelt sich jede geopolitische Spannung in ein potenzielles Schlachtfeld, auf dem Kapitalinteressen mit Waffengewalt durchgesetzt werden.
Die Suezkrise 1956, bei der Großbritannien und Frankreich gemeinsam mit Israel gegen Ägypten vorgingen, war nicht nur ein Rückzugsgefecht alter Kolonialmächte, sondern ein imperialistischer Versuch, Zugang zu strategischer Infrastruktur – dem Suezkanal – zu erhalten. Die USA, selbst imperialistische Macht, zwangen ihre europäischen Verbündeten letztlich zum Rückzug – nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie ihre eigene Vormachtstellung in der Region nicht gefährdet sehen wollten. Diese Episode verdeutlicht, dass zwischen imperialistischen Akteuren keine Solidarität existiert, sondern nur Konkurrenz um Einflusszonen.
Der Irakkrieg 2003, unter dem Vorwand der Massenvernichtungswaffen geführt, hatte in Wahrheit die Kontrolle über Öl und geostrategische Räume zum Ziel. Er war eine direkte Fortsetzung der imperialistischen Praxis der gewaltsamen Markt- und Ressourcenerschließung. Jugoslawien 1999 und Libyen 2011 stehen ebenfalls in dieser Kontinuität: Unter dem Deckmantel der „humanitären Intervention“ wurde imperiale Neuordnung betrieben. In Wahrheit handelte es sich dabei um gewaltsame Reorganisationen nationaler Souveränität im Interesse westlicher Hegemonie.
Heute vollzieht sich diese Politik mit digitalen Mitteln, wirtschaftlichem Druck, Sanktionen und medialer Kriegsführung. Der Charakter hat sich nicht verändert – nur die Methoden. Informationskrieg ersetzt Bombenteppiche, ökonomische Erpressung tritt an die Stelle militärischer Besatzung. Doch der Zwang bleibt derselbe: Kapital muss wachsen, und wo es auf Widerstand stößt, wird dieser durch militärische, politische oder wirtschaftliche Mittel gebrochen. Lenin beschrieb diesen Mechanismus bereits vor über 100 Jahren – seine Gültigkeit hat er nie verloren.
Der Ukrainekrieg als Ausdruck imperialistischer Neuaufteilung
Der Krieg in der Ukraine ist in diesem Zusammenhang kein isoliertes Ereignis, sondern das Produkt eines langjährigen Prozesses westlicher Expansion. Die NATO rückte trotz aller gegenteiligen Zusagen immer weiter an die russischen Grenzen vor. Die Maidan-Ereignisse 2014 wurden mitorganisiert, mitfinanziert und politisch flankiert von westlichen Kräften. Seitdem wurde die Ukraine systematisch aufgerüstet – nicht zur Verteidigung, sondern zur Konfrontation. Westliche Militärberater, Waffenlieferungen, geheimdienstliche Kooperationen und der Ausbau von Militärinfrastruktur entlang der russischen Grenze belegen den aggressiven Charakter dieser Politik.
Diese Entwicklungen lassen sich nicht isoliert betrachten. Bereits im Jahr 2008 warnte der damalige US-Botschafter in Moskau in einem internen Memo, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine "rote Linie" für Russland bedeute. Dennoch wurde dieser Weg konsequent beschritten. Gleichzeitig wurde die ukrainische Gesellschaft tiefgreifend umgebaut: Nationalistische Kräfte gewannen an Einfluss, russischsprachige Minderheiten wurden zunehmend marginalisiert, und die Medienlandschaft wurde gleichgeschaltet.
Der Westen nutzt die Ukraine als geopolitisches Schachbrett gegen Russland. Lenin hätte darin eine klassische Stellvertreterstrategie des Imperialismus erkannt. Der Krieg dient nicht nur territorialen Zielen, sondern ist Ausdruck eines umfassenden Machtkampfes um die globale Vorherrschaft. Es geht um Pipelines, um Handelsrouten, um politische Einflusssphären – und letztlich um die Kontrolle über eine ganze Region.
Auch die Strategie der Sanktionen, der ökonomischen Erpressung, der ideologischen Mobilisierung über Medien und NGOs – all das entspricht dem leninistischen Befund: Der Imperialismus agiert auf allen Ebenen, nicht nur auf dem Schlachtfeld. Die wirtschaftliche Kriegsführung, die Isolierung Russlands vom Weltmarkt, der Versuch, die Gesellschaft durch kulturellen Einfluss und narrative Dominanz zu destabilisieren – das alles sind Instrumente eines modernen Imperialismus, der sich hinter demokratischer Rhetorik verbirgt, aber dieselben Ziele verfolgt wie seine historischen Vorgänger.
Repression nach innen – Sozialabbau und Kontrolle
Lenin wies bereits darauf hin, dass Imperialismus auch nach innen wirkt. In jeder imperialistischen Phase wird der Staat repressiver. Um den Krieg nach außen zu führen, muss im Inneren Stabilität durch Kontrolle gewährleistet sein. In Deutschland sehen wir dies heute an der Einschränkung der Meinungsfreiheit, dem Ausschluss pazifistischer Stimmen, der Gleichschaltung öffentlicher Debatten. Zudem werden alternative Medienplattformen zunehmend zensiert, kritische Journalisten diffamiert und Friedensdemonstrationen unter Generalverdacht gestellt. Das Klima der Angst und Einschüchterung hat längst weite Teile der Gesellschaft erreicht. Kritik am herrschenden Kurs wird nicht mehr als demokratischer Beitrag, sondern als sicherheitspolitisches Risiko interpretiert.
Zugleich geht die Umverteilung zugunsten des Militärs mit konkreten Zahlen einher: Laut dem Bundeshaushalt 2024 plant Deutschland allein für Verteidigungsausgaben rund 71 Milliarden Euro ein – ein historischer Höchststand. Mit den geplanten Ausgaben aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr summieren sich die Militärausgaben auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Mittel fehlen zwangsläufig im sozialen Bereich – Bildung, Pflege, Wohnen – all das wird geopfert für Panzer, Drohnen und Raketen. Öffentliche Einrichtungen verfallen, Lehrkräfte fehlen, Krankenhäuser schließen – doch für Rüstungsprojekte und Militärpräsenz im Baltikum sind Milliarden verfügbar. Während die Bevölkerung auf Solidarität eingeschworen wird, explodieren die Gewinne von Rüstungskonzernen und Energiekartellen. Rheinmetall, Heckler & Koch, aber auch internationale Akteure wie Lockheed Martin feiern Rekordumsätze.
Der Staat wird nicht zum Verteidiger der Bürger – er wird zum Instrument der geostrategischen Machtentfaltung. Die Bürgerinnen und Bürger werden zu Zahlmeistern einer expansiven Außenpolitik gemacht, deren Nutzen nicht dem Gemeinwohl dient, sondern den Interessen einer kleinen wirtschaftlichen und politischen Elite. Lenin hätte in dieser Entwicklung eine klassische Manifestation der inneren Reaktion im imperialistischen Zeitalter gesehen – eine Reaktion, die nicht zufällig, sondern notwendig ist, um die globale Konfrontation aufrechtzuerhalten.
Der Krieg ist kein Irrtum – er ist die Konsequenz
Die imperialistische Logik, die Lenin 1916 entlarvte, ist heute aktueller denn je. Der Kapitalismus in seiner heutigen Ausprägung ist auf Expansion, Kontrolle und Durchsetzung seiner Interessen mit Gewalt angewiesen. Ob es sich um militärische Interventionen, wirtschaftliche Sanktionen oder mediale Propaganda handelt – das Ziel bleibt: die Sicherung der globalen Vorherrschaft der westlichen Eliten. Der ökonomische Zwang zur ständigen Akkumulation führt unausweichlich zur Ausdehnung, zur Konfrontation und letztlich zum Krieg – sowohl gegen äußere Feinde als auch gegen innere Opposition.
In dieser Situation reicht es nicht, bloß auf Friedensverhandlungen oder Abrüstungsinitiativen zu hoffen. Der Frieden kann nicht innerhalb eines imperialistischen Systems dauerhaft bestehen. Wie Lenin schrieb: „Der Imperialismus bedeutet Reaktion auf der ganzen Linie.“ Diese Reaktion richtet sich nicht nur gegen andere Staaten, sondern auch gegen die eigene Bevölkerung. Deshalb ist der Kampf gegen den Imperialismus immer auch ein Kampf für demokratische Rechte, für soziale Gerechtigkeit und gegen die Macht der Monopole.
Wer den Frieden will, muss den Imperialismus bekämpfen – ganz im Sinne Lenins, der den Kampf gegen das imperialistische System als Voraussetzung für den internationalen Frieden verstand. Nur durch die bewusste Ablehnung des Systems, das Expansion, Ausbeutung und Krieg produziert, kann ein neuer Weg in eine solidarische, friedliche Welt beschritten werden. Wer soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität und Selbstbestimmung der Völker fordert, darf nicht neutral bleiben. Es gilt, die Systemfrage zu stellen – und Lenin neu zu lesen, um die Gegenwart zu verstehen. Der Aufbau einer gerechten Weltordnung erfordert Mut, Organisation und ein klares politisches Ziel: den Bruch mit dem Imperialismus – ideologisch, ökonomisch und geopolitisch.
Für den Frieden. Für die Völkerfreundschaft.
Für den Sozialismus. Für eine Zukunft ohne Krieg.
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