Asow normalisieren, Krieg normalisieren –
Deutschlands gefährliche Kurskorrektur
Die Verwandlung eines Randphänomens in ein Scharnier der Kriegspolitik
Kriege brauchen Waffen, Logistik, Geld – und Geschichten. In den vergangenen drei Jahren ist in West- und Mitteleuropa eine solche Geschichte sichtbar geworden – etwa seit der ARD-Reportage über das Regiment Asow im März 2022 oder dem SPIEGEL-Interview mit ukrainischen Kommandeuren im Oktober 2023: Aus einem offen extremistischen Verband wird eine vermeintliche „normale“ militärische Formation, deren Kämpfer als patriotische „Jungs von nebenan“ ins Foto gerückt werden. Diese kosmetische Operation ist keine Nebensache – sichtbar etwa im Projekt „Ukrainian History Reinvented“ des Rainshouse-Verlags (2023), das in englischer Sprache gezielt westliche Märkte ansteuerte. Sie begleitet und legitimiert die vertiefte Einbindung der Ukraine in die NATO-Logik, sie dient als Brücke zu Militärministerien, Sanitätsdiensten, Stiftungen und Thinktanks. Ausgerechnet Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle – politisch (Bundestagsbeschluss zum Sondervermögen im Juni 2022), militärisch (gemeinsame Übung im Sanitätswesen mit ukrainischen Verbänden 2023), kommunikativ (breit rezipiertes ZDF-Magazin-Feature vom September 2024).
Die Normalisierung hat eine Adresse. Sie wird gestützt durch PR- und Publikationsprojekte aus Kiew, die in fein polierten Bänden und Interviews eine eigene Historie erzeugen: heroisch, national, antikommunistisch. Sie wird verstärkt durch westliche Medien, die die Erzählung bereitwillig aufnehmen. Und sie findet ihren Resonanzraum in Berlin, wo Regierung, Bundeswehr und Rüstungsindustrie ohnehin auf maximale Eskalation setzen. Wer darüber spricht, wird in diesen Tagen schnell als „unpatriotisch“ hingestellt. Aber wer schweigt, macht sich mitschuldig an einer gefährlichen Kurskorrektur, die den Frieden in Europa weiter entfernt.
Diese Normalisierung ist Teil einer größeren imperialistischen Strategie: Die NATO will ihre Einflusssphäre bis an die Grenzen Russlands ausdehnen und nutzt dafür jede Formation, die im Moment militärisch nützlich erscheint. Die geopolitische Frontstellung richtet sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen jede Bewegung im globalen Süden, die sich westlicher Kontrolle entzieht. Berlin folgt in diesem Spiel Washington, statt eine eigenständige Friedenspolitik zu vertreten. Damit reiht sich die Bundesrepublik in eine Front der neuen Kolonialkriege ein – auf Kosten der Völker Europas und der Welt.
Historische Kontinuitäten: Vom Kollaborationskurs zur Gegenwart
Die geschönte Eigenhistoriographie verschweigt nicht nur Brüche, sie löscht sie aus. Die Traditionslinien reichen – ob in Symbolik, Parolen oder politischer Programmatik – bis zu Strukturen, die sich im Zweiten Weltkrieg für den Kollaborationskurs gegen die Sowjetunion entschieden. Namen wie Jaroslaw Stezko stehen für eine Ideologie, die Antikommunismus, ethno-nationalistische Reinheitsphantasien und Gewaltverherrlichung verbindet. Pogrome werden klein geredet, der Schulterschluss mit deutschen Faschisten relativiert. Dass heute Protagonisten aus diesem Spektrum als ideologische Väter herangezogen werden, ist kein Zufall, sondern Methode. Zeitgemäß verpackt als „Sozialnationalismus“ erhält die alte Mischung einen neuen Etikettenschwindel: modern im Layout, unverändert in der politischen Substanz.
Das ist nicht bloß Symbolpolitik. Eine Bewegung, die ihren Nachwuchs über Kaderstrukturen und Kadettenschulen nachrekrutiert, die Rituale und Embleme pflegt, die in einschlägigen Netzwerken wie „Centuria“ Verbindungen in europäische Militärakademien sucht, ist kein zufallsgetriebenes Milieu. Sie ist ein politisches Projekt. Und dieses Projekt lebt von Nachsicht, Deckung und Zuspruch aus Hauptstädten, die es besser wissen müssten.
Die imperialistischen Machtzentren bedienen sich dieser Traditionslinien, weil sie im antirussischen Kampf nützlich sind. Antikommunismus und Russophobie verschmelzen zu einem ideologischen Werkzeug, mit dem alte faschistische Muster reaktiviert werden, um neue Kriege zu rechtfertigen. Hier zeigt sich: Wer dem Westen dient, darf auch mit schmutzigster Vergangenheit weiter agieren, solange er sich gegen Moskau positioniert.
Die PR-Front: Weißwaschen als Staatsaufgabe
Ein Kiewer Verlag, dessen Programm sich als Chronist und Anwalt dieser Strukturen versteht, liefert die Blaupause der Legendenbildung: Opfermythos statt Täteranalyse, patriotische „Erzählung“ statt Quellenkritik, englischsprachige Ausgaben für den Export in westliche Medienmärkte. Ziel ist, die Vorwürfe systematisch zu „entkräften“ und dabei zugleich die eigene ideologische Linie als legitime Variante europäischer Politik zu präsentieren. Das Kalkül geht auf, wenn Redaktionen und Politiker in Berlin, Paris, Rom und Washington diese Narrative übernehmen: Dann gelten Symbole als entkernt, Rituale als „Folklore“, Netzwerke als „Jugendbewegung“, die längst „entradikalisiert“ sei.
Die offizielle Erzählung behauptet: Seit 2014 habe eine Läuterung eingesetzt. Prüft man die Belege, bleibt dieses Argument auf der Oberfläche stehen. Denn selbst dort, wo organisatorische Umbauten stattfanden, blieben die ideologischen Bezugspunkte bestehen. Die Kontinuität ist nicht ausgelöscht, sie ist nur neu verpackt.
Diese Weißwaschung dient den imperialistischen Zentren, um ihre Kriegsstrategie sauberzureden. Wo westliche Medien ein faschistisches Symbol in „Folklore“ verwandeln, da wird nicht nur die Wahrheit verzerrt, sondern ein ganzes Volk in den Dienst einer geostrategischen Expansion gestellt. Die antiimperialistische Kritik muss dem entgegentreten: Nicht Moskau bedroht Europa, sondern Washington und Berlin, die alte Nazis für ihre Kriegsziele instrumentalisieren.
Berlin als Drehscheibe: Kontakte, Hospitationen, Bilder
Deutschland ist nicht zufällig Drehscheibe dieser Normalisierung. Es sind die Bilder von Begegnungen, die Seminarräume, die Sanitätskooperationen, die Delegationsreisen, die den Eindruck offizieller Gleichrangigkeit erzeugen. Wenn hochrangige Militärs posieren, wenn im Umfeld der Bundeswehr Formate entstehen, die medizinisch-militärisches Wissen bündeln, wenn Ausbildungs- oder Hospitationspfade in Aussicht gestellt werden, dann ist das mehr als eine Geste. Es ist eine Botschaft: Diese Kräfte sind – unabhängig von ihren Traditionslinien – willkommener Teil der gemeinsamen Kriegsanstrengung.
Wer so handelt, verschiebt die Grenzsteine der politischen Kultur. Was gestern noch als inakzeptabel galt, wird heute zum „pragmatischen Bündnis“. Was gestern noch als Sicherheitsrisiko benannt wurde, erscheint heute als „Flexibilität“. Der Schaden ist doppelt: nach außen, weil die Eskalationsspirale in Europa enger gezogen wird; und nach innen, weil antifaschistische Standards entwertet werden, die in Deutschland aus historischem Grund unantastbar sein müssten.
So wird Berlin zum Handlanger einer imperialistischen Konfrontationsstrategie, die auf Unterordnung und Rohstoffsicherung zielt. Die Abhängigkeit von den USA, die Durchsetzung der Interessen der eigenen Konzerne und die geopolitische Einkreisung Russlands sind die wahren Triebkräfte. Friedenskräfte müssen klar benennen: Hier geht es nicht um Solidarität, sondern um Expansion.
Der mediale Schutzschirm: Entradikalisierung als Zauberwort
Die Normalisierung könnte nicht gelingen ohne einen medialen Schutzschirm. Leitmedien setzen auf Entwarnung und verschieben die Perspektive vom Problem zur PR. Aus Täter werden „umstrittene Akteure“, aus Ideologen „harte Kämpfer“, aus Symbolen „Traditionszeichen“. Wer widerspricht, wird als rückwärtsgewandt und „ideologisch“ abqualifiziert. Das Muster ist bekannt: Statt Aufklärung gibt es Framing; statt Recherche, Einordnung; statt Debatte, Gatekeeping. Ergänzend wirken Algorithmen der großen Plattformen: Sie pushen die Narrative, die kompatibel sind mit Regierungs- und NATO-Linie, während kritische Inhalte demonetarisiert, unsichtbar gemacht oder mit Warnhinweisen versehen werden. So entsteht ein digitales Ökosystem, das Normalisierung nicht nur begleitet, sondern verstärkt.
Ein Beispiel: Während Talkshows ukrainische Bataillonsvertreter als Helden präsentieren, werden gleichzeitig Friedensforscher in den sozialen Medien als „Moskau-nah“ diffamiert. Nachrichtenagenturen verbreiten ungeprüfte PR-Materialien, und Faktenchecks konzentrieren sich weniger auf Inhalte als auf die Diskreditierung abweichender Stimmen. Damit wird ein Meinungskorridor erzeugt, in dem Zweifel nicht als legitime Kritik, sondern als Gefahr markiert werden.
Gerade deshalb braucht es Gegengewichte – Redaktionen, Initiativen, Kulturhäuser, die sich der historischen Verantwortung nicht entziehen. Der Streit um Begriffe, Bilder und Archive ist kein Nebenschauplatz. Er entscheidet mit darüber, welche Politik möglich und welche Kritik sagbar bleibt. Ergänzt werden muss dies durch unabhängige digitale Infrastrukturen: alternative Plattformen, kritische Archive, Podcasts, regionale Publikationen. Sie können Gegenöffentlichkeit schaffen, die nicht sofort unter Kuratel der Zensurmechanismen steht und die Belege für historische und aktuelle Kontinuitäten in den Diskurs einspeist.
Wirtschaftliche Interessen: Aufrüstung füttert die Legenden
Der ideologische Lack hält nur, wenn darunter eine materielle Basis liegt. Diese Basis ist die neue deutsche Aufrüstung. Die Milliardenprogramme für Munition, Panzer, Flugabwehr und Drohnen schaffen die Nachfrage, die Rüstungsaktien in historische Höhen treibt. Unternehmen mit guten Drähten nach Berlin und Brüssel – vom Konzern mit dem Löwenanteil am Munitionsgeschäft bis zu den Systemhäusern für Gefechtsfeld-Digitalisierung – profitieren doppelt: wirtschaftlich und politisch. Denn jeder Euro, der in neue Lieferlinien fließt, braucht eine Rechtfertigung. Und hier kommt die PR-Fassade ins Spiel: Wer die Partner verklärt, legitimiert die Lieferung.
Zugleich wirkt der ökonomische Sog nach innen. Kommunen, Hochschulen, Forschungsinstitute werden in dual-use-Projekte eingebunden. Praktika im Unternehmensumfeld, Begabtenprogramme, Sponsoring – die Klammer zwischen Campus und Kaserne wird fester. Widerstand dagegen wird als „Standortschädigung“ diffamiert. So verschiebt sich die Hegemonie im Alltag: Krieg wird zur Normalität, Rüstung zum „Jobmotor“.
Es ist kein Zufall, dass gerade die größten Exportindustrien auf diesen Kurs setzen. Sie suchen Absatzmärkte und Rohstoffzugang – mit militärischer Gewalt, wenn nötig. Hier zeigt sich der Kern: Aufrüstung ist nicht Verteidigung, sondern imperialistische Expansion. Sie bringt Profite für wenige Konzerne und Elend für die Völker.
Innenpolitische Folgen: Kriminalisierung der Friedenskräfte
Normalisierung nach außen bedeutet Repression nach innen. Wer Waffenlieferungen kritisiert, wird in die Nähe von „Feindpropaganda“ gerückt. Wer Kooperationen mit extremistischen Formationen problematisiert, gilt als „Querfront“. Wer für Verhandlungen eintritt, wird als „Agent fremder Interessen“ diffamiert. Versammlungen werden untersagt, Camps verboten, Auflagen erschweren jede sichtbare Opposition. Das ist kein spontanes Behördenhandeln. Es ist politische Linie: die Gesellschaft unter Kriegsrecht der Meinung zu stellen.
Beispiele gibt es mittlerweile genug – vom Zerren an Transparenten über Verbotsverfügungen bis zu Strafverfahren wegen geringfügiger Ordnungswidrigkeiten. Die Botschaft ist klar: Wer den Kurs stört, soll eingeschüchtert werden. Umso wichtiger ist solidarische Gegenwehr, juristisch wie praktisch.
Die Repressionsmechanik arbeitet inzwischen auf mehreren Ebenen: Polizeirecht wird mit vagen Gefahrenprognosen gedehnt, Kommunen verhängen pauschale Kettenauflagen, digitale Plattformen löschen Kanäle und sperren Livestreams, Banken kündigen Spendenkonten, Vermieter ziehen zugesagte Räume in letzter Minute zurück. Universitäten untersagen Diskussionsveranstaltungen unter Hinweis auf eine angebliche „Sicherheitslage“, Kulturhäuser kassieren Einladungen, während Staatsanwaltschaften Bagatellen zu Verfahren aufblasen. Leitmedien flankieren dies mit moralisierenden Kampagnen, so dass Selbstzensur greift und die Bewegung in die Defensive gedrängt werden soll.
Darauf gibt es Antworten, die sofort wirken können: akribische Dokumentation jeder Maßnahme, Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten, belastbare Rechtshilfestrukturen, Schulungen für Versammlungsleitungen und Ordner, eigene Presse- und Broadcastkanäle, tragfähige Bündnisse mit Gemeinden, Betrieben und sozialen Initiativen sowie eine beharrliche Aufklärung, die die sozialen Kosten der Aufrüstung sichtbar macht. Wer das Recht verteidigt, verteidigt die Möglichkeit, überhaupt über Frieden zu sprechen; ohne diese Verteidigung bleibt jede Debatte ein Gnadenakt der Behörden. Es geht um Grundrechte, nicht um Gefallen: Eine Republik, die Friedenskräfte verfolgt, verliert den Anspruch, sich demokratisch zu nennen.
Die Kriminalisierung der Friedenskräfte ist Ausdruck einer tieferen Wahrheit: Der imperialistische Staat duldet keine Opposition gegen seine Kriege. Doch die internationale Erfahrung lehrt: Solche Versuche scheitern. Von Vietnam bis Irak, von Afghanistan bis Mali – überall dort, wo Völker sich gegen Kolonialismus und Intervention erhoben, brachen die Lügengebäude zusammen. Heute wächst auch in Europa der Widerstand gegen die Kriegspolitik.
Sicherheitspolitik ohne Sicherheitsordnung:
Warum dieser Kurs scheitern muss
Man kann nicht behaupten, man verteidige Europa, und gleichzeitig die Grundlagen einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung ignorieren. Die Sabotage der Minsker Vereinbarungen, die Ausweitung der NATO an die russische Grenze, die Kündigung zentraler Rüstungskontrollverträge – das alles hat die Eskalationsspirale genährt. Wer jetzt glaubt, die Rechnung lasse sich militärisch begleichen, irrt historisch. Jede weitere Runde der Aufrüstung macht eine politische Lösung schwerer.
Es gibt Alternativen. Eine Neuauflage ernsthafter Sicherheitsgespräche, Abrüstungsschritte in konventionellen Waffengattungen, ein Stopp der Raketenstationierung, eine verbindliche Neutralitätsoption für Pufferzonen, ökonomische Arrangements, die nicht als Erpressungsinstrument missbraucht werden – das wäre die Richtung. Dazu gehört die Einsicht, dass Russland nicht aus Europa hinausgeprügelt werden kann und dass seine legitimen Sicherheitsinteressen Bestandteil jeder tragfähigen Ordnung sind. Wer das leugnet, verlängert den Krieg.
Eine echte Sicherheitsordnung ist nur möglich, wenn die imperialistische Logik durchbrochen wird. Sie darf nicht den Märkten und Militärblöcken gehorchen, sondern muss auf gegenseitige Souveränität und Kooperation setzen. Das ist die Lehre aus Bandung, aus der Blockfreienbewegung, aus allen antiimperialistischen Traditionen, die eine friedliche Koexistenz gegen Kolonialismus erkämpften.
Die DDR-Erfahrung: Antifaschismus als Staatsraison und Friedenspolitik als Praxis
Es lohnt, an ein Kapitel deutscher Geschichte zu erinnern, das heute systematisch schlechtgeredet wird: den Staatsantifaschismus und die Friedenspolitik der DDR. Ja, es gab Widersprüche und Fehler. Aber es gab auch eine klare, institutionelle Setzung: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ war nicht nur ein Slogan, sondern handlungsleitend. Entsprechend wurden Traditionslinien des Faschismus benannt, bekämpft und isoliert, wurden internationale Entspannung, Abrüstung und Koexistenz betrieben – gegen das Gebell der Aufrüstungslobby in Westdeutschland.
Die demokratische Lehre daraus ist aktuell: Antifaschismus ist nur glaubwürdig, wenn er konsequent ist. Wer heute Strukturen mit faschistischen Traditionslinien salonfähig macht, zerlegt den antifaschistischen Konsens. Wer Friedenspolitik durch Rüstungsfetisch ersetzt, verliert jede moralische Autorität. Vom antifaschistischen Erbe zu lernen heißt, die Normalisierung der Abweichung zurückzuweisen – politisch, kulturell, juristisch.
Die DDR verstand sich zugleich als Teil der antiimperialistischen Weltfront: Sie unterstützte die Kämpfe Vietnams, Angolas, Mosambiks und Palästinas, sie stellte ihre Diplomatie in den Dienst der Blockfreien und versuchte, solidarische Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen. Auch dies ist Lehre: Frieden und Antifaschismus sind untrennbar mit dem Widerstand gegen Imperialismus verbunden.
Die Rolle der Kultur: Archive öffnen, Mythen brechen, Öffentlichkeit mobilisieren
Kultur ist kein Ornament des Politischen, sie ist sein Resonanzraum. Museen, Archive, Künstler, Verlage – sie können zur Aufklärung beitragen, indem sie die Dokumente zugänglich machen, die Kontinuitäten sichtbar und die Brüche erkennbar. Sie können Räume öffnen, in denen Debatte möglich ist, ohne dass militärische PR den Ton angibt. Wenn die Verklärung der Gegenwart arbeitet, muss die Aufklärung der Vergangenheit doppelt laut werden. Ebenso braucht es die systematische Edition und Kontextualisierung bisher verschlossener Akten, Kooperationen mit osteuropäischen und russischen Archiven, Wander- und Online-Ausstellungen mit offenen Lizenzen sowie Oral-History-Reihen, die Stimmen aus Front, Hinterland und Exil dokumentieren. Öffentlich-rechtliche Sender, Theater und Literaturhäuser sollten Debattenreihen anlegen, in denen Quellenkritik, Völkerrecht und Kriegsökonomie in verständlicher Sprache verhandelt werden. Archive müssen als Gemeingut begriffen werden: digital erschlossen, vernetzt, didaktisch aufbereitet – bis hinein in Lehrpläne, Volkshochschulen und Medienkompetenzprojekte.
Das heißt nicht, den Menschen ihre Trauer, ihren Schmerz, ihren Verlust abzusprechen. Es heißt, die Trennung zwischen berechtigter Verteidigung eigenen Lebens und ideologischer Mobilisierung für einen gefährlichen Nationalismus offenzulegen. Wer Kulturpolitiken zu
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