Die Broschüre „Der Essener Blutsonntag – Die tödlichen Polizeischüsse auf Philipp Müller“ beleuchtet die tragischen Ereignisse des 11. Mai 1952, an dem der junge Friedensaktivist Philipp Müller bei einer Demonstration gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von der Polizei erschossen wurde. Sie bietet eine detaillierte Analyse des politischen und gesellschaftlichen Kontexts, dokumentiert die repressiven Maßnahmen der Regierung und zeichnet die Nachwirkungen des Vorfalls sowohl in der BRD als auch in der DDR nach.
Historischer und politischer Kontext
Die Ereignisse fanden in der frühen Nachkriegszeit statt, als die BRD unter Kanzler Konrad Adenauer eine aktive Remilitarisierungspolitik betrieb, einschließlich der Integration in das westliche Militärbündnis NATO. Diese Pläne stießen auf breiten Widerstand in der Bevölkerung, insbesondere bei Kommunistinnen, Pazifistinnen und anderen antimilitaristischen Gruppen. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und andere Organisationen setzten sich gegen die Wiederbewaffnung ein. Die Regierung begegnete diesen Protesten mit harter Repression, darunter Verbote und Verhaftungen, um die Opposition zu unterdrücken.
Der Essener Blutsonntag
Am 11. Mai 1952 versammelten sich trotz eines kurzfristigen Demonstrationsverbots etwa 30.000 Jugendliche in Essen, um gegen die geplante Remilitarisierung und den sogenannten Generalvertrag zu protestieren. Die Polizei reagierte mit massiver Gewalt: Berittene Einheiten, Hunde, Schlagstöcke und schließlich Schusswaffen wurden gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Philipp Müller, ein 21-jähriger Aktivist, wurde von hinten erschossen, während er versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Zwei weitere Personen wurden schwer verletzt. Zeug*innen berichteten von einem regelrechten „Blutrausch“ der Polizei, während Berichte von Misshandlungen Verhafteter hinzukamen.
Nachwirkungen und staatliche Repression
Die Tötung Müllers wurde von der Regierung und der Presse zunächst verzerrt dargestellt. Einige Medien behaupteten, Demonstrant*innen hätten zuerst geschossen, eine Darstellung, die später widerlegt wurde. Die Ermittlungen führten jedoch nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung der verantwortlichen Polizisten. Stattdessen wurden zahlreiche Demonstrierende verhaftet und wegen Landfriedensbruchs oder anderer Vergehen verurteilt. Die Ereignisse unterstrichen die repressiven Tendenzen der Adenauer-Ära, in der Antikommunismus und Polizeigewalt als Mittel zur Durchsetzung staatlicher Ziele genutzt wurden.
Erinnerungskultur und gesellschaftliche Reaktionen
In der DDR wurde Philipp Müller posthum als Held und Symbolfigur im Kampf gegen die Remilitarisierung geehrt. Straßen, Schulen und andere Einrichtungen wurden nach ihm benannt. In der BRD hingegen blieb das Gedenken lange Zeit marginal. Erst nach den gesellschaftlichen Umbrüchen der 1968er-Bewegung kam es wieder zu öffentlichen Gedenkveranstaltungen, insbesondere durch kommunistische und linke Gruppen. Trotzdem blieben Initiativen, etwa zur Umbenennung von Straßen, weitgehend erfolglos.
Die Broschüre geht auch auf die langfristigen Auswirkungen der Ereignisse ein, einschließlich der weiteren Eskalation staatlicher Gewalt gegen linke Bewegungen und Demonstrationen. Sie dokumentiert eine Kontinuität von Polizeigewalt und Repression in der Geschichte der BRD, die mit dem Tod Müllers begann und in späteren Fällen wie der Tötung Benno Ohnesorgs 1967 oder Halim Deners 1994 fortgesetzt wurde.
Fazit und Bedeutung
Die Tötung Philipp Müllers und der Essener Blutsonntag stehen exemplarisch für die Verknüpfung von staatlicher Gewalt und politischer Repression in der frühen Bundesrepublik. Die Broschüre betont die Notwendigkeit, diese Geschichte aufzuarbeiten, sowohl um die Opfer zu rehabilitieren als auch um aktuelle soziale Bewegungen zu inspirieren. Müllers Tod bleibt ein Mahnmal für die Gefahren autoritärer Staatsgewalt und ein Appell für Frieden und Demokratie.