Berta Makowski – Ein Leben im Schatten des Faschismus
Kindheit und Familie
Berta Makowski, geborene Heinemann, wurde 1910 in Hannover geboren. Sie wuchs in einem politisch wachen, jedoch auch von Alltagsnot geprägten Umfeld auf. Die Familie lebte in einer beengten Altbauwohnung im hannoverschen Stadtteil Linden, wo sich viele Arbeiterfamilien versammelten und politische Aktivitäten zum Alltag gehörten. In Hinterhöfen wurde diskutiert, an Straßenecken verteilten Aktivisten Flugblätter, und bei den regelmäßigen Versammlungen im Volkshaus kamen Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialdemokraten zusammen, um Strategien gegen Arbeitslosigkeit und Repression zu beraten, der für sein lebendiges proletarisches Milieu bekannt war. Schon als Kind nahm Berta an Diskussionen in der Küche teil, bei denen Themen wie die Massenarbeitslosigkeit, der Aufstieg der Nationalsozialisten, Polizeigewalt gegen Arbeiterdemonstrationen und die internationale Solidarität mit Spanien oder der Sowjetunion zur Sprache kamen, wenn Vater Sally Heinemann mit Genossen sprach. Er war Schneidermeister mit eigenem kleinen Betrieb, aber vor allem engagierter Kommunist. Neben seiner beruflichen Tätigkeit widmete er sich mit großer Hingabe der Organisation "Rote Hilfe" in Hannover, die politische Gefangene unterstützte und deren Familien mit Lebensmittelpaketen, Geld oder praktischer Hilfe zur Seite stand.
Ihre Mutter Selma Rothschild stammte aus einer traditionsreichen jüdischen Handwerkerfamilie. Sie war eine stille, aber entschlossene Frau, die sich trotz ihrer Herkunft von der offiziellen jüdischen Gemeinde distanzierte und ihren Kindern eine säkulare, fortschrittliche Haltung vermittelte. Sie kümmerte sich um Haushalt, Kinder und unterstützte ihren Mann im Hintergrund – eine Haltung, die damals vielen Frauen abverlangt wurde.
Neben Berta wuchs sie mit ihren Brüdern Kurt und Leo auf. Kurt war ein wortgewandter, temperamentvoller Redner, der regelmäßig auf Versammlungen der Kommunistischen Partei sprach und sich mit Nachdruck für die Rechte der Arbeitslosen einsetzte, Leo dagegen eher ruhig und praktisch veranlagt. Beide Brüder engagierten sich früh in der Arbeiterbewegung und prägten Berta politisch. Oft erzählte sie später, dass sie bereits mit zwölf Jahren Flugblätter gefaltet und Botengänge für die Partei übernommen habe. Der politische Geist, der das Elternhaus durchwehte, ließ keinen Zweifel: Verantwortung beginnt im Kleinen – bei der Solidarität mit den Schwachen, dem Protest gegen Ungerechtigkeit und dem Einsatz für eine bessere Gesellschaft. Schon früh wurde ihr bewusst, dass politische Haltung und familiärer Zusammenhalt zentrale Lebenspfeiler sein würden.
Frühe Politisierung und Aktivität
Schon als Mädchen begleitete Berta ihre Brüder zu Veranstaltungen der Naturfreundejugend und des Kommunistischen Jugendverbands (KJVD). Dort lernte sie früh, dass der politische Kampf nicht nur in Reden, sondern auch im solidarischen Miteinander seinen Ausdruck fand. Besonders eindrücklich war für sie ein Ausflug ins Leinetal mit der Naturfreundejugend, bei dem sie an einem improvisierten Theaterstück über die Streikkämpfe der Metallarbeiter mitwirkte – ein Erlebnis, das sie tief berührte und in ihr das Bewusstsein stärkte, dass politische Bildung und Gemeinschaft untrennbar zusammengehören. Sie war begeistert vom Gemeinschaftsgeist und der Solidarität der Arbeiterjugend, die in Ausflügen, Singekreisen und gemeinschaftlicher Bildungsarbeit ihren Ausdruck fand. Besonders beeindruckten sie die kämpferischen Lieder und das Engagement der Genossinnen und Genossen für soziale Gerechtigkeit und eine bessere Zukunft.
Aktiv sammelte sie Spenden für die Rote Hilfe, verteilte Flugblätter in den Straßen von Linden und klebte nachts politische Parolen an Wände – nicht selten begleitet von ihren Brüdern, die sie unterstützten und ermutigten. In dunklen Hinterhöfen klebte sie mutig Aufrufe zur Solidarität oder Hinweise auf geheime Treffen, stets mit dem Wissen, dass jede dieser Aktionen von der Polizei entdeckt werden konnte. Trotz ihrer zurückhaltenden Persönlichkeit bewies sie in diesen Momenten bemerkenswerten Mut. Sie überwältigte ihre Angst durch das Gefühl von Verantwortung gegenüber den anderen und durch das Wissen, dass sie im Hintergrund auf die Unterstützung ihrer Brüder und einiger erfahrener Genossinnen zählen konnte, die ihr Mut zusprachen und ihr zeigten, wie man sich möglichst unauffällig verhielt.
In Gesprächen mit Nachbarinnen und Bekannten betrieb sie "Flüsterpropaganda" gegen die zunehmende Bedrohung durch den Faschismus. Dabei zeigte sie taktisches Geschick und wusste, wem sie vertrauen konnte. Sie half beim Vorbereiten von Arbeiterfesten, nähte Fahnen für Demonstrationen und organisierte Verpflegung für politische Treffen. Außerdem versorgte sie inhaftierte Kameraden mit Paketen und Nachrichten und engagierte sich in Hilfsaktionen für hungernde Familien im Viertel. Besonders in den Wintermonaten sammelte sie Kleidung und Brennholz für bedürftige Genossinnen.
Berta empfand tiefen Groll gegen die Ungerechtigkeit, die sich in Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und wachsender Hetze gegen Andersdenkende äußerte. Sie wuchs früh in eine Haltung des stillen, aber beharrlichen Widerstands hinein – nicht mit großen Gesten, sondern durch tägliche kleine Taten, die Mut, Menschlichkeit und politisches Bewusstsein miteinander verbanden.
Heirat, Familie und Emigration
Im Jahr 1929, im Alter von 19 Jahren, heiratete Berta Heinrich Opitz. Zu dieser Zeit hatte sie gerade ihre Ausbildung zur Kindergärtnerin abgeschlossen. Sie hätte sich ein eigenes Berufsleben aufbauen können, doch familiäre Verpflichtungen, gesellschaftliche Erwartungen an Frauen und der politische Druck jener Zeit machten es für sie schwer, diesen Weg zu verfolgen. Ihr Vater hatte Bedenken geäußert, weil sie so jung war, aber Berta war entschlossen, eine eigene Familie zu gründen. Ihre Mutter hingegen hoffte, dass Berta durch die Ehe eine gewisse Sicherheit finden würde.
Die gesellschaftlichen Rollenbilder jener Jahre drängten Frauen in die häusliche Sphäre, besonders in Arbeiterhaushalten. Der Wunsch nach einem eigenständigen Berufsleben blieb für viele Frauen unerfüllt, auch für Berta. 1931 kam ihre erste Tochter Ursel zur Welt, später folgte Inge. Die Geburt der Kinder bedeutete eine neue Lebensphase, in der politische Aktivitäten kaum noch Platz fanden. Dennoch verfolgte sie die Entwicklungen in Deutschland aufmerksam. Immer wieder erreichten sie Briefe von Genossinnen, die vor Übergriffen der SA warnten, oder Berichte von Arbeitslosenversammlungen in Berlin, Essen und Leipzig.
Als sich die politische Lage dramatisch zuspitzte, floh Berta 1934 mit ihrer Familie nach Paris. Der Entschluss zur Flucht fiel ihr nicht leicht, doch die Angst um ihre jüdischen Wurzeln und die zunehmende Hetze gegen Kommunistinnen und Kommunisten ließen ihr keine Wahl. In Paris erhielt sie Unterstützung durch jüdische Hilfsorganisationen, darunter auch die "Union des Juifs pour la Résistance", und fand Anschluss an französische Antifaschisten. Den ersten Kontakt vermittelte eine deutsche Emigrantin, die in einer Unterkunft für geflüchtete Familien tätig war. Über sie wurde Berta zu einem Treffen in einem Pariser Café eingeladen, wo sie auf andere Exilierte aus Deutschland, Spanien und Frankreich traf. Diese Begegnungen führten sie in ein aktives Netzwerk antifaschistischer Gruppen, in dem sie schnell Anschluss fand und bei dem sie sich durch organisatorische Mitarbeit einbrachte. Besonders beeindruckt war sie von der Entschlossenheit französischer Arbeiterinnen, die trotz Armut Zeitungen verteilten, Hilfspakete organisierten und gegen den wachsenden Einfluss faschistischer Gruppen demonstrierten. In Gesprächen in Pariser Hinterzimmern fühlte sich Berta erneut als Teil einer Bewegung, die weit über Landesgrenzen hinausging.
Ihr Mann jedoch hatte große Schwierigkeiten, sich in Frankreich zurechtzufinden. Er sprach kaum Französisch, fand keine Arbeit und vermisste die gewohnte Struktur aus dem Heimatland. Besonders schwer fiel es ihm, mit der politischen Aktivität seiner Frau umzugehen, die sich bald in Unterstützerkreise einbrachte, während er sich zunehmend isoliert fühlte. Die fremde Umgebung, die Sprachbarriere und der soziale Abstieg zogen ihn in eine tiefe persönliche Krise. Bertas zunehmendes Engagement in den antifaschistischen Kreisen empfand er als entfremdend, was die Spannungen zwischen beiden zusätzlich verstärkte. Er sprach kaum Französisch, fand keine Arbeit und fühlte sich entwurzelt. Immer häufiger kam es zu Spannungen, auch weil Berta sich stärker politisch einbrachte, während er sich nach Stabilität sehnte. Nach familiären Auseinandersetzungen – auch mit ihrem Bruder Leo, der ihre Rückkehr strikt ablehnte – kehrte sie 1936 oder 1937 mit ihren Kindern nach Hannover zurück. Dieser Schritt zurück in den Schoß des Naziregimes war mit großer Angst, aber auch Entschlossenheit verbunden. Sie wollte ihre Eltern wiedersehen, die sie seit der Flucht nicht mehr getroffen hatte, und hoffte, sich irgendwie im Verborgenen durchzuschlagen. Sie wusste, dass die Verhältnisse sich verschärft hatten, doch sie war fest entschlossen, nicht aufzugeben.
 Zwangsarbeit und Verfolgung
Zurück in Hannover wurde Berta durch die nationalsozialistischen Rassengesetze als "Volljüdin" eingestuft. Zwar war sie mit einem "Arier" verheiratet, doch schützte sie das nur vorübergehend. Die zunehmenden Repressionen ließen kaum Spielraum für ein normales Leben. Bertas Ausweis wurde mit dem Vermerk "J" gestempelt, sie durfte bestimmte Geschäfte nicht mehr betreten, musste im öffentlichen Verkehr auf besonders gekennzeichneten Plätzen sitzen und wurde bei jeder polizeilichen Kontrolle besonders befragt. Nachbarn mieden sie plötzlich, und auch alltägliche Erledigungen wurden zur Gefahr, da jederzeit Denunziation drohte. Berta wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet und im Außenlager Ahlem eingesetzt – einer Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme, die sich auf landwirtschaftliche Arbeiten für die SS spezialisiert hatte. Die Bedingungen waren hart und lebensfeindlich.
Dort musste sie zunächst schwere Gartenarbeit verrichten, meist ohne geeignetes Werkzeug und unter Aufsicht brutaler Wachmänner. Ihre gesundheitliche Schwäche, insbesondere ihr angegriffenes Herz, machte diese Arbeiten für sie kaum durchzuhalten. Schließlich wurde sie in die Lagerküche versetzt, wo sie beim Schälen von Kartoffeln, Reinigen von Kesseln und Portionieren von dünner Suppe half. Die Arbeit war körperlich weniger belastend, doch psychisch nicht minder fordernd: Sie wurde Zeugin von Misshandlungen, willkürlichen Strafen und systematischer Erniedrigung.
Ihre Tochter Inge, noch ein Kleinkind, begleitete sie täglich, da ihr aufgrund der jüdischen Herkunft der Zugang zu Kindergärten verwehrt blieb. Das kleine Mädchen saß oft stundenlang auf einem Hocker neben der Küche oder im Vorraum des Arbeitsraums, ausdruckslos und erschöpft, während Berta arbeitete. Die ständige Anwesenheit im Lager, ohne kindgerechte Umgebung, prägte Inge nachhaltig. Berta selbst litt darunter, ihre Tochter dieser Umgebung auszusetzen, und versuchte in den kurzen Pausen, ihr Trost zu spenden – etwa mit einem mitgebrachten Stück Brot oder einem selbst erfundenen Lied. Es war ein ständiger innerer Konflikt zwischen dem Schutzbedürfnis einer Mutter und dem Überlebenskampf im System der Zwangsarbeit, ohne Spielsachen, unter dem Blick der Aufseher. Es war eine ständige Gratwanderung zwischen Fürsorge und Selbstschutz.
Die Lebensbedingungen im Lager waren unmenschlich: mangelnde Hygiene, ständige Erschöpfung und Angst vor Misshandlung bestimmten den Alltag. Der Tagesablauf war geprägt von frühmorgendlichem Antreten in der Kälte, stundenlanger körperlicher Arbeit ohne ausreichende Ernährung und ständigem Gebrüll der Aufseher. Pausen waren selten, und jede Abweichung von der erwarteten Disziplin konnte harte Strafen oder öffentliche Demütigung nach sich ziehen. Die Kleidung war dünn, die Füße oft nass, Erkältungen und Hautkrankheiten verbreitet – fast jeder zweite Häftling litt unter ständigem Husten, Ausschlägen oder entzündeten Wunden, die unbehandelt blieben und sich oft verschlimmerten. Einfache Medikamente waren nicht vorhanden, und wer zusammenbrach, wurde ohne Mitgefühl abgeführt.
Inmitten dieses Schreckens erlebte sie sowohl grausame Gewalt – etwa die Ermordung eines alten Mannes durch einen SS-Mann, weil dieser einen heruntergefallenen Apfel aufgehoben hatte – als auch vereinzelt Menschlichkeit. Eine SS-Frau mit kommunistischen Sympathien unterstützte sie heimlich mit Lebensmitteln und freundlichen Worten. Die Frau, deren Mann als Lageraufseher tätig war, suchte gezielt das Gespräch mit Berta, wenn sich unbeobachtete Momente ergaben. Sie erzählte, dass sie aus einer Arbeiterfamilie stamme und vor der Machtübernahme in einem sozialistischen Jugendverband aktiv gewesen sei. Ihre Hilfe bestand nicht nur im Teilen von Brot oder Obst, sondern auch im gelegentlichen Überbringen kleiner Zettel mit ermutigenden Worten. Diese heimlichen Gesten waren für Berta von unschätzbarem Wert, gaben ihr das Gefühl, nicht völlig ausgeliefert zu sein – dass selbst im Zentrum des Terrors Menschlichkeit überleben konnte. Berta erinnerte sich später daran, wie ein Stück Brot, das sie von dieser Frau erhielt, ihr in einem Moment größter Verzweiflung neuen Mut gab.
Berta half, wo sie konnte: Sie versteckte Brotstücke für Mitgefangene, sprach Mut zu und bewahrte einen Rest von Menschlichkeit in einer unmenschlichen Umgebung. Sie flüsterte tröstende Worte, wenn andere weinten, und hielt die Hand einer jungen Frau, die die Nachricht vom Tod ihrer Eltern erhalten hatte. Solche Gesten waren in der trostlosen Umgebung des Lagers von unschätzbarem Wert – sie durchbrachen die tägliche Routine der Entmenschlichung und erinnerten daran, dass Mitgefühl und Menschlichkeit auch unter brutalsten Bedingungen bestehen konnten. Für viele waren diese kleinen Zeichen der Nähe ein Halt, der half, die seelische Zerstörung abzuwehren. Ihr Verhalten war Ausdruck eines leisen, aber unbeugsamen Widerstands gegen das System der Entmenschlichung, das sie umgab.
Todesgefahr und Flucht in den Untergrund
Im Januar 1945 erhielt Berta die Mitteilung, dass sie mit dem nächsten Transport nach Theresienstadt deportiert werden solle – ein sicheres Todesurteil. Der Schock war groß, doch ebenso ihre Entschlossenheit, dem sicheren Tod zu entgehen. Durch das solidarische Handeln ihrer Genossinnen konnte sie untertauchen. Lieschen Kreikbaum, eine langjährige Freundin und Mitstreiterin aus früheren Tagen, versteckte sie zunächst in einem kleinen Hinterzimmer über einer Bäckerei, wo sie nur nachts das Fenster öffnen durfte. Danach wurde sie in mehreren Wohnungen von Antifaschistinnen und Antifaschisten versteckt, die mit großem persönlichen Risiko halfen. Einige von ihnen hatten selbst Familien und boten ihr trotzdem Zuflucht.
Der ständige Wohnungswechsel, das Leben im Untergrund, das Schweigen – all das zerrte an den Nerven. Jede Nacht war geprägt von unruhigem Schlaf, jede Tagesstunde von innerer Anspannung. Berta berichtete später, dass sie sich oft selbst nicht mehr traute zu atmen, aus Angst, ein zu lautes Geräusch könne sie verraten. Einmal, so erinnerte sie sich, warf eine Katze in der Nachbarwohnung versehentlich eine Tasse vom Tisch, was sie in Panik versetzte – sie glaubte für einen Moment, entdeckt worden zu sein und wagte sich mehrere Stunden nicht zu rühren. Diese ständige Alarmbereitschaft erschöpfte sie körperlich wie seelisch. Die ständige Wachsamkeit, das Fehlen jeglicher Routine und der Verzicht auf jede äußere Ablenkung nagten an ihrer seelischen Widerstandskraft. Berta verbrachte mehrere Wochen in ständig wechselnden Verstecken in Hannover, meist in Hinterhöfen oder Dachkammern, wo sie tagsüber nicht sprechen oder sich bewegen durfte. Besonders riskant war eine Phase, in der sie in einer leerstehenden Wohnung Unterschlupf fand, deren Nachbar zur Gestapo gehörte. Jeder Schritt musste sorgfältig geplant, jedes Geräusch vermieden werden. Sie lebte aus einem Koffer, hielt sich an vereinbarte Zeichen wie ein angekippter Rollladen oder ein abgewinkelter Vorhang, die signalisierten, ob Gefahr bestand oder ein Kontakt möglich war. Diese Zeichen wurden regelmäßig verändert, um Entdeckung zu vermeiden. Einmal vergaß ein Helfer das vereinbarte Zeichen auszutauschen – Berta wartete den ganzen Tag in völliger Stille, aus Angst, die Gestapo könnte bereits in der Wohnung sein. um zu erkennen, ob die Luft rein war.
In einer Wohnung versorgte sie ein älteres Genossenpaar, das selbst unter Beobachtung stand. Das Ehepaar versorgte sie mit Essen, Zeitungen und gelegentlich auch mit kleinen Nachrichten aus dem Widerstand. Einmal schmuggelten sie ihr einen handgeschriebenen Zettel zu, auf dem stand: „Die Tapferen sind nicht allein – die Stadt wacht mit euch.“ In einem Moment der Angst überreichte die Frau ihr heimlich ein kleines Medaillon mit einem Bild von Rosa Luxemburg, das Berta unter ihrem Hemd trug und das ihr symbolischen Halt gab. Das Gefühl der Isolation war drückend. Berta berichtete später, dass sie in diesen Tagen oft von Hoffnungslosigkeit heimgesucht wurde, besonders in den frühen Morgenstunden, wenn die Geräusche von draußen verklangen und sie allein mit ihren Gedanken war. In dieser Zeit klammerte sie sich an Erinnerungen an ihre Familie und an ihre frühere politische Arbeit – sie waren ihre inneren Anker. Die kurzen Begegnungen mit ihren Helferinnen gaben ihr das Gefühl, nicht vergessen zu sein, und stärkten ihren Willen, durchzuhalten. Das ständige Schweigen und die Angst vor einem plötzlichen Zugriff hinterließen tiefe Spuren. Die wenigen Augenblicke, in denen sie mit anderen Menschen sprechen konnte, waren kostbar und halfen ihr, psychisch durchzuhalten.
Doch Berta hielt durch. Sie überlebte, während viele ihrer Verwandten deportiert und ermordet wurden. Auch ihr blinder jüdischer Nachbar Menne Abraham, dem sie jahrelang heimlich geholfen hatte, wurde noch im letzten Kriegsjahr verschleppt und ermordet. Ihre Hilfe galt auch ihm, selbst unter größter Gefahr. Sie hatte ihm Lebensmittel übergeben, ihn zu seiner Schwester begleitet und ihm Briefe vorgelesen, als er nicht mehr zurechtkam. Diese Unterstützung war lebensgefährlich: Wäre Berta entdeckt worden, hätte sie mit sofortiger Verhaftung, Misshandlung oder gar der eigenen Deportation rechnen müssen. Dennoch zögerte sie nicht – ihr solidarisches Handeln war Ausdruck ihres unerschütterlichen Mitgefühls. Die Erinnerung an ihn blieb bis zu ihrem Lebensende ein tiefer Schmerz. Bei Veranstaltungen der VVN-BdA sprach sie gelegentlich über Menne Abraham, erwähnte ihn in Gesprächen mit Jugendlichen und betonte, wie sehr ihn die Nachbarn im Stich gelassen hätten. Sie verstand es als ihre Aufgabe, seine Geschichte weiterzutragen – als mahnendes Beispiel für Mitmenschlichkeit und Zivilcourage. – ein stiller, aber ständiger Begleiter ihrer Nachkriegsjahre.
 Nachkriegszeit und Engagement
Nach der Befreiung war Berta körperlich und seelisch gezeichnet – ihr Herzleiden verschlimmerte sich, sie war nahezu erblindet. Ihre erste Ehe war 1941 geschieden worden. In der Nachkriegszeit lebte sie mit einem zweiten Mann zusammen, der sie pflegte und unterstützte. Finanziell lebte sie in bescheidensten Verhältnissen – ihre Rente betrug lediglich 84 Mark monatlich, was kaum ausreichte, um die steigenden Lebenshaltungskosten der Nachkriegszeit zu decken. Diese Summe entsprach in etwa dem Mindestbetrag zur Deckung der nötigsten Grundbedürfnisse, und selbst einfache Ausgaben wie Heizmaterial, Medikamente oder neue Kleidung wurden zur finanziellen Belastung. Oft musste sie auf Hilfe von Freundinnen oder Unterstützungsleistungen aus antifaschistischen Kreisen zurückgreifen, um über die Runden zu kommen. Die Wohnverhältnisse waren schlicht, häufig war es kalt in der kleinen Wohnung, und selbst kleine Anschaffungen waren nur mit Unterstützung möglich.
Dennoch blieb sie aktiv, weil sie auf ein unterstützendes Umfeld von Gleichgesinnten bauen konnte, das ihr in vielen Bereichen half. Ehemalige Genossinnen organisierten kleine Hilfen, besorgten Medikamente oder begleiteten sie zu Veranstaltungen. Ihre innere Überzeugung, dass der Kampf gegen das Vergessen wichtiger sei als jede materielle Sicherheit, trieb sie an und gab ihr Kraft. Dieser Einsatz war nicht selbstverständlich – viele andere zogen sich aus Angst oder Erschöpfung zurück.
Doch Berta wollte, dass die Erinnerung weiterlebte. Sie setzte sich aktiv für die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand ein. Sie trat der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) bei, berichtete auf Veranstaltungen von ihrem Leben, half bei der Herausgabe der "Antifaschistischen Reihe" mit und machte sich stark für die politische Aufklärung der Nachgeborenen. Besonders junge Menschen suchten das Gespräch mit ihr – Schulklassen, Jugendgruppen und Auszubildende kamen zu Lesungen oder luden sie zu Gesprächsabenden ein. Oft sprach sie frei, ohne Manuskript, klar und eindringlich. Dabei schilderte sie keine Heldengeschichten, sondern den Alltag des Widerstands: Angst, Hunger, Solidarität.
Ihre Erzählungen aus dem Alltag des Widerstands, ihre Überzeugungskraft und ihre klare Haltung machten sie zu einer eindrucksvollen Zeitzeugin. Viele empfanden ihre Schilderungen als Augenöffner – fernab von Pathos, geprägt von Erfahrung, Würde und Wahrhaftigkeit. Eine junge Frau, die Berta bei einer Veranstaltung im Jahr 1978 hörte, schrieb ihr später: „Erst durch Ihre Worte habe ich begriffen, was Mut im Alltag bedeutet – Sie haben mir ein anderes Bild vom Widerstand gezeigt, eines, das mit Mitgefühl und Konsequenz zu tun hat.“ Solche Rückmeldungen bestärkten Berta darin, weiter zu sprechen – nicht als Heldin, sondern als Mahnerin aus der Geschichte. Einige Zuhörerinnen schrieben ihr später Briefe, in denen sie schilderten, wie sehr ihre Begegnung mit Berta ihr Bild der Geschichte verändert habe. Auch in kleinen Kreisen sprach sie – in Gewerkschaftshäusern, bei Fraueninitiativen oder auf antifaschistischen Gedenkveranstaltungen. Ihr Name wurde mit stiller Anerkennung genannt – nicht laut, aber dauerhaft im Gedächtnis der Bewegung.
 Vermächtnis
Berta Makowski steht exemplarisch für viele Frauen im antifaschistischen Widerstand. Ihr Leben war gezeichnet von Leid, Verzicht, Mut und innerer Stärke. Sie stellte sich der Diktatur entgegen – mit einfachsten Mitteln, mit menschlicher Wärme, mit Klarheit. Ihre Geschichte zeigt, dass Widerstand viele Gesichter hat – auch das des Durchhaltens, des Helfens, des Mitgefühls. Sie lebte ein stilles Heldinnentum, das nicht vergessen werden darf. Berta Makowski starb 1984 in Hannover.
So wie Berta leisteten auch viele andere Frauen – ob in der Illegalität, im Untergrund oder in ihren Familien – entscheidenden Widerstand gegen das Unrecht. Ihre Namen sind oft nicht auf Denkmälern zu finden, aber ihre Taten trugen wesentlich dazu bei, Menschlichkeit und Solidarität in unmenschlicher Zeit zu bewahren. In dunklen Kellern, in versteckten Wohnungen, beim Verstecken von Flugblättern oder in der stillen Hilfe für Verfolgte – überall wirkten Frauen, die den Mut hatten, nicht wegzuschauen. Namen wie Käthe Leichter, Olga Benário, Grete Walter oder auch die hannoverschen Genossinnen aus der Antifaschistischen Reihe stehen stellvertretend für diese oft übersehenen Kämpferinnen.
Bertas Biografie ist nicht nur eine Erinnerung, sondern ein Appell: Faschismus beginnt nicht erst mit Uniformen, sondern mit Ausgrenzung, Schweigen und Wegsehen. Sie hat hingeschaut und gehandelt, wo andere weggesehen haben. Ihr Wirken war nicht spektakulär, sondern beharrlich, leise und konsequent – und gerade deshalb so bedeutsam.
Ihr Vermächtnis richtet sich an uns alle: Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Handeln trotz Angst. Ihre Worte, ihre Taten, ihr Leben mahnen uns: Die Geschichte lebt durch unser Erinnern, unser Weitergeben und unser Handeln. In einer Zeit, in der sich erneut Intoleranz, Antisemitismus und Nationalismus ausbreiten, bleibt Berta Makowskis Leben eine Aufforderung: Nie wieder soll Unrecht geduldet, nie wieder Menschlichkeit geopfert werden.

Quellen
Diese Biografie basiert auf folgenden Quellen und Materialien:
* **Hannoversche Frauen gegen den Faschismus 1933–1945**, Antifaschistische Reihe Heft 5, herausgegeben 1983 von der *Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Hannover*. Dieses Heft dokumentiert ausführlich das Leben Berta Makowskis anhand von Interviews, Zeitzeugenberichten und Hintergrundmaterialien.
* **Zeitzeugengespräche mit Berta Makowski**, die im Rahmen der Entstehung der Antifaschistischen Reihe geführt wurden. Die Aussagen geben Einblick in ihre Kindheit, politische Sozialisation, die Zeit im Exil und ihre Erlebnisse während der NS-Zeit.
* **Originaldokumente und Archivmaterial** aus dem Stadtarchiv Hannover sowie ergänzende Berichte über das Außenlager Ahlem und die Zwangsarbeit jüdischer Frauen.
* **Sekundärliteratur**, darunter historische Beiträge zur jüdischen Gemeinde Hannover, zur Rolle von Frauen im Widerstand sowie zur Geschichte der Verfolgung und Deportation jüdischer Bürgerinnen in der NS-Zeit.
* **Regionale antifaschistische Geschichtsschreibung**, insbesondere Broschüren, Vortragsmanuskripte und Beiträge aus dem Umfeld der VVN-BdA sowie lokale Erinnerungsinitiativen.
Diese Zusammenstellung wurde mit größtmöglicher Sorgfalt auf Basis der zugänglichen historischen Materialien und der publizierten Aussagen erstellt. Die Lebensgeschichte von Berta Makowski steht exemplarisch für die Erinnerung an Widerstand, Verfolgung und Überleben in der Zeit des deutschen Faschismus. von Berta Makowski, wie sie in der Broschüre der VVN-BdA Hannover veröffentlicht wurden:
* *Hannoversche Frauen gegen den Faschismus 1933–1945*, Antifaschistische Reihe Heft 5, herausgegeben von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Hannover 1983.
* Ergänzt durch Aussagen aus Zeitzeugengesprächen, Dokumentationsmaterialien und Beiträgen aus der regionalen antifaschistischen Geschichtsschreibung.


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