Berufsverbote 2.0 – Mit dem Feind im Innern gegen die Linke
Ein neuer Radikalenerlass soll die Zeitenwende auch im Innern zementieren. Doch gemeint ist nicht die AfD – sondern linke Opposition.
Im Windschatten der sogenannten Zeitenwende rüstet der bürgerliche Staat – wie jüngst etwa in Rheinland-Pfalz, wo durch ministerielle Anweisung künftig bereits die bloße Mitgliedschaft in als „extremistisch“ eingestuften linken Organisationen zum Ausschluss vom öffentlichen Dienst führen soll – gegen seine eigentlichen Gegner auf: gegen alle, die den Kapitalismus in Frage stellen, die sich für soziale Gerechtigkeit, für Frieden, für eine andere Gesellschaft einsetzen. gegen alle, die den Kapitalismus in Frage stellen, die sich für soziale Gerechtigkeit, für Frieden, für eine andere Gesellschaft einsetzen. Die geplante Neuauflage des berüchtigten Radikalenerlasses, wie sie sich aktuell in der geplanten Einführung von Regelanfragen beim Verfassungsschutz in Hamburg, dem Verfassungstreuecheck in Brandenburg oder den neuen Richtlinien in Rheinland-Pfalz konkretisiert, der 1970er Jahre macht klar: Wer heute „Verfassungsschutz“ ruft, meint Berufsverbot für Linke. Und wer den Begriff „Verfassungsschutz“ verteidigt, hat längst akzeptiert, dass Demokratie zur Kulisse des Kapitals geworden ist.
Was unter Willy Brandt 1972 mit dem Scheinargument der „wehrhaften Demokratie“ eingeführt wurde, richtet sich auch heute wieder gegen Marxistinnen und Marxisten, Kommunistinnen und Kommunisten, Antifaschisten, Antimilitaristen und linke Gewerkschafter. Damals wie heute wird das Vorgehen mit angeblicher Gefahr „von links und rechts“ gerechtfertigt. In Wahrheit ist es ein erneuter Angriff auf die organisierte Arbeiterbewegung und ihre Verbündeten. Die Hufeisentheorie dient dabei als ideologisches Instrument, die politische Extreme von links und rechts gleichsetzt, obwohl ihre ideologischen Grundlagen und Ziele grundverschieden sind, um revolutionäre Perspektiven zu diffamieren.
Die Tarnung fällt: Nicht die AfD, sondern Linke sind das Ziel
Während in den Medien gerne suggeriert wird, die Maßnahmen richteten sich gegen die AfD, spricht der Inhalt der Gesetze eine andere Sprache. So sieht etwa der Gesetzesentwurf der Hamburger Bürgerschaft vor, bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst künftig zwingend eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchzuführen – ungeachtet individueller Verdachtsmomente. Auch in Brandenburg und Niedersachsen sind ähnliche Regelungen in Vorbereitung. Mit „Verfassungstreuechecks“, „Regelanfragen beim Verfassungsschutz“ und Fragebögen zu politischen Aktivitäten wird der Inlandsgeheimdienst in Stellung gebracht – gegen linke Strukturen, migrantische Organisationen, Friedensbewegungen, antikapitalistische Bündnisse. Was der Inlandsgeheimdienst als „extremistisch“ brandmarkt, soll künftig als Ausschlusskriterium für den öffentlichen Dienst genügen. In Wirklichkeit geht es darum, die Verwaltung auf Linie zu bringen – auf NATO-Linie, auf Kriegskurs, auf Sozialabbau. So betonte etwa der Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grünen im Jahr 2023, dass unter dem Dach des öffentlichen Dienstes kein Platz für verfassungsfeindliche Aktivitäten sei – verbunden mit der Einführung verpflichtender Verfassungsschutzabfragen. Ähnliche Regelungen wurden in Brandenburg mit dem sogenannten Verfassungstreuecheck bereits umgesetzt.
Der Fall Rheinland-Pfalz zeigt, wohin die Reise geht. Ein weiteres bezeichnendes Beispiel ist Hamburg: Dort wollen SPD und Grüne im Rahmen ihrer Koalitionsvereinbarung die sogenannte Resilienz des öffentlichen Dienstes durch eine verpflichtende Regelanfrage beim Verfassungsschutz stärken. Das bedeutet konkret, dass künftig jede Bewerberin und jeder Bewerber für den öffentlichen Dienst überprüft wird – ganz gleich, ob es Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gibt oder nicht. Zwar ruderte die Landesregierung beim Ausschluss von AfD-Mitgliedern zurück – bei linken Gruppen blieb es jedoch bei der Ausschlussdrohung. In mehreren Bundesländern laufen die Vorbereitungen für eine neue Berufsverbotswelle. Bayern hat es längst vorgemacht, Brandenburg zog 2024 nach, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Hessen stehen bereit. SPD und Grüne, die sich gerne als Hüter der Demokratie gerieren, legen die Axt an die Grundrechte. So heißt es etwa im Hamburger Koalitionsvertrag von 2023: „Unter dem Dach des öffentlichen Dienstes darf es keinen Raum für verfassungsfeindliche Aktivitäten geben.“ Mit dieser Formulierung legitimieren sie eine Praxis, die zunehmend gegen linke und antikapitalistische Positionen eingesetzt wird. Die Ironie: Die angeblich antifaschistische Regierung schafft Bedingungen, die selbst autoritäre Regime in Ost- und Südeuropa nur staunend betrachten würden.
Kapitalismus treu, Demokratie adé
Dass es sich um einen Klassenkampf von oben handelt, wird an den Begründungen für Ablehnungen überdeutlich. So wurde der Klimaaktivistin Lisa Poettinger das Referendariat verweigert, weil sie den Begriff „Profitmaximierung“ verwendet hatte – laut offizieller Begründung sei dieser Begriff ein Indiz für eine „marxistische Grundhaltung“ und damit ein möglicher Hinweis auf fehlende Verfassungstreue – eine Realität im Kapitalismus, die offenbar schon in der bloßen Benennung als staatsgefährdend gilt. Der Fall des Sozialwissenschaftlers Benjamin Ruß zeigt noch drastischer, worum es geht: Im Januar 2024 bestätigte das Arbeitsgericht München in einem Urteil die Ablehnung seiner Einstellung an der Ludwig-Maximilians-Universität. Grund war unter anderem seine öffentliche Unterstützung des politischen Streiks und seine Kritik am kapitalistischen System, die laut Gericht als mangelnde Verfassungstreue gewertet wurde. Wer für Arbeiterkontrolle und politischen Streik eintritt, gilt als verfassungsfeindlich. So sieht es zumindest das Arbeitsgericht München – in einem Urteil, das offen marxistische Analysen kriminalisiert. Wer heute den politischen Streik fordert, steht morgen vor dem Aus – beruflich wie sozial.
Solche Entwicklungen sind keine Einzelfälle, sondern systematisch. Schon in den 1970er Jahren wurden tausende Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst unter dem Radikalenerlass überprüft, viele von ihnen aufgrund bloßer DKP-Mitgliedschaft abgelehnt. Heute wiederholen sich diese Muster in neuem Gewand: So wurde in Hessen eine Referendarin abgelehnt, weil sie an einer antifaschistischen Demonstration teilgenommen hatte. Die Methode bleibt: Einschüchterung durch Gesinnungsprüfung. Es geht darum, die Idee einer anderen Gesellschaft – einer sozialistischen Gesellschaft – als Bedrohung darzustellen. Der öffentliche Dienst soll zu einem Ort werden, an dem kritisches Denken, kollektives Handeln und revolutionäre Perspektiven keinen Platz mehr haben. Die Verwaltung wird zur Exekutive der kapitalistischen Restauration.
Der Inlandsgeheimdienst als Wahrheitsministerium
Parallel zu den Angriffen auf kritische Köpfe wächst die Macht des Inlandsgeheimdienstes. Bereits in den frühen 1950er Jahren wurde der Verfassungsschutz unter aktiver Beteiligung ehemaliger Faschisten aufgebaut – nicht als Schutz der Demokratie, sondern als Schutzwall gegen die Linke und den Sozialismus. Schon damals diente er zur Ausforschung, Einschüchterung und Ausgrenzung von Kommunisten, Sozialisten und kritischen Intellektuellen. Seine Geschichte ist die eines antikommunistischen Überwachungsapparats, der sich bis heute treu geblieben ist. Grüne Politiker fordern bereits, den „Verfassungsschutz“ – aufgebaut von ehemaligen Funktionären des faschistischen NS-Staates wie Otto John oder Reinhard Gehlen, heute noch immer ein Apparat der Repression – fest in den Landesverfassungen zu verankern. So forderte etwa Muhterem Aras, Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, am 24. April 2025 im Landtag von Stuttgart, „den Verfassungsschutz in der Landesverfassung zu verankern, um ihn vor politischen Launen einer zukünftigen Parlamentsmehrheit zu schützen.“ So erklärte etwa die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras im Frühjahr 2025, es brauche diesen Schritt, um den Geheimdienst künftig vor parlamentarischen Mehrheiten zu schützen, die seine Auflösung fordern könnten. Damit wird eine Institution zementiert, die über Jahrzehnte Nazi-Netzwerke gedeckt, den NSU geschützt und linke Bewegungen bekämpft hat. Es ist der Inbegriff des autoritären Staates im Dienste des Kapitals. Wer heute den Verfassungsschutz stärkt, arbeitet an der inneren Aufrüstung der Bundesrepublik.
Nicht der Staat schützt die Demokratie – es sind die Millionen Werktätigen, die in Betrieben, Schulen, Kliniken und Verwaltungen für eine andere Zukunft kämpfen. Der Verfassungsschutz hingegen war nie ein Garant von Freiheit. Er war von Beginn an das Werkzeug der Reaktion, der Klassenjustiz, der Spaltung.
Der Widerstand wächst – und muss sich organisieren
Doch der Widerstand formiert sich. So erklärte Maike Schollenberger, Landesvorsitzende von Verdi Baden-Württemberg: „Wir brauchen keine Berufsverbote 2.0 mit Listen, in denen Menschen, die sich für eine gerechtere Gesellschaftsordnung engagieren, gleichgesetzt werden mit Faschisten, die die Demokratie abschaffen wollen.“ Die GEW Baden-Württemberg lehnt die neue Berufsverbotspolitik ab, ebenso Verdi-Aktivistinnen und Aktivisten. Am 10. Oktober ist eine bundesweite Solidaritätsveranstaltung in München geplant. Ziel: die Verteidigung der demokratischen Rechte gegen den autoritären Kurs der Ampel-Regierung und ihrer grünen Vorfeldorganisationen. Und es regt sich mehr: Initiativen gegen Berufsverbote entstehen in mehreren Städten, linke Anwältinnen und Anwälte rüsten sich für Grundsatzprozesse, Gewerkschaftsjugenden stellen klare Forderungen.
Was wir jetzt brauchen, ist keine Defensive, sondern eine offensive Strategie. Der Kampf gegen Berufsverbote ist Teil des Klassenkampfes. Denn der kapitalistische Staat duldet keine systemkritische Stimme in seinem Apparat – gerade in Zeiten der Aufrüstung, der sozialen Spaltung und des Krieges. Wer den Krieg nach außen führt, braucht den Maulkorb im Innern. Doch wir werden den Mund nicht halten.
Der Widerstand muss breit, entschlossen und internationalistisch sein. Er braucht die Solidarität aller fortschrittlichen Kräfte – von Gewerkschafterinnen, Sozialistinnen, Kommunistinnen, Friedensaktivistinnen und Schülern bis hin zu kritischen Künstlern. Jede Berufsverbotspraxis muss öffentlich gemacht, jeder Repressionsversuch ins Licht gezogen, jede Entlassung politisch beantwortet werden.
Für eine andere Gesellschaft – gegen Unterdrückung und Repression
Wir sagen: Schluss mit der Gleichsetzung von Antifaschismus und Faschismus! Schluss mit der Hufeisentheorie, die Kommunisten und Nazis auf eine Stufe stellt! Wer sich für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung einsetzt, verdient Solidarität – nicht Verfolgung. Wer sich dem Imperialismus widersetzt, ist kein Feind der Demokratie – sondern ihre letzte Hoffnung.
Die Reaktivierung des Radikalenerlasses ist ein Frontalangriff auf alle, die für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen. Deshalb gilt heute wie damals: Keine Berufsverbote – weder für Lehrer, noch für Wissenschaftler, noch für Gewerkschafter oder Aktivisten. Nicht der Marxismus ist verfassungsfeindlich – sondern eine Verfassung, die sich gegen den Marxismus wendet. Und gegen die Interessen der Mehrheit.
Der Widerstand beginnt jetzt – in den Köpfen, in den Gewerkschaften, auf der Straße. Und er wird nicht enden, bevor Berufsverbote, Inlandsgeheimdienste und Klassenjustiz Geschichte sind.

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