Agnes Asche – Widerstandskämpferin und Friedensaktivistin
Herkunft aus der Arbeiterklasse
Agnes Asche wurde am 13. Dezember 1891 als Agnes Lampe in Harsum bei Hildesheim geboren. Sie wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und erfuhr schon früh, was Entbehrung bedeutet. Ihr Vater war Schneidermeister, die Mutter Hausfrau, doch trotz aller Mühlen reichte es kaum für das Lebensnotwendige. Agnes war das fünfte von elf Kindern. Schon als Kind erlebte sie, wie schwer es war, mit ehrlicher Arbeit über die Runden zu kommen. Das prägte sie tief. Ihre Kindheit war erfüllt von Entbehrung, Verantwortung und frühen Erfahrungen mit Ungerechtigkeit. Besonders die Sorgen der Mutter und die ständigen Bemühungen des Vaters, durch seine Arbeit als Schneidermeister den Lebensunterhalt zu sichern, hinterließen tiefe Spuren in Agnes’ Denken und Fühlen. Sie erzählte später einmal, wie sie als kleines Mädchen nach der Schule oft bei Dämmerung auf dem Hof stand, barfuß im feuchten Lehm, um Kartoffeln für das Abendessen zu schälen, während drinnen die Mutter ein weiteres hungriges Kleinkind zu stillen versuchte. "Es war immer zu wenig – an allem", sagte sie. "Aber wir teilten, was wir hatten."
Mit nur 14 Jahren musste sie "in Stellung gehen" – ihr Traum, Lehrerin zu werden, blieb unerfüllt. Stattdessen arbeitete sie auf einem Bauernhof, verrichtete dort tagsüber schwere Feldarbeit und nachts Reinigungsdienste. Die körperliche Arbeit war hart, der Umgangston rau. Niemand achtete darauf, dass sie noch fast ein Kind war. Die Erfahrung von Ausbeutung und Demütigung ließen in ihr ein starkes Gerechtigkeitsgefühl wachsen. Sie empfand früh Wut über die Ungleichheit, unter der ihre Klasse litt. Auch die Unterschiede zwischen den Herrschaften und den Dienstboten prägten ihre Vorstellung von Klassenunterschieden. Bald verließ sie das Land und ging nach Hannover, wo sie eine Lehre als Putzmacherin begann. Drei Jahre dauerte die Ausbildung, in der sie neben der Arbeit auch ihre politischen und sozialen Interessen entwickelte. In der Stadt fand sie Zugang zu Bildungsangeboten und Gleichgesinnten, mit denen sie erste Gespräche über Politik, soziale Fragen und die Rechte der Frauen führte.
1912 heiratete sie einen evangelischen Mann, obwohl sie katholisch erzogen war. Die Ehe galt damals als unkonventionell und war nur unter der Bedingung möglich, dass die Kinder katholisch erzogen würden. Zwei Kinder wurden geboren, doch der Erste Weltkrieg zerstörte das junge Glück. Ihr Mann fiel 1914 an der Front in Frankreich, das dritte Kind kam nach seinem Tod zur Welt. Die Kriegserfahrung – der Verlust ihres Mannes, die Einsamkeit, die wirtschaftliche Not – ließ sie tiefer erkennen, wie sehr Frauen und Familien durch den Militarismus leiden. Zurück blieb Agnes mit drei kleinen Kindern, gezwungen, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen. Sie nahm jede Arbeit an, die ihr angeboten wurde, und spürte doch, dass ihre Kraft allein kaum ausreichte. Besonders hart war eine Anstellung in einer Wäscherei, in der sie stundenlang bei großer Hitze arbeiten musste, während ihre Hände vom heißen Wasser und der Lauge aufplatzten. Auch die Sorge, was aus ihren kleinen Kindern werden würde, raubte ihr oft den Schlaf. Nachts saß sie häufig weinend am Fenster, geplagt von Erschöpfung und der Angst, nicht genug tun zu können. Doch Aufgeben war keine Option – ihr Wille, für ihre Familie zu sorgen, hielt sie aufrecht. Die Gesellschaft ließ Frauen wie sie im Stich. Gerade diese Erfahrungen führten bei ihr zu der Überzeugung, dass es eine politische Veränderung geben müsse – eine Gesellschaft, die Menschen wie ihr mehr Rechte, mehr Sicherheit und mehr Würde bietet.
Politisches Erwachen in der Weimarer Republik
Die sozialen Probleme der Nachkriegszeit schärften Agnes Asches politisches Bewusstsein. Als Mutter dreier Kinder und Witwe eines im Krieg Gefallenen war sie täglich mit der bitteren Realität der Nachkriegsarmut konfrontiert. Besonders das Schicksal der Frauen, die ihre Männer im Krieg verloren hatten und nun auf sich allein gestellt waren, bewegte sie zutiefst. Sie trat dem Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen bei, einer Organisation, die sich für die Rechte und soziale Absicherung dieser Menschen einsetzte. Dort arbeitete sie zunächst ehrenamtlich, half bei Anträgen, organisierte Spendenaktionen und stand den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Ihre Verlässlichkeit und ihr Organisationstalent sprachen sich bald herum. Schließlich übernahm sie eine verantwortungsvolle Stelle als Referentin im Hauptversorgungsamt. Dort setzte sie sich unermüdlich für die Belange von Kriegerwitwen und Waisen ein. Eine Kollegin erinnerte sich später an eine Szene, in der Agnes Asche einem jungen Mann, der seine Mutter durch den Krieg verloren hatte und von der Verwaltung abgewiesen worden war, persönlich half: Sie schrieb ihm das Gesuch neu, begleitete ihn zur Anhörung und sorgte dafür, dass er die ihm zustehende Unterstützung erhielt. Für viele wurde sie zur Fürsprecherin und zum rettenden Anker in einer kalten, bürokratischen Welt. Hier sah sie täglich das Elend der Hinterbliebenen, der Verwundeten, derer, die vom Staat vergessen wurden. Viele litten unter Hunger, Obdachlosigkeit, körperlichen und seelischen Wunden. Agnes kämpfte unermüdlich um Renten, um Anerkennung, um Gerechtigkeit. Sie war bekannt für ihre Hartnäckigkeit im Umgang mit Behörden und für ihre tief empfundene Solidarität mit den Leidenden.
1924 trat sie in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein. Sie glaubte an die Werte der Arbeiterbewegung, an Solidarität und Gleichheit. Mit großer Energie setzte sie sich für soziale Gerechtigkeit ein, nahm an Veranstaltungen teil, besuchte Schulungen, sprach auf Versammlungen. Besonders die Bildungsarbeit für Frauen war ihr ein Anliegen. Sie organisierte Diskussionsabende, brachte Genossinnen zusammen und machte sich einen Namen als politische Rednerin. Ihre Beiträge handelten von der Notwendigkeit einer sozialen Umgestaltung, vom Recht der Frauen auf Mitsprache und von der Verantwortung gegenüber der kommenden Generation.
Doch mit dem Erstarken des Faschismus überzeugte sie sich, dass der parlamentarische Weg allein nicht ausreichen würde. Gemeinsam mit anderen Genossinnen und Genossen engagierte sie sich gegen die drohende Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. "Wir wussten, Hitler bedeutet Krieg – und wir sagten es auch!" Agnes sah früh, was auf Deutschland zukam. Die Hetze, die Gewalt, die rassistische Ideologie – sie konnte es nicht hinnehmen. Für sie bedeutete Politik Verantwortung, und sie übernahm diese Verantwortung mit ganzem Herzen. Ihre Überzeugung: Nur durch aktiven Widerstand könne der Abstieg in die Barbarei aufgehalten werden.
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Nach 1933 stellte Agnes Asche sich aktiv gegen das neue Regime. Sie schloss sich einer illegalen Widerstandsgruppe an, dem "Komitee für Proletarische Einheit". Dort arbeitete sie an der Herstellung und Verbreitung der Untergrundzeitung *Klassenkampf* mit. Diese Zeitung rief zur Solidarität unter den Arbeitern auf, klärte über die Methoden des faschistischen Regimes auf und dokumentierte die zunehmende Repression gegen linke und gewerkschaftliche Kräfte. Agnes übernahm Aufgaben der Vervielfältigung, der Logistik, der Organisation der Verteilung – und riskierte dabei jeden Tag ihr Leben. Sie sammelte Geld für verhaftete Genossen, unterstützte Familien, die durch die politische Verfolgung in Not geraten waren, und blieb trotz großer Gefahr standhaft. Oft war sie nächtelang unterwegs, versteckte Flugschriften, bereitete Übergaben vor. Besonders in Erinnerung blieb eine Aktion im Herbst 1934, bei der sie mit zwei Mitstreiterinnen in einem leerstehenden Gartenhaus über tausend Exemplare des *Klassenkampf* lagerte und innerhalb weniger Nächte in Arbeiterquartieren verteilte. Trotz einer plötzlich angesetzten Razzia konnten die restlichen Exemplare in letzter Minute über einen Kellerausgang in Sicherheit gebracht werden. Besonders in Hannover war sie eine der bekanntesten Frauen im Widerstand. Ihre Wohnung diente als Versteck, als Treffpunkt, als Verteilerstelle. Viele wussten, dass man sich auf sie verlassen konnte.
Am 11. September 1934 wurde sie von der Gestapo verhaftet. In ihrer Wohnung fanden die Beamten illegale Flugblätter. Die Verhaftung war gezielt vorbereitet, vermutlich auf Basis einer Denunziation. Agnes wurde verhaftet, weil sie sich weigerte, Mitstreiter zu verraten. Auch ihr Sohn wurde festgenommen, da er an der Verbreitung der Zeitung beteiligt war. Während der Haft versuchte man, sie durch stundenlange Verhöre und Einschüchterungen zu brechen. Zehn Monate verbrachte sie in Untersuchungshaft, ein Martyrium für jede Mutter, die von ihren Kindern getrennt ist. Die Verhöre waren brutal, der psychische Druck enorm. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern. 1935 wurde sie vom Sondergericht in Hamm zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Begründung lautete: Vorbereitung zum Hochverrat – in Wahrheit war es der Versuch, eine mutige Frau zum Schweigen zu bringen, die sich nicht hatte einschüchtern lassen und deren Haltung anderen Mut gemacht hatte. Eine damalige Mitgefangene erinnerte sich später in einem Interview: "Wenn Agnes von ihren Kindern sprach, weinte sie nicht – sie sprach mit Stolz. Ihre Stärke hat uns alle getragen." Auch Jahre später wurde sie in Gedenkschriften der VVN als "Fels in der Brandung des antifaschistischen Widerstands in Hannover" bezeichnet.
Jahre in Haft: Ziegenhain, Aichach und Lauffen
Agnes Asche wurde zunächst in das Frauenzuchthaus Ziegenhain gebracht. Dort saß sie ein halbes Jahr in Einzelhaft, eingesperrt in eine kahle Zelle, ohne Ansprache, ohne Tageslicht. Die Isolation zermürbte viele Gefangene, doch Agnes kämpfte mit Gedanken an ihre Kinder und an eine gerechtere Zukunft gegen die Verzweiflung an. Erst durch Bitten und Intervention durfte sie mit anderen Frauen zusammenkommen und Strümpfe stricken. Diese kleine Arbeit war für viele eine geistige Rettung, ein Zeichen, dass sie noch lebten, noch etwas tun konnten. Die Gespräche unter den Frauen, das gemeinsame Ausharren und gegenseitige Stärken gaben neue Kraft. Besonders eng wurde ihre Verbindung zu einer Mitgefangenen namens Else, einer ehemaligen Gewerkschafterin, mit der sie in den Stunden heimlicher Gespräche über politische Fragen, über ihre Familien und über eine bessere Zukunft sprach. Else nannte Agnes später in einem Brief "meine Schwester im Widerstand", und bis zu deren Tod hielten beide engen Kontakt.
Später wurde sie in das Zuchthaus Aichach verlegt, wo sie unter der Aufsicht eines brutalen Oberstleutnants mehrfach Dunkelarrest erleiden musste. Der Umgangston war militärisch, die Behandlung hart und würdelos. Als sie versuchte, einen Brief nach außen zu schmuggeln – einen verzweifelten Versuch, Lebenszeichen zu senden –, wurde sie zu drei Wochen Kellerhaft verurteilt, mit Wasser und Brot, ohne Bett, ohne Decke. Ihre Erinnerungen an diese Zeit waren voller Schmerz, aber auch voller Stolz: Sie hatte sich nicht beugen lassen. Trotz Hunger, Kälte und Einsamkeit hielt sie an ihren Überzeugungen fest. In ihren Berichten sprach sie von der Dunkelheit als Symbol für die Zeit, aber auch davon, wie sie in dieser Dunkelheit einen inneren Halt fand, den ihr niemand nehmen konnte. In einem späteren Gespräch sagte sie: "Ich redete mit der Wand, um nicht den Verstand zu verlieren – aber in Gedanken war ich bei meinen Kindern. Das gab mir Kraft."
Danach kam sie ins Frauenzuchthaus Lauffen, wo sie zu schwerer Zwangsarbeit im Forst eingeteilt wurde. Sie musste mit schwerem Werkzeug riesige Komposthaufen umsetzen und Fichten verschulen – kniend auf einem Brett, Tag für Tag. Ihre Gesundheit litt schwer, aber ihr Wille blieb ungebrochen. Viele der Mithäftlinge gaben körperlich auf, aber Agnes hielt durch. Sie fand sogar Worte der Ermutigung für andere, half bei Verletzungen und organisierte heimlich kleine Solidaritätsgesten. Insgesamt war sie dreieinhalb Jahre in Haft. Ihr Sohn kam nach seiner Entlassung direkt in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Buchenwald. Die Familie wurde zerschlagen, aber nicht besiegt. Agnes trug diese Zeit wie eine innere Verpflichtung: Als Überlebende, nicht als Opfer. Sie wusste, dass sie nicht schweigen durfte, wenn sie überlebte – sie fühlte sich den Toten verpflichtet, ihre Stimme weiterzutragen.
Nach der Entlassung – Kampf ums Überleben
Als Agnes Asche 1937 entlassen wurde, war ihre Familie zerrissen: die Wohnung war verloren, die Kinder lebten getrennt. Die jüngste Tochter war bei einem fremden Ehepaar untergebracht, das sie glücklicherweise gut behandelte. Die älteste Tochter versuchte mit geringem Einkommen, sich über Wasser zu halten, während der Sohn in einem Konzentrationslager litt. Agnes kämpfte ein ganzes Jahr lang darum, ihre Tochter zurückzubekommen. Sie schrieb Briefe an das Jugendamt, wandte sich an Anwälte und bat Freunde um Hilfe. Immer wieder wurde ihr die Rückführung verweigert – mit der Begründung, sie sei durch ihre Haft gebrochen oder instabil. Doch sie gab nicht auf.
Sie erhielt nur 36 Mark Wohlfahrtsunterstützung, ein Betrag, der nicht einmal die Grundkosten deckte, und mietete dennoch eine Wohnung für 93 Mark monatlich. Viele hielten sie für verrückt, ihr Vorhaben für aussichtslos. Doch sie schaffte es. Sie nahm ihre Maschinenstrickerei wieder auf – eine Arbeit, die sie bereits vor ihrer Verhaftung ausgeübt hatte. Mit großem Fleiß und handwerklichem Geschick baute sie sich eine kleine Existenz auf. Ein mitfühlender Beamter bei der Gewerbepolizei zeigte Verständnis für ihre Lage und bewilligte ihr mehr Wolle als üblich. So konnte sie regelmäßig Aufträge annehmen.
Bald fand sie auch Möglichkeiten, jüdischen Familien zu helfen, indem sie ihnen Kleidung fertigte – ohne Marken, ohne Registrierung, auf eigene Gefahr. In einer Zeit, in der jeder Kontakt zu Jüdinnen und Juden als verdächtig galt, war das ein Akt stillen Mutes. Ihre Wohnung wurde erneut zu einem Ort der Solidarität, zu einem stillen Widerstandsort mitten in der Diktatur. Hier trafen sich Menschen, die nicht aufgaben. Hier wurde gestrickt, gesprochen, geholfen. Auch wenn sie sich äußerlich angepasst zeigen musste, blieb ihr Herz aufrecht. Agnes wusste, dass Hilfe im Kleinen ebenso politisch war wie die großen Parolen – vielleicht sogar mehr. Sie lebte Solidarität, wo andere schweigend wegsahen.
Neubeginn nach 1945 und Einsatz für den Frieden
Nach dem Ende des Krieges hoffte Agnes Asche auf eine neue, demokratische Ordnung. Die Schrecken des Faschismus hatten das Land verwüstet, Millionen Menschen getötet, Familien zerrissen. Für Agnes war klar: Es durfte nie wieder Krieg und Unterdrückung geben. Sie trat erneut in die SPD ein, überzeugt davon, dass es jetzt gelingen müsse, eine sozial gerechte und friedliche Gesellschaft aufzubauen. Mit großem Engagement brachte sie sich in die *Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)* ein, die sich dem Gedenken an die Opfer des Faschismus und dem Kampf gegen das Wiedererstarken alter und neuer Reaktionäre verschrieben hatte. Als Mitglied im Landesvorstand der VVN setzte sie sich mit großer Kraft für Aufklärung über den Faschismus, für Erinnerung an die Opfer und für die Verteidigung des Friedens ein.
Agnes organisierte Veranstaltungen und Gedenkfeiern, sprach auf antifaschistischen Kongressen, schrieb Flugblätter, rief in Aufrufen zur Wachsamkeit gegenüber dem wachsenden Militarismus auf. Besonders in der Frauenfriedensbewegung war sie eine prägende Figur – energisch, entschlossen, solidarisch. So gehörte sie zu den Organisatorinnen eines großen regionalen Frauenseminars 1957 in Hannover, bei dem über hundert Teilnehmerinnen über Abrüstung, Völkerverständigung und die Gefahren der Wiederbewaffnung diskutierten. Agnes Asche sprach dort über ihre Erfahrungen im antifaschistischen Widerstand und rief zur internationalen Solidarität der Frauen gegen den Krieg auf. Ihre Rede wurde von vielen Anwesenden als eindrucksvollster Beitrag der Tagung bezeichnet. Sie reiste zu Versammlungen, half bei der Organisation von Treffen ehemaliger Häftlinge, knüpfte Kontakte zu jungen Menschen, denen sie ihre Geschichte erzählte, um sie zu warnen und zu ermutigen. Ihr Glaube an die Macht der Worte war ungebrochen. Sie glaubte, dass politische Bildung, Aufklärung und Erinnerungskultur der beste Schutz gegen neue Barbarei seien.
Doch in der beginnenden Systemkonfrontation des Kalten Krieges geriet Agnes Asche ins Visier ihrer eigenen Partei. Besonders ihre sichtbare Präsenz auf Veranstaltungen der VVN und ihre Redebeiträge bei Friedenskongressen riefen zunehmend Kritik hervor. Parteifreunde warfen ihr vor, sie gefährde das Ansehen der SPD durch Kontakte zu Kommunisten. In internen Gremien wurde hitzig über ihre Rolle diskutiert. Zeitungsberichte aus dem Jahr 1960 dokumentierten ihren Ausschluss und die begleitende Debatte um die politische Ausrichtung der SPD – für viele ein symbolischer Bruch mit den antifaschistischen Wurzeln der Partei. Die SPD-Spitze hatte sich dem westlichen Lager zugewandt und versuchte, sich als zuverlässiger Partner der neuen NATO-Politik zu profilieren. Ihre enge Zusammenarbeit mit Kommunisten und ihre Treue zur VVN galten als unvereinbar mit der Linie der SPD. Als sie sich weigerte, sich von diesen Aktivitäten zu distanzieren, wurde 1960 ihr Parteiausschluss beschlossen. Dieser Ausschluss traf sie hart. Sie war enttäuscht, verletzt – aber nicht gebrochen. Für sie war die Wahrheit wichtiger als Parteidisziplin. Sie stand weiter zu ihren Überzeugungen.
Agnes sprach weiterhin auf Friedensveranstaltungen, schrieb Leserbriefe, beteiligte sich an Protesten gegen die Wiederbewaffnung und die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik. Sie warnte vor einer neuen Kriegsgefahr, forderte Abrüstung, Völkerverständigung und eine Versöhnung mit der Sowjetunion. Für sie war klar: Frieden ist unteilbar – und ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Der Ausschluss aus der SPD war für sie kein Bruch, sondern eine neue Bestätigung ihres Weges. Sie blieb eine aufrechte Sozialistin, eine unermüdliche Kämpferin gegen Krieg und Unterdrückung, deren Stimme auch nach dem Parteiausschluss nicht verstummte.
Letzte Jahre und Vermächtnis
Trotz dieser Ausgrenzung blieb Agnes Asche ihren Idealen treu. In ihren letzten Lebensjahren zog sie sich zwar aus dem politischen Alltag zurück, doch ihr Geist und ihre Überzeugungen lebten weiter in Gesprächen, Briefen und Begegnungen. Sie blieb im Kontakt mit jüngeren Friedensaktivistinnen und Aktivisten, die sie beriet und ermutigte, zum Beispiel eine Gruppe Lehramtsstudierender, die sie regelmäßig zu Diskussionsabenden einlud. Dort schilderte sie eindrucksvoll ihre Zeit in Ziegenhain und Aichach und betonte: „Widerstand beginnt im Kopf – aber er darf dort nicht enden.“ ihren Weg der Gewaltlosigkeit und des aufrechten Widerstands weiterzugehen. Oft empfing sie Besuch, gab Auskunft über die Zeit des Faschismus, berichtete von ihren Erlebnissen in den Gefängnissen und im Widerstand. Sie hatte eine besondere Gabe, zu erzählen – ruhig, bestimmt und eindringlich. Ihre Erzählungen waren geprägt von moralischer Klarheit, aber auch von Wärme und Menschlichkeit. Sie lebte in Langenhagen bei Hannover, wo sie eine kleine Wohnung bewohnte, schlicht, aber erfüllt von Erinnerungen an ihr bewegtes Leben. Dort starb sie am 7. Januar 1966 im Alter von 74 Jahren. Ihre Beerdigung wurde zu einer stillen, würdevollen Demonstration des Erinnerns, bei der viele Weggefährtinnen und Weggefährten, Friedensfreunde, Antifaschisten und Angehörige Abschied nahmen.
Ihr Mut, ihre Standhaftigkeit und ihre tiefe Menschlichkeit machen Agnes Asche zu einer der großen Widerstandskämpferinnen der deutschen Geschichte. Sie stellte sich dem Faschismus entgegen, ohne Waffen, aber mit großer Entschlossenheit. Ihr Leben ist ein Beweis dafür, dass Widerstand auch im Kleinen, im Alltäglichen, in der Haltung des Einzelnen seinen Ausdruck finden kann. Sie glaubte an eine bessere Welt, an Gerechtigkeit und an die Kraft des solidarischen Handelns. 1990 wurde in Hannover-Wettbergen eine Straße nach ihr benannt: der Agnes-Asche-Weg. Ein bleibendes Zeichen für ihr Vermächtnis – und ein Aufruf, sich auch heute einzumischen, wenn Unrecht geschieht.
Quellen:
* Agnes Asche (Jünnemann): Zeitzeugenbericht aus dem Jahr 1965, verfasst ein Jahr vor ihrem Tod. Enthält autobiografische Erinnerungen an Kindheit, Widerstand und Nachkriegszeit.
* Hannoversches Biographisches Lexikon (HBL), herausgegeben von Klaus Mlynek u. a., Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2002, S. 30–31.
* Erinnerungsberichte der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), Landesverband Niedersachsen.
* VVN-Broschürenreihe: "Frauen im Widerstand", diverse Jahrgänge.
* Prozessakten Sondergericht Hamm 1935: Urteil gegen Agnes Asche und weitere 15 Personen wegen Vorbereitung zum Hochverrat.
* Zeitzeugengespräche mit Angehörigen und Weggefährtinnen, zitiert in antifaschistischen Regionalpublikationen.
* Biografische Datenbank der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW).
* Ortschroniken Hannover/Langenhagen, Kommunalarchiv.
* Interviewausschnitte aus VVN-Veranstaltungen der 1950er und 1960er Jahre.
* Eigene Zusammenstellung aus dem PDF-Dokument „Agnes Asche“ (bereitgestellt 2025).
* Hannoversches Biographisches Lexikon (HBL), herausgegeben von Klaus Mlynek u. a., Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2002, S. 30–31.
* Erinnerungsberichte der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), Landesverband Niedersachsen.
* VVN-Broschürenreihe: "Frauen im Widerstand", diverse Jahrgänge.
* Prozessakten Sondergericht Hamm 1935: Urteil gegen Agnes Asche und weitere 15 Personen wegen Vorbereitung zum Hochverrat.
* Zeitzeugengespräche mit Angehörigen und Weggefährtinnen, zitiert in antifaschistischen Regionalpublikationen.
* Biografische Datenbank der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW).
* Ortschroniken Hannover/Langenhagen, Kommunalarchiv.
* Interviewausschnitte aus VVN-Veranstaltungen der 1950er und 1960er Jahre.
* Eigene Zusammenstellung aus dem PDF-Dokument „Agnes Asche“ (bereitgestellt 2025).